Evangelium
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe. Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird. Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet. Dies trage ich euch auf: Liebt einander! Johannes 15,9–17
Einen klaren Auftrag gibt Jesus uns: „Liebt einander!“ Das sagt sich sehr einfach. Wie geht das? Wie macht man das? Diese Fragen klingen zu einfach. Jeder scheint zu wissen, wie das geht. Jeder hat eine Vorstellung, was wahre Liebe bedeutet, was die wahre Liebe ist.
Schauen wir einmal, was unser „Dauerberieselungsapparat“, der Fernseher, zur wahren Liebe zu sagen hat. Beim Zappen durch die Kanäle sehen wir oft Menschen auf der Suche nach Liebe, ob bei „Bauer sucht Frau“ oder „Ein Herz für die Liebe“. Doch bleibt bei mir der Eindruck, dass es hier um vermarktete Liebe und Zuschauerzahlen geht.
Oft sieht man auch viel Sex und Erotik, ein sehr eingeschränkter Blick auf die Liebe. Hier geht es meist um den idealen Liebespartner mit makelloser Schönheit, den Wunsch, immer jung zu bleiben und viel Erfolg im Leben zu haben. Das Ideal von Liebe in unserer Gesellschaft ist auf das Schöne und den Erfolg ausgerichtet. Es ist die Suche nach dem vollkommenen Partner, wie es viele Partnervermittlungsinstitute versprechen. Eigentlich nichts Neues, da die alten Griechen schon diese Vorstellung von Liebe pflegten. Von Kranken und Hässlichen sollte man sich fern halten und sein Leben damit nicht belasten. Solche Gedanken ziehen einen nach unten, machen depressiv und zerstören die Liebe. Liebe ist nur schön, sie macht das Leben leicht und glücklich. Vielfache Vorstellung über die Liebe in unserer Gesellschaft. Kein Wunder, wenn diese Liebe schnell vorbei ist und zerbricht. Falten, Krankheit, persönliche „Macken“ passen nicht in dieses Bild der Liebe. Man läuft weg und sucht lieber eine neue Liebe.
Hat Jesus das mit Liebe gemeint? Das ist für mich nicht vorstellbar. Wie kommen wir dem ein wenig näher, was er unter Liebe versteht?
Nach vielen Gesprächen, die ich als Diakon mit Ehepaaren, die goldene Hochzeit feierten, führte, sehe ich eine Gemeinsamkeit. Oft hörte ich den Satz: „Wir haben es miteinander ausgehalten“ oder „Wir haben uns getragen und manchmal auch ertragen.“ Einer trage des anderen Last, kommt das dem näher, was Jesus mit Liebe meint?
Tragt miteinander und ertragt einander, sind diese Erfahrung von Ehepaaren, die langen miteinander gelebt haben, eine Umschreibung für das, was Jesus unter gegenseitiger Liebe verstanden hat?
Klingt nicht so ganz nach Höhepunkt und rosaroter Brille, eher nach Alltag. Es klingt auch nach Alltag in unseren Gemeinden oder den neu entstehenden Pfarreiengemeinschaften. Da wären die Verantwortlichen der Diözesanleitung, die Seelsorger und Seelsorgerinnen, die Pfarrgemeinderäte, die Pfarrgemeinde vielleicht schon ganz froh, wenn wir miteinander tragen und uns ertragen würden.
Die Menschen, die immer aneinandergeraten, die Menschen die sich nicht „riechen“ können. Mein Traum von einer Pfarrgemeinde, in der Menschen miteinander tragen und sich ertragen, den träume ich immer noch gerne.
Liebe ist sicher mehr als reines Ertragen, aber es ist zumindest ein Anfang. Ein guter Anfang, der vieles in Bewegung setzen kann. Ertragen und miteinander tragen ist eine solide Grundlage, auf der Liebe wachsen kann.
Der Autor ist Betriebsseelsorger und Diakon in der Pfarrei Stift Haug in Würzburg.