Ute Krueger hat Kunstgeschichte studiert. Für ihre erste Anstellung ist sie vor dreieinhalb Jahrzehnten nach Franken übergesiedelt. Sie erforschte Zusammenstellung, Einsatz und Bedeutung jeder Variante der Ochsenfurter Gautracht. Es mangelte an schriftlichen Überlieferungen; also interviewte sie die Letzten, die nicht bloß aus folkloristischer Gesinnung, sondern aus Überzeugung und Verbundenheit mit der Heimat zu jedem Anlass ins „exotisch“ gewordene Gewand schlüpften. Selbst eine speziell für die Trachtenfertigung ausgebildete Schneiderin durfte sie noch kennenlernen. „Ich bin ein Mensch, der Traditionen mag und sie gerne lebt“, bekennt Ute Krueger. Und gefasst schiebt sie nach: „Aber mit der Tracht als Kleidung im Alltag oder wenigstens an Festtagen ist’s vorbei.“
Mit dem Ziel, die Gäste des Trachtenmuseums in erster Linie anzuregen, sich über die sorgsam aufgereihten Zeugnisse der Vergangenheit mit ihren persönlichen Lebenserfahrungen auseinanderzusetzen, arbeitete die Wissenschaftlerin damals mit Unterstützung der Landesstelle für nichtstaatliche Museen in Bayern Themenblöcke aus wie Entstehung und Wandel, Kleiderordnungen und Accessoires sowie Herstellung, Pflege und Aufbewahrung. Zudem betont sie, wie wichtig es ist, der jungen Generation zu vermitteln, wie sich alles entwickelte. Weil die Museumsleitung eine Teilzeittätigkeit war und ist, hängte Ute Krueger ein Lehramtsstudium an. Als Rektorin der Mittelschule in der Nachbarstadt Marktbreit ist sie inzwischen pensioniert, „ihrem“ Trachtenmuseum bleibt sie treu; alte Liebe …
Erkennungszeichen: M
Auf Zuneigung soll im Übrigen das Erkennungszeichen der Ochsenfurter Gautracht beruhen. Ein zu einem großen M geformtes Band ziert jede Schürze. Eingeweihte haben Ute Krueger erklärt, der Buchstabe stehe für die bange Frage: „Mädel magst mich?“
Vielleicht hängt das M auch mit der Mutter Gottes zusammen. Ausgewählte Jungfrauen durften bei den Prozessionen als Marienbildmädchen mit einem goldenen Marientaler als Brustschmuck die Marienstatue begleiten. Das würde wiederum verdeutlichen, warum protestantisch geprägte Dörfer, wo bekanntlich die Marienverehrung verpönt war, als trachtenlose Inseln im weiten ebenen Land zwischen Main- und Taubertal lagen. Das Gleiche galt für größere Orte, wo die Handwerker vorherrschten. In der üppigen Tracht spiegelte sich der Besitz der katholischen Bauernschaft wider. Mildes Klima sowie kalk-, löß- und lehmhaltige Böden ermöglich(t)en einen reichen Ertrag – früher vor allem an Braugerste; seit dem Bau der Ochsenfurter Zuckerfabrik 1952/53 dominiert der Rübenanbau.
Soziale Stellung
Das Wort Gau kam wohl während der fränkischen Landnahme im 6./7. Jahrhundert auf. Es bedeutete Königsgutsbezirk. Der Ochsenfurter Gau hieß im Mittelalter Goßfeldgau. Zum Ende jener Epoche „erfuhr das Erscheinungsbild der Frau die entscheidende Veränderung“, weiß Expertin Ute Krueger. In einem von ihr mitverfassten Führer ist zu lesen, dass „sich das einteilige Kleid in einen Leib- und einen Rockteil trennte“. Stoff- und Farbpalette waren beschränkt. Die Gaubäuerinnen hätten sich mehr leisten können, durften aber nicht. Mit der Französischen Revolution verloren herrschaftliche Reglementierungen ihre Gültigkeit. Jetzt konnte man zugreifen auf bis dahin der Aristokratie vorbehaltene Dinge. Besonders beim Kirchgang wurde „Staat gemacht“. Alle Accessoires wie das Gebetbuch waren mit sämtlichem Zierrat fein abgestimmt; er wies auf die soziale Stellung hin.
Gold und Silber
Das Aussehen der Marienbildmädchen wich nicht wesentlich von dem der verheirateten Frauen ab. Lediglich: Blumen bekränzten ihre Haare; schließlich waren sie noch nicht „unter der Haube“. Im Detail, zum Beispiel indem man Gold- und Silberfäden verwendete, unterschied man, ob man ein Kleidungsstück nur zu höchsten Feiertagen wie Weihnachten und Ostern, Kirchweih und Patrozinium hervorholte oder zu anderen Festen. Die Tanztracht saß bequemer als die Sonntagstracht. Und die Arbeitstracht hatte anders als die Werktagstracht überhaupt kein schmückendes Beiwerk. Selbst dafür, wie nahe einem jemand gestanden hatte und wie lange das Ableben zurücklag, gab es Passendes: Tieftrauertracht und Abtrauertracht.
In den Jahrzehnten um 1900 erreichte die reichste Tracht Unterfrankens ihre glanzvollste Ausstattung. Angeblich konnten Bayernkönig Ludwig III. und sein Gefolge bei einem Besuch im Juni 1914 kaum glauben, dass diese prächtige Kleidung nicht nur zu diesem Anlass, sondern an allen Sonn- und Festtagen in den Dörfern zu sehen ist. Das da noch mit Stolz getragene Standessymbol wurde nach dem Ersten Weltkrieg zunehmend als „bäuerisch“ und altmodisch empfunden und verschwand nach dem Zweiten Weltkrieg fast gänzlich. Männer hatten schon eher ihren Dreispitz und die hirschlederne Kniebundhose abgelegt. Vieles wurde in den 1960er- und 1970er-Jahren entsorgt; was gerettet werden konnte, sind heute begehrte Sammlerstücke. Museumsleiterin Krueger stellt fest, dass die dann für die Hofarbeit übliche Kittelschürze inzwischen auch schon ein Relikt ist ...
Bernhard Schneider
Geöffnet ist das Trachtenmuseum von Ostern bis Allerheiligen samstags sowie sonn- und feiertags von 14 bis 17 Uhr.