„Der Mensch steht in unserem Hause im Mittelpunkt, ganz gleich ob Manager oder Jugendlicher. Wir achten darauf, immer dem Einzelnen gerecht zu werden“, erklärt Annette Gerst, seit Oktober 2005 Geschäftsführerin des Kolping-Hotels in Schweinfurt; zuvor leitete die Sozialpädagogin das Projekt „Chance 2000“ für Langzeitarbeitslose. Das Kolping-Hotel wolle den Gästen ganz nach dem Grundgedanken von Adolf Kolping gerecht werden: Der habe Gesellen eine Heimat bieten und sie fortbilden wollen. Das werde im Kolping-Hotel in moderner Art fortgeführt. „Der Kolpingverein ist ein gesellschaftspolitischer Verband. Wir bieten Übernachtungen und die Möglichkeit, an Tagungen teilzunehmen. So verbinden wir Arbeit und Bildung“, sagt sie. Der moderne Wandergeselle passe gut dazu.
Drei Sterne für Gemütlichkeit
Die 27 Doppelzimmer, die auch einzeln für je 49 Euro die Nacht mit Frühstück gebucht werden können, entsprechen dem üblichen Standard eines Drei-Sterne-Hotels. Bei so genannten Vorteilspartnern wie Friseuren oder dem nahe gelegenen Fitnessstudio bekommen die Gäste des Hotels Prozente und sie haben die Möglichkeit, im angrenzenden Restaurant zu essen. Das gehört nicht dem Hotel an, die Wünsche von Gästen werden aber trotzdem gern berücksichtigt. So bekommen hungrige Neuankömmlinge auch am Anreisetag auf Wunsch noch spät abends etwas Warmes zu essen.
Im Hotel mieten sich hauptsächlich Gäste ein, die unter der Woche in Schweinfurt und Umgebung beruflich unterwegs sind. Rund 75 Prozent von ihnen kommen regelmäßig hierher, meistens gehören sie dem mittleren Management an. Unternehmen buchen darüber hinaus Tagungsräume und die technische Ausstattung für Sitzungen und Schulungen. Nach Auskunft des Verbandes der Kolpinghäuser e.V. in Köln gibt es deutschlandweit zehn Kolping-Hotels derselben Kategorie. Im Jahr 2005 verzeichnete das Kolping-Hotel Schweinfurt rund 5490 Buchungen und war somit zu 51 Prozent ausgelastet. Zur finanziellen Situation des Hauses wollte sich Annette Gerst nicht äußern.
Im Laufe der Zeit sind viele Gäste zu Stammgästen geworden, die von Sonntagabends bis Freitagmittag im Hotel wohnen. Auf dieses Klientelsei das Hotelteam eingestellt: Manager, die morgens schon vor sieben ihr Frühstück haben möchten, bekämen es an ihren angestammten Platz im Frühstücksraum serviert. Die
44-jährige Geschäftsführerin legt großen Wert auf kleine Details: „Gerade weil die Gäste tagelang von Zuhause weg sind, achten wir darauf, