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    Wirt Steffen Schärpf erhält das „Goldene Roß“ in Diebach bei Hammelburg

    Ein Wirtshausretter mit Herz und Humor

    Von Würzburg über Karlstadt kommend, sieht man die Burg Saaleck. Majestätisch thront das Hammelburger Wahrzeichen über der Stadt, während unten das Rote Schloss – im 18. Jahrhundert Weindepot des Fuldaer Kurfürsten – samt idyllischem Garten und Stadtweiher im Dornröschenschlaf liegt. Das malerische Städtchen gilt als älteste Weinstadt Frankens. Im Museum „Herrenmühle“ kann man gleich ein Gläschen vom herrlichen Rebensaft kosten. Wir aber machen uns lieber durstig und hungrig auf den Weg zu einem Landgasthof, dessen Existenz vor vier Jahren noch ernsthaft bedroht war ...

    Dass er schließlich doch noch vor Schließung und Verfall gerettet wurde, ist Steffen Schärpf zu verdanken. Er hat das „Goldene Roß“ mitten im Hammelburger Ortsteil Diebach 2018 gekauft und hält es am Leben. Um den laufenden Betrieb nicht abreißen zu lassen, renoviert Schärpf das imposante Fachwerkhaus jetzt Schritt für Schritt.

    In liebevollen Details drückte er ihm von Anfang an seinen Stempel auf, etwa mit Pflanzen an Holzkonsolen im Terrassenbereich und mit immer frischen Blumen auf den Tischen. Aber auch mit einem alten Feuerlöscher, der – zum Abfalleimer und Ascher umgebaut – witzig die Raucherecke markiert. Denn „Steffen“ – so nennen ihn alle im Ort und so will er auch von uns genannt werden – engagiert sich seit vielen Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr, ist sogar Vorsitzender. Daran hat auch sein Berufswechsel vom Kommunikationselektroniker zum Gastwirt nichts geändert. Viel Freizeit bleibt ihm nicht. Von geregeltem Acht-Stunden-Tag kann keine Rede sein. Dennoch fällt seine Bilanz positiv aus: Die Arbeit als Selbständiger ist definitiv befriedigender als sein früherer Job. Er fühlt sich ausgeglichener. Nur das zählt.

    Hineingerutscht

    Wie kommt ein Kommunikationselektroniker, der es in einem großen Konzern bis zum Leiter der Montage-Abteilung gebracht hat, dazu, das Wagnis eines eigenen Wirtshauses einzugehen? – Der Wunsch nach mehr Eigenverantwortung und Gestaltungsfreiheit war ausschlaggebend.

    Völlig blauäugig hat er sich aber nicht in dieses Abenteuer gestürzt. Übergangsweise referierte er noch als Dozent für die IHK. Trotzdem, gesteht er, habe er manches unterschätzt: Denn allein mit dem Bierzapfen ist es nicht getan. Die Unwägbarkeit der Gästezahl etwa ist immer wieder eine Herausforderung. Mal ist viel los, mal wenig. Nicht immer gibt es dafür einen logischen Grund. „Da steckst du nicht drin!“

    Welche Tipps hat er für Quereinsteiger, die nicht in einen Betrieb hineingewachsen sind? Eine Hygienefortbildung ist vorgeschrieben, ein Businessplan wichtig, BWL-Kenntnisse sind nützlich, ohne Kommunikationstalent und Humor läuft gar nichts. „Steffens größte Stärke ist, dass er gut mit Menschen umgehen kann“, verrät Köchin Renate Schärpf, die natürlich alle nur „Renate“ nennen.

    „Ehrliche Küche“

    Im Wirtshaus selbst lädt ein schnuckeliger Gastraum bei kühler Witterung zum Verweilen ein. Heute aber plaudern wir mit dem Wirt und seiner Köchin bei schönstem Sommerwetter im Biergarten. Die Köchin ist übrigens Steffens Mutter. In das Herzensprojekt ihres Sohnes ist sie hineingerutscht, als sie merkte, dass er Hilfe brauchen konnte.

    „Ich musste sie gar nicht fragen; sie hat sich, ohne zu zögern, eingebracht“, bekräftigt Steffen mit leuchtenden Augen. Die ehemalige Briefträgerin genießt das Lob der Gäste und die Abwechslung im Ruhestand. Steffen bereitet das Fleisch zu. Renate ist für Soßen, Suppen und Beilagen zuständig. Einfallsreich und energiegeladen schwingt sie den Kochlöffel und zaubert auch problemlos vegetarische Gerichte.

    Schärpfs Erfolgsrezept ist „die ehrliche Küche, handwerklich gut gemachte Speisen, frisch und fränkisch“. Das schmeckt man. Das Schäufele ist innen zart und saftig, außen kross, aber nicht hart. Die Knödel sind handgeknetet, das Blaukraut gut gewürzt, der Salat ertrinkt nicht in dickflüssiger Fertigsoße, sondern überzeugt durch frische Gartenkräuter – Hausmannskost auf hohem Niveau. „Special Events“, Kleinkunst oder Gourmetabende, wie es sie rund um Metropolen gibt, würden hier nur wenig Kundschaft aus dem Umland anlocken und die hiesigen Gäste eher vergraulen. Stattdessen gibt es durchgängig warme Küche von 11 bis 22 Uhr; keiner muss mit leerem Magen weggehen. Das mögen die Leute.

    Treffpunkt

    Der Gastwirt selbst legt Wert auf Synergie-Effekte zwischen Herbergen und Gastronomen am Ort – Ellenbogen ausfahren war gestern. Kalli und seine Tochter Sophia Reuß etwa vom Wohnmobilstellplatz „Forellenhof“, die ihr eigenes Lokal unter der Woche erst am späten Nachmittag öffnen, schicken die Camper mittags ins „Goldene Roß“. Umgekehrt empfiehlt der Wirt vom „Goldenen Roß“ Wanderern den Rhön-Rundweg Nr. 5, der am „Forellenhof“ vorbeiführt, wo eine schmackhafte Steinofenpizza serviert wird. Allzu groß ist die Konkurrenz eh nicht. „Die deutsche Küche fehlt! Griechen, Italiener, Türken gibt es. Aber am Nachmittag kriegst du da nichts“, erklärt Renate.

    Stammtische wie der sonntägliche Frühschoppen oder die abendliche Schafkopfrunde sind überall aus der Mode gekommen. „Eine bedauerliche Zeiterscheinung“, konstatiert der Gasthausretter und hebt ergeben die Hände. Bei einer schier unendlichen Zahl an Fernsehprogrammen und ­Kontaktbörsen im Internet ­erscheine vielen der persönliche  ­Kontakt entbehrlich, doch das Wirtshaus im Dorf, das sei ­dennoch „als Treffpunkt es­senziell“, ist sich Steffen sicher.

    Bunte Mischung

    Als Wirt schafft er den Rahmen für Kontakte. Man unterhält sich bei einem Schoppen Wein und stößt auch mal mit alkoholfreiem Weizen oder mit Apfelsaftschorle an. Und so mancher hat im „Goldenen Roß“ bei einer zufälligen Begegnung Werkzeuge oder gar helfende Hände für den Hausumbau gefunden. Hier kommt man nach einer Wanderung oder nach einem Arbeitstag zusammen, löscht seinen Durst, stillt seinen Hunger, und: löst Probleme. Auch Kinder treffen sich hier, natürlich an der Eis­truhe. – So wächst eine neue Generation von Gasthausbesuchern heran.

    Steffen freut sich über die bunte Mischung seiner Klientel: Alt und Jung, Einheimische und Auswärtige, Arbeiter und Urlauber. Der Gastwirt aus Leidenschaft ist beseelt von der Idee, das zarte Pflänzchen Tourismus in der Region zu pflegen. Irgendwie sieht er sich auch als Hüter der Dorfgemeinschaft.

