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    Zu Gast bei der Springprozession in Echternach

    Ein wenig wie ein Klassentreffen

    Die Springprozession in Echternach ist nichts für Langschläfer. Bereits um vier Uhr früh ist Rita Brandenburg aufgestanden, hat ihren Rucksack gepackt und ist mit einer Pilgergruppe sieben Kilometer von Bollendorf in der Eifel in Deutschland nach Echternach in Luxemburg gewandert.

    Es sei bereits ihre 40. Springprozession, erzählt sie. „Ich mag das: auf mich gestellt sein, einfach laufen und beten, weit weg vom Alltag.“ Die Pilgerwanderung von Prüm über Waxweiler und Bollendorf nach Echternach am Pfingstwochenende hat Tradition, womöglich seit Jahrhunderten. Manche Pilger haben Isomatten und Schlafsack am Rucksack festgeklemmt, andere eine Jakobsmuschel, sie murmeln das „Ave Maria“. Josef Ift ist rund 500 Kilometer aus Süddeutschland angereist. Ift geht auf die 70 Jahre zu, trägt grün kariertes Hemd, braune Wanderhose, Hut. An seinem Rucksack baumelt ein selbstgeschnitztes Holzkreuz, ein anderes hält er an einem Armband in der Hand. Aus der Jacke zieht er eine Plastiktüte mit weiteren von ihm geschnitzten Kreuzen und verschenkt sie. 2022 ist seine zweite Springprozession; entdeckt hat er die Tradition in einer Fernsehsendung und ist dann 2019 – vor Corona – zum ersten Mal nach Luxemburg gefahren. Er sei „toll aufgenommen“ worden und habe viele Menschen „auf gleicher Wellenlänge“ kennengelernt, sagt er.

    Am Anfang steht der heilige Willibrord

    Um 7.30 Uhr empfangen der Luxemburger Erzbischof Jean-Claude Hollerich und sein Trierer Amtsbruder Stephan Ackermann die Pilger am Ortseingang. Sie freuen sich, dass die Tradition nach der Corona-Pause 2022 wieder auflebt. Andere haben da schon ge­frühstückt und eine Frühmesse besucht. Eine Gruppe von 17 Jugendlichen und sieben Betreuern des Jugendhilfezentrums „Haus am Wehrborn“ ist seit 23 Uhr am Vorabend rund 20 Kilometer aus der Nähe von Trier durch die Nacht gewandert – mit Taschenlampen, Verpflegung und Hund „Timo“, der die Jugendlichen bei kleinen Durchhängern zum Weitergehen motivierte. Unterwegs haben sie an drei Stationen mit spirituellen Impulsen Pause gemacht. Müde und schlapp sei sie, erzählt Nicole. Die Nachtwanderung sei aber überraschend schön gewesen – und auch ein wenig unheimlich, wenn es im Wald raschelte.

    Echternach liegt im Osten Luxemburgs an der Grenze zu Deutschland. Es ist die wohl älteste Stadt in Luxemburg, mit jahrhundertealter christlicher Tradition. Der heilige Willibrord (658–739), Mönch, Missionar und Bischof, hat 698 dort eine Benediktinerabtei gegründet. Bereits kurz nach Willibrords Tod sollen Pilger zu seinem Grab in der Basilika gekommen sein – was heute als Ursprung der Springprozession angesehen wird.

    Bereits der Mönch Berno von Prüm, der von 1008 bis 1048 Abt in Reichenau war, soll laut Erzbistum Luxemburg einen großen Dreisprung zu Ehren Willibrords in Echternach erwähnt haben. Schriftlich werden 1497 in einem Dokument sogenannte Springheilige genannt. 2010 nahm die Weltkulturorganisation Unesco die Springprozession ins immaterielle Kulturerbe auf.

    Gegen neun Uhr füllt sich der Hof vor der Basilika. Etwa 7000 Teilnehmer finden sich ein; Schülerinnen und Schüler wuseln durcheinander – sie bekommen für die Springprozession einen Tag schulfrei –, viele Erwachsene, einige Ordensfrauen und Priester. Die meisten der rund 5600 Springer tragen blaue Hose und weißes Oberteil. Dazwischen tummeln sich etwa eintausend Musiker. „Wenn man hier aufwächst, gehört die Springprozession einfach dazu und stiftet Identifikation“, sagt Organisator Raoul Scholtes.

    Das Herz hängt an der Tradition

    Laurent Schaeffer kennt das. Es ist seine 48. Springprozession; mit vier Jahren sei er zum Mal mitgegangen, dann jedes Jahr mit der Schule wieder. „Mein Herz hängt hier“, sagt er. „Das fühlt sich ein wenig an wie ein Klassentreffen.“ Freunde und Bekannte von früher treffe er hier jedes Jahr. Dieses Gefühl ziehe ihn her, weniger der religiöse Aspekt. Er sei zwar katholisch erzogen worden, blicke aber kritisch auf die Kirche. „Gott ja, aber mit dem Bodenpersonal habe ich Probleme“, sagt er. Gegen elf Uhr zieht eine Musikgruppe nach der anderen aus dem Abteihof eine Runde durch die Stadt, zwischen sich die Springer. In Dauerschleife spielen sie eine marschähnliche Melodie, zu der die Springer synchron in Fünferreihen von einem Bein auf das andere vorwärts hüpfen. Kindergartenkinder, Schüler, Erwachsene und Ordensfrauen machen mit. In der Hand halten die Springer jeweils ein Ende eines Dreieckstuchs.

    Das Springen basiert mutmaßlich auf einer zunächst heidnischen sakralen Tanzform, die im frühen Mittelalter nachträglich christianisiert wurde. Während in der Vergangenheit mehrere Sprünge nebeneinander bestanden, wird seit 1947 ausschließlich nach vorn gesprungen: ein Schritt schräg nach links, dann ein Schritt schräg nach rechts und so weiter – nicht vor und zurück, wie es oft heißt. Vom Wegrand verfolgen Schaulustige die Prozession, vor allem Eltern mit kleinen Kindern oder alte Menschen, die sich einen Plastikstuhl zum Sitzen mitgebracht haben.    

    Anna Fries/KNA