Der Landesverband BDKJ vergibt den „Preis für Zivilcourage“. Was bedeutet Zivilcourage für sie?
Zivilcourage heißt für mich hinschauen, noch bevor ich irgendwas selber tue und eingreife. Da aktiv zu werden, wo es andere nicht tun. Fragen muss man sich auch, was mit denen ist, die daneben stehen und nicht eingreifen. Der Preis des BDKJ in Bayern zielt darauf ab, Projekte, die unter dem Slogan „Einmischen statt wegducken“ die Zivilcourage fördern, in das gesellschaftliche Bewusstsein zu rücken. Der Preis prämiert nicht nur Lernprojekte und Trainings, sondern auch Maßnahmen der politischen Bildung. Es geht darum, aufmerksam darauf zu machen, was Zivilcourage eigentlich ist.
Worauf zielen sie bei all ihren Angeboten in den kirchlichen Jugendverbänden ab?
Jugendliche sollen in allen Aktivitäten unserer Verbände dazu befähigt werden, ein selbst bestimmtes Leben zu führen. Konkret denke ich da an Schulungen, für die Altersstufe ab 15 Jahren, bei denen unter anderem eine fachliche Qualifizierung stattfindet, zum Beispiel: Wie leite ich eine Gruppenstunde? Mindestens genauso wichtig ist aber die Persönlichkeitsbildung, um Jugendliche in die Lage zu versetzen, für sich selber und auch für andere Verantwortung zu übernehmen. Wenn sie wissen, was sie selbst können, können sie auch ein aktives Mitglied der Gesellschaft werden. Ein Zeltlager, das auf den ersten Blick eine Spaßveranstaltung ist, hat durchaus diese Elemente, Kinder und Jugendliche an ein gesundes Miteinander heranzuführen.
Was tun die einzelnen Jugendverbände in der Praxis, um diesen Ansatz zu festigen?
Die Christliche Arbeiterjugend (CAJ) arbeitet hauptsächlich mit benachteiligten Jugendlichen in der Ausbildung. Diese haben Schwierigkeiten, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Im Verband erhalten sie Anleitung und Unterstützung in der Begleitung beim Übergang von der Schule in die Ausbildung. Die Kolpingjugend arbeitet mit einer ähnlichen Zielgruppe. Dort hat man sich verstärkt auf die eigenen Wurzeln besonnen und kümmert sich auch um benachteiligte Jugendliche in der Ausbildung. In der Zusammenarbeit mit dem Förderzentrum am Heuchelhof kommen Verbandsjugendliche mit den dortigen Jugendlichen zusammen und ermöglichen so einen Blick auf die jeweiligen Fähigkeiten. Ein drittes Beispiel ist die Pfadfinderinnenschaft St. Georg (PSG), die sich auch in der Migrantenarbeit engagiert. Im Projekt „Spurensuche“ sensibilisieren sie Schülerinnen darauf, wo in ihrer eigenen Biografie und Herkunft Migration eine Rolle spielt und was Fremdsein überhaupt bedeutet.
Glauben Sie, dass eine Verschärfung des Jugendstrafrechts eine Lösung ist?
Ein ganz klares „Nein“. Wenn ein Jugendlicher hört, dass die Höchststrafe für einen Gewalttäter seines Alters bei zehn oder 15 Jahren liegt – die Zahl ist so abstrakt, damit kann er nichts anfangen. Und dann die Frage: Was lernt ein Jugendlicher in dieser Zeit? Er merkt, dass er etwas falsch gemacht hat. Aber es wird ihm nicht deutlich gezeigt, was er in Zukunft anders machen kann. Ich denke, wir müssen verstärkt in die Perspektiven für junge Menschen investieren.
Welche Forderung haben sie in Bezug auf den Strafvollzug?
Beim Strafvollzug für Jugendliche fordern wir eine effektivere Umsetzung der vorhandenen Strafmöglichkeiten. Es kommt oft vor, dass Verhandlungen von Jugendlichen, die ein Gewaltdelikt begangen haben, frühestens ein Jahr nach der Tat stattfinden. Da besteht aber schon lange kein direkter Bezug mehr zu der Tat. Dann erhöht sich lediglich der Frust, aber der erzieherische Effekt ist gleich Null.
Warum geraten ihrer Meinung nach häufig Jugendliche mit Migrationshintergrund in die Schusslinie?
Bei ihnen ist das Risiko höher, in der Gesellschaft schlechte Chancen zu haben. Aus Frustration und Perspektivlosigkeit heraus schlagen sie über die Stränge. Das hat nichts mit „Deutscher“ und „Ausländer sein“ zu tun, sondern vielmehr mit der Folge daraus. Sie sehen sich oft chancenlos in der Gesellschaft. Bei vielen Jugendlichen in den neuen Bundesländern schaut es ähnlich aus. Ofr haben sie niemanden, an dem sie sich orientieren können, der sie wertschätzt oder ein Vorbild ist.
Was fordern Sie als Jugendverband von der Politik?
Wir fordern die Unterstützung für sozial benachteiligte Jugendliche und deren Familien, das heißt, dafür zu sorgen, dass wieder mehr Ausbildungsplätze entstehen. Darüber hinaus muss die Betreuung an den Schulen langfristig verbessert werden. Kleinere Klassen, eine verbesserte pädagogische Ausbildung der Lehrer. Auch in außerschulischen Angeboten darf nicht weiter gekürzt werden. Es ist teurer, anschließend Ausgleichs- und Rettungsmaßnahmen zu finanzieren, als ein kontinuierliches Flächendeckendes und hochwertiges Angebot schulisch und außerschulisch zu fördern.
Preis für Zivilcourage
Der Preis für Zivilcourage wurde 2001 zum ersten Mal von der Freisinger Bischofskonferenz und der Landesstelle für Katholische Jugendarbeit in Bayern ausgelobt. Den Anstoß gab ein brutaler Übergriff von jugendlichen Neonazis auf einen ausländischen Bürger in München. 2006 erhielt das Bündnis für Zivilcourage in Würzburg den Preis. 2008 wird die Auszeichnung für couragiertes Handeln zum vierten Mal verliehen. Bewerbungen können bis zum 31. Juli 2008 eingereicht werden. Weitere Informationen gibt es im Internet unter der Adresse: „www.preisfuerzivilcourage.de“.