    Gelacht wird viel bei ihm, zumal der Wirt selbst gerne mal einen lockeren Spruch auf den Lippen hat. Auf der Tafel im Außenbereich steht so ein doppeldeutiger Kalauer: „Wer Bier trinkt, hilft der Landwirtschaft.“ Viel geredet wird im Wirtshaus – auch Unsinn. Das darf sein. Zuweilen wird heftig diskutiert, vor allem wenn der Zeiger der Uhr zu später Stunde vorrückt und der Alkoholpegel steigt.

    Dorfgemeinschaft und Gästezimmer

    Zünftige Prügeleien wie in Ludwig-Thoma-Filmen gab es aber bisher nicht. Warum eigentlich nicht? –, will ich wissen, nachdem Köchin Renate von Schlägereien auf den Dorffesten vor 50 Jahren erzählt hat. Steffen fährt sich durch die Haare, überlegt. „Ich glaube, meine Gäste wollen mir keinen Ärger machen. Sie wissen diesen Ort der Geselligkeit zu schätzen. Das macht man nicht kaputt.“ Streit gebe es höchstens zwischen dem Personal, scherzt er und zwinkert Renate zu, die herzhaft lacht. Wer denn nun der Chef sei, frage ich. „Die Chefin“, verbessert Steffen schmunzelnd und zeigt auf Renate. „Denn ohne sie gäbe es nichts zu essen.“ Die Köchin winkt belustig ab. Offenbar sind die beiden ein gut eingespieltes Team.

    Wer im Gasthof nächtigen will, kann das auch tun, in einem von vier Zimmern. Das Übernachtungsangebot hat Steffen von seinem Vorgänger übernommen. Im Sommer überwiegen die Touristen: Wanderer, Radler, Kanufahrer. Im Winter vermietet er meist wochenweise an Monteure.

    Dankbar ist er für die Fördermittel, die vom Amt für ländliche Entwicklung kamen, weil sein Gasthof an der Ortsdurchfahrt im staatlichen Sanierungsbereich liegt. Über die Pandemie haben ihm neben den Corona-Hilfen vom Staat aber vor allem seine Stammgäste geholfen, die am Wochenende reichlich Essen bestellt haben. Ohne die Dorfgemeinschaft steht eben auch der Dorfwirt auf verlorenem Posten.

    Wandern rund um die Weingärten

    Wie geht es weiter mit dem „Goldenen Roß“? – Gerade wird der Eingangsbereich renoviert. Im Juli zieht in einen Nebenraum die kleine, feine Speiseöl-Manufaktur von Monika Zeitz ein. Langfristig wäre noch der Tanzsaal zu dämmen. Manchmal finden dort Yoga-Kurse statt, weil der Saal im Dachgeschoss der einzige größere Raum für solche Veranstaltungen in der 1000-Seelen-Gemeinde ist. Wer weiß, wann darin wieder rauschende Feste gefeiert werden.

    „In puncto Tourismus ist das Pfund, mit dem wir wuchern, die Hügellandschaft an der Saale“, verkündet Gastwirt Steffen voller Stolz. Und dann verbirgt sich oberhalb der Weingärten, auf Fränkisch „Wengerte“ genannt, noch ein Geheimnis: Seit der Jahrtausendwende tauchten am Hammelberg nach und nach mannshohe, mysteriöse Beton-Skulpturen von jeweils 250 Kilo Gewicht auf. Ein Unbekannter hatte sie unbemerkt platziert: eine Schlossherrin, ein Philosoph, eine Tänzerin, ein Kind – Romantik pur. Kein Mensch weiß, wie die schweren Figuren da hingekommen sind. Der Wanderer genießt droben bei den rätselhaften Figuren die Aussicht. Und ist froh, dass er sich nach dem Ausflug drunten in Diebach im „Goldenen Roß“ wieder stärken kann ...

    Martina Herda

    Zum Thema: Ausstellung „Wirtshaussterben? Wirtshausleben!“ im Haus der Bayerischen Geschichte, Donaumarkt 1, Regensburg; geöffnet bis 11. Dezember von 9 bis 18 Uhr; montags geschlossen. Eintritt 7 Euro, ermäßigt 5 Euro. Mehr unter: www.hdbg.de/wirtshausleben.