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Der Eingang vom Innenraum der Ochsenfurter St. Andreaskirche in den Glockenturm ist nicht ganz leicht zu finden. Aber Horst Hummel kennt sich hier aus. Der Mesner bewegt ein Segment des aus dem 15. Jahrhundert stammenden Chorgestühls, das sich mittels Angeln türartig öffnen lässt. Und schon geht es hinauf in den Glockenturm, der zu den ältesten Teilen der Kirche gehört, deren gotischer Bestand sich fast unbeschadet bis in die heutige Zeit erhalten hat.
In der Glockenstube, die nach 1276 (Ersterwähnung eines Ochsenfurter Kirchengebäudes) und kurz vor 1288 (Weihe des Kirchenneubaus) errichtet wurde, legt Horst Hummel einen kurzen Halt ein. Ein leises, aber deutliches „Tick-Tack“ ist hier zu vernehmen. Der Mesner deutet auf das Uhrwerk der Turmuhr, die nicht – wie so viele andere Uhren in der Diözese – elektronisch, sondern noch rein mechanisch funktioniert.
An der Innenwand des Turmes hängen die riesigen Metallgewichte der Turmuhr. „Jeden Freitag“, erläutert Horst Hummel, „kommt jemand von der Stadt, um die Uhr aufzuziehen.“ Für das Uhrwerk sei nämlich die politische Gemeinde zuständig. Der Mesner weiß um die Bedeutung dieses Uhrwerks. Sogar das Bayerische Fernsehen habe einmal Interesse an der Mechanik gefunden und einen Beitrag drehen wollen. Aufgrund technischer Schwierigkeiten sei es aber nicht dazu gekommen. Der eigentliche Stolz des Kirchenturms befindet sich hingegen weiter oben: Das sind die fünf erhaltenen Glocken aus dem 13. bis 18. Jahrhundert.
Glockengießer Neuber
Ursprünglich gab es davon sechs; eine von den Unterlagen her bezeugte Glocke von 1734 ging aber 1918 verloren, weil nämlich nicht erst im Zweiten Weltkrieg, sondern bereits im Ersten Weltkrieg ab dem Kriegsjahr 1917 Glocken zu Rüstungszwecken abgegeben werden mussten und teilweise auch eingeschmolzen wurden.
Die bedeutendste Ochsenfurter Kirchenglocke ist nach den Worten des Mesners die Marienglocke von 1518, die auch Bürgerglocke genannt wird. Es handelt sich bei dieser nämlich um die einzige heute noch vorhandene, signierte und zugleich größte Glocke des Glockengießers Hans Neuber, wie der Stuttgarter Glockensachverständige Klaus Hammer herausgefunden hat. Nach Hammers Darstellung ist Neuber zwischen 1470 und 1480 geboren, lebte zunächst in Klingenberg und starb 1522 oder 1523 in Würzburg. Gut zwei Dutzend Glocken hat Neuber gegossen.
Die Bürgerglocke ist nicht nur die historisch interessanteste, sondern mit einem Durchmesser von 1,60 Meter auch die größte Ochsenfurter Glocke. Die älteste ist eine eher mittelgroße Glocke (sie hat einen Durchmesser von gut einem Meter) von 1296 – im Gegensatz zum Realschematismus der Diözese, der hier einen offensichtlichen Schreibfehler („1926“) enthält, verzeichnet der Glockenatlas der Diözese das durch die lateinische Inschrift belegte Gussjahr 1296.
Die kleinste Glocke hingegen, die sogenannte Frühmessglocke von 1725, ist aus konservatorischen Gründen nicht in Betrieb. „Abgesehen von den üblichen Reparaturarbeiten hat es in den letzten Jahren nie irgendwelche Probleme mit den Glocken und dem Uhrwerk gegeben“, sagt Frank Müller von den Herforder Elektromotoren-Werken aus Westfalen, die sich in Ochsenfurt um die Wartung der Läutetechnik und der Turmuhr kümmert.
Vom Vergraben der Glocke
So friedlich wie heutzutage ging es zu früheren Zeiten mit den Ochsenfurter Glocken freilich nicht zu. So berichtet eine alte Sage von einer spannenden Begebenheit, in deren Zentrum die Bürgerglocke steht. Aufgezeichnet ist die Sage in der vom Ochsenfurter früheren Pfarrkurator und Würzburger Domkapitular Johannes Baptist Kestler 1845 veröffentlichten „Beschreibung der Stadt Ochsenfurt“, die der einstige Ochsenfurter Schulamtsdirektor und Kreisheimatpfleger Peter Högler (1935 – 2003) in seinem 1984 herausgegeben Band „Alte Geschichten und Sagen aus dem Ochsenfurter Gau“ wiedergibt.
Der überlieferte Text lautet: „In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges fürchteten die Ochsenfurter, ihre Bürgerglocke zu verlieren. Um das zu verhindern, holten sie die Glocke vom Turm und vergruben sie im Ochsenfurter Weitfeld. Als endlich die Kriegszeit vorbei war und die Glocke wieder ausgegraben werden sollte, wusste niemand mehr die Stelle, wo sie im Erdreich schlummerte. Eines Tages aber wurde sie von Schweinen, die auf dem Weitfeld gehütet wurden, ausgegraben.
In einer feierlichen Prozession wurde die Glocke in die Stadt geschafft und wieder an ihrem alten Platz aufgehängt.“ – Und dort hängt sie noch heute und ruft die Gläubigen zu Gottesdienst, Andacht und Gebet. Zu früheren Zeiten hatte sie auch zur Alarmierung bei Bränden in der Innenstadt gedient – zur Alarmierung bei Auswärtsbränden wurde die Zwölferglocke geläutet.