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Gedanken zum Sonntagsevangelium von Stefan Redelberger, Bad Neustadt
Eine von Gott geliebte Tochter
Evangelium
In jener Zeit kam Jesus von Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen. Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm: Ich müsste von dir getauft werden, und du kommst zu mir? Jesus antwortete ihm: Lass es nur zu! Denn nur so können wir die Gerechtigkeit, die Gott fordert, ganz erfüllen. Da gab Johannes nach. Kaum war Jesus getauft und aus dem Wasser gestiegen, da öffnete sich der Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.
Matthäus 3,13–17
Vor einigen Wochen begleitete ich eine alte Dame, die mit Herzproblemen ins Krankenhaus gekommen war. Zunächst rieten ihr die Ärzte zu einer großen Operation und sie stimmte zu. Doch dann wurde die Gefahr immer größer, dass sie die Herzoperation nicht überleben könnte. Nach Gesprächen mit den Ärzten und ihren Angehörigen entschied sie sich gegen den Eingriff. Ihr war dabei klar, dass sie auch mit dieser Entscheidung nur noch etwa drei Monate leben würde. Als die Dame mir das erzählte, war die Trauer und Wehmut aus ihrer Stimme zu hören. Und dann fügte sie lächelnd hinzu: „Aber wissen Sie, ich hatte so ein schönes Leben!“
Diese Worte haben mich sehr berührt. Denn ich wusste von vorherigen Gesprächen, dass sie es im Leben nicht immer leicht gehabt hatte. Nach dem Krieg war sie vertrieben worden und hatte in Deutschland eine neue Heimat finden müssen. Ihr Mann war schon früh und ganz plötzlich gestorben. Sie hatte mir zwar auch viele schöne Erinnerungen mitgeteilt. Doch dass sie jetzt mit Tränen und zugleich mit einem frohen und dankbaren Glanz in den Augen sagen konnte: „Ich hatte so ein schönes Leben!“ – darüber war ich sehr berührt. Ich glaube, die Patientin hat in ihrem Leben etwas davon spüren dürfen, was im heutigen Evangelium bei der Taufe Jesu geschieht. Dort, wo die Stimme Gottes spricht: „Das ist mein geliebter Sohn.“ Durch alle Höhen und Tiefen ihres Lebens hat die alte Dame die Zusage Gottes erfahren: „Du bist meine geliebte Tochter. Ich meine es gut mit dir. Ich will, dass du dich bei mir geborgen fühlst, auch wenn dir das Leben arg zusetzen mag.“
So wie ich die Patientin erlebt habe, hat sie dabei sicher nicht die Hände in den Schoß gelegt und abgewartet, was ihr das Leben wohl bringen mag. Sie wirkte noch im Krankenhaus sehr aktiv und unternehmungslustig. Eine von Gott geliebte Tochter, die wirkt und gestaltet, die Ideen entwickelt und umsetzt. Und noch etwas zeichnete die Frau aus: Eine große Dankbarkeit. Viele Dinge aus ihrem Leben, ja selbst Kleinigkeiten im Krankenhausbetrieb nahm sie sehr aufmerksam und dankbar zur Kenntnis. Beide Eigenschaften, ihre aktive Lebenseinstellung und ihre Dankbarkeit, haben vielleicht dazu beigetragen, dass sie nun sagen konnte: „Ich hatte so ein schönes Leben!“
Wir befinden uns noch mitten in unserem Leben. Bei uns ist das Lebensende noch nicht so deutlich abzusehen. Doch die Zusage Gottes „Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter!“ gilt uns allen. Das heutige Fest der Taufe des Herrn und die Erinnerung an meine eigene Taufe sind für mich Verheißung, dass ich auch einmal sagen kann: „Ich hatte so ein schönes Leben!“
Wie das gelingen kann, – da möchte ich von der alten Dame im Krankenhaus lernen. Ihre dankbare Heiterkeit hat es mir vor allem angetan.
Und ich möchte von Jesus lernen, wie das Leben gelingen kann, denn er ist der Meister des Lebens schlechthin. Seine Hochachtung vor jedem einzelnen Menschen fasziniert mich. In jedem Menschen sah er den von Gott geliebten Sohn, die von Gott geliebte Tochter. In dieser Haltung begegnete er den Menschen: Frauen und Männern, Frommen und Sündern, Gesunden und Kranken.
Am heutigen Fest, wo in vielen Gemeinden Kinder getauft werden, kommen mir die Kinder in den Sinn, denen diese Menschenwürde abgesprochen wird. In unserer Gesellschaft bekommen Kinder von ihren Eltern anstatt Zuwendung Süßigkeiten und andere Dinge. In Indien werden Mädchen wegen der finanziellen Belastung vor der Geburt abgetrieben. In afrikanischen Ländern werden Buben und Mädchen auf brutale Art und Weise gezwungen, Kindersoldaten zu werden und die Menschenwürde zu missachten.
Wir Christen wissen, dass wir selbst von Gott geliebte Söhne und Töchter sind. Wir wissen, dass jeder Mensch bei Gott und deshalb prinzipiell einen unsagbar hohen Wert hat. Ich wünsche uns, dass wir von Jesus Christus lernen, wie wir dazu beitragen können, damit das Leben – unser eigenes und das der anderen – gelingen kann. Damit wir einmal sagen können: „Ich hatte so ein schönes Leben“.
Stefan Redelberger ist Krankenhauspfarrer für das Rhön-Klinikum in Bad Neustadt.
In jener Zeit kam Jesus von Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen. Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm: Ich müsste von dir getauft werden, und du kommst zu mir? Jesus antwortete ihm: Lass es nur zu! Denn nur so können wir die Gerechtigkeit, die Gott fordert, ganz erfüllen. Da gab Johannes nach. Kaum war Jesus getauft und aus dem Wasser gestiegen, da öffnete sich der Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.
Matthäus 3,13–17
Vor einigen Wochen begleitete ich eine alte Dame, die mit Herzproblemen ins Krankenhaus gekommen war. Zunächst rieten ihr die Ärzte zu einer großen Operation und sie stimmte zu. Doch dann wurde die Gefahr immer größer, dass sie die Herzoperation nicht überleben könnte. Nach Gesprächen mit den Ärzten und ihren Angehörigen entschied sie sich gegen den Eingriff. Ihr war dabei klar, dass sie auch mit dieser Entscheidung nur noch etwa drei Monate leben würde. Als die Dame mir das erzählte, war die Trauer und Wehmut aus ihrer Stimme zu hören. Und dann fügte sie lächelnd hinzu: „Aber wissen Sie, ich hatte so ein schönes Leben!“
Diese Worte haben mich sehr berührt. Denn ich wusste von vorherigen Gesprächen, dass sie es im Leben nicht immer leicht gehabt hatte. Nach dem Krieg war sie vertrieben worden und hatte in Deutschland eine neue Heimat finden müssen. Ihr Mann war schon früh und ganz plötzlich gestorben. Sie hatte mir zwar auch viele schöne Erinnerungen mitgeteilt. Doch dass sie jetzt mit Tränen und zugleich mit einem frohen und dankbaren Glanz in den Augen sagen konnte: „Ich hatte so ein schönes Leben!“ – darüber war ich sehr berührt. Ich glaube, die Patientin hat in ihrem Leben etwas davon spüren dürfen, was im heutigen Evangelium bei der Taufe Jesu geschieht. Dort, wo die Stimme Gottes spricht: „Das ist mein geliebter Sohn.“ Durch alle Höhen und Tiefen ihres Lebens hat die alte Dame die Zusage Gottes erfahren: „Du bist meine geliebte Tochter. Ich meine es gut mit dir. Ich will, dass du dich bei mir geborgen fühlst, auch wenn dir das Leben arg zusetzen mag.“
So wie ich die Patientin erlebt habe, hat sie dabei sicher nicht die Hände in den Schoß gelegt und abgewartet, was ihr das Leben wohl bringen mag. Sie wirkte noch im Krankenhaus sehr aktiv und unternehmungslustig. Eine von Gott geliebte Tochter, die wirkt und gestaltet, die Ideen entwickelt und umsetzt. Und noch etwas zeichnete die Frau aus: Eine große Dankbarkeit. Viele Dinge aus ihrem Leben, ja selbst Kleinigkeiten im Krankenhausbetrieb nahm sie sehr aufmerksam und dankbar zur Kenntnis. Beide Eigenschaften, ihre aktive Lebenseinstellung und ihre Dankbarkeit, haben vielleicht dazu beigetragen, dass sie nun sagen konnte: „Ich hatte so ein schönes Leben!“
Wir befinden uns noch mitten in unserem Leben. Bei uns ist das Lebensende noch nicht so deutlich abzusehen. Doch die Zusage Gottes „Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter!“ gilt uns allen. Das heutige Fest der Taufe des Herrn und die Erinnerung an meine eigene Taufe sind für mich Verheißung, dass ich auch einmal sagen kann: „Ich hatte so ein schönes Leben!“
Wie das gelingen kann, – da möchte ich von der alten Dame im Krankenhaus lernen. Ihre dankbare Heiterkeit hat es mir vor allem angetan.
Und ich möchte von Jesus lernen, wie das Leben gelingen kann, denn er ist der Meister des Lebens schlechthin. Seine Hochachtung vor jedem einzelnen Menschen fasziniert mich. In jedem Menschen sah er den von Gott geliebten Sohn, die von Gott geliebte Tochter. In dieser Haltung begegnete er den Menschen: Frauen und Männern, Frommen und Sündern, Gesunden und Kranken.
Am heutigen Fest, wo in vielen Gemeinden Kinder getauft werden, kommen mir die Kinder in den Sinn, denen diese Menschenwürde abgesprochen wird. In unserer Gesellschaft bekommen Kinder von ihren Eltern anstatt Zuwendung Süßigkeiten und andere Dinge. In Indien werden Mädchen wegen der finanziellen Belastung vor der Geburt abgetrieben. In afrikanischen Ländern werden Buben und Mädchen auf brutale Art und Weise gezwungen, Kindersoldaten zu werden und die Menschenwürde zu missachten.
Wir Christen wissen, dass wir selbst von Gott geliebte Söhne und Töchter sind. Wir wissen, dass jeder Mensch bei Gott und deshalb prinzipiell einen unsagbar hohen Wert hat. Ich wünsche uns, dass wir von Jesus Christus lernen, wie wir dazu beitragen können, damit das Leben – unser eigenes und das der anderen – gelingen kann. Damit wir einmal sagen können: „Ich hatte so ein schönes Leben“.
Stefan Redelberger ist Krankenhauspfarrer für das Rhön-Klinikum in Bad Neustadt.