Den Stimmungsumschwung spüren wir selbst, wenn wir die Liturgie vom Gründonnerstag bis zum Osterfest – das österliche Triduum – mitfeiern und die Tage entsprechend gestalten.
Einen besonderen Platz nimmt dabei die Osternacht selbst ein: Der Wandel vom Dunkel zum Licht, das (Kerzen-)Licht, das wir weitergeben, die „Rückkehr“ der Glocken und der Orgel beim Gloria, die Lieder, in denen die Christen ihre Freude vor aller Welt verkünden wollen – all dies macht die Feier der Auferstehung Christi auch zu einem stimmungsmäßigen Höhepunkt im Kirchenjahr. „Als Kind habe ich darum gebettelt, mit in die Osternacht zu dürfen“, erzählt der Tübinger Religionspädagoge Albert Biesinger. „Nicht nur, weil dies weit in die Nacht hinein ging, und ich deswegen lange aufbleiben durfte, sondern weil ich aus den Andeutungen der Erwachsenen bereits herausgehört habe, dass diese Nacht etwas ganz Besonderes sein muss.“
Mit „innerer Begeisterung und Berührung“ feiert Albert Biesinger heute als Diakon in einer Gemeinde die Osternacht mit: „Es ist mir oft so, als ob wir als Gemeinde gegen den Tod ansingen, gegen den Tod protestierend die größte Vision für uns Menschen besingen und bezeugen: Der Tod hat nicht das letzte Wort. Der Tod ist Durchgang zu neuem Leben.“ Und er empfiehlt, eine solche Erfahrung auch Kindern zu vermitteln.
Unsere Emotionen werden auf einmalige Weise durch den Ablauf der liturgischen Feier gestützt. Wie sonst nie im Kirchenjahr lernen wir die Heilsgeschichte verstehen, ja erleben sie selbst mit, so die Verknüpfung von Altem und Neuem Testament – und die Wichtigkeit der Taufe, die aus gutem Grund zu dieser Liturgie gehört, wie Papst Benedikt XVI. in der Osternacht 2006 erklärte: „Die Taufe bedeutet gerade dies, dass wir nicht von einem vergangenen Ereignis reden hören, sondern dass ein weltgeschichtlicher Durchbruch zu mir kommt und nach mir greift.“ Die Taufe, so sagt der Papst, ist „wirklich Tod und Auferstehung, Wiedergeburt, Umbruch in ein neues Leben hinein“. Und nun lebt, wie es Paulus im Galaterbrief betont, Christus in mir (2,20). „Die eigentliche Identität des Menschen – dieses Menschen Paulus – ist verändert worden“, betont Benedikt XVI. – sie wurde verwandelt durch die Zugehörigkeit zu Christus: Alle auf Christus
Getauften aber sind „einer“ geworden in Christus (Galater 3,28).
Uns berührt, wenn wir für die Täuflinge die Allerheiligenlitanei beten, wenn das Taufwasser, das Wasser des Lebens, gesegnet und das Taufversprechen abgelegt wird. Dieses „Katholische“ des Glaubens und der Kirche, wo es „nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau“ (Galater 3,28) gibt, spüren wir auch in unseren Gemeinden immer mehr bei der zunehmenden Zahl der Erwachsenentaufen, wo sich Menschen mit sehr unterschiedlichem kulturellen und nationalen Hintergrund zu Christus bekennen; im Petersdom wird in der Osternacht auch unter den Täuflingen aus vielen Ländern stets die weltweite Kirche sichtbar. Und mancher Christ erkennt, dass diese neuen Glieder am Leibe Christi unserer Fürsorge bedürfen – und vielleicht auch ihre Paten. Und mancher mag bei der Taufe auch an die Christen anderer Konfessionen denken, schließlich ist die Taufe ein Zeichen der Einheit aller Christen.
Wenn wir dann selbst – mit brennenden Kerzen, dem Osterlicht, in den Händen – in der großen Gemeinschaft der Gläubigen unser Taufversprechen erneuern, dann spüren wir wohl auch die Verpflichtung, treu zu Christus zu stehen und das weiße Kleid, das wir zumindest sinnbildlich mit der Taufe angelegt haben, nicht zu beschmutzen.
Das Ostergeschehen, dieses neue Leben, muss sich auch im Alltag zeigen und erweisen. Die Jüngerinnen und Jünger Jesu waren völlig verändert, plötzlich verkündeten sie das Unglaubliche: „Der Herr ist wirklich auferstanden.“ Aus der Ostererfahrung können wir die Kraft schöpfen, deutlicher den Auferstandenen zu bezeugen und überall für den Schutz des Lebens und die Bewahrung der Schöpfung einzutreten. Das Erfahren der Liebe des Herrn, der für uns in den Tod ging, sollte uns selbst auch verstärkt an den Nächsten denken lassen und uns anspornen, für Gerechtigkeit und Frieden einzutreten. Vielleicht machen wir jetzt auch noch bewusster das Kreuzzeichen und erneuern damit unser Taufbekenntnis.
Ich lebe und ihr werdet leben, sagt Jesus im Johannesevangelium (14,19). Durch Tod und Auferstehung Jesu sind wir erlöst, aber wir müssen auch mit unserem Leben, mit dem Leben allgemein, verantwortlich umgehen. Wir sind dabei nicht allein, denn der Auferstandene ist bei uns „alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Matthäus 28,20).
Das ist Grund genug zur Osterfreude, ja zu Jubel, wie die Kirche sie im Exsultet der Osternacht ausdrückt: „Lobsinge, du Erde, umstrahlt vom Glanz aus der Höhe.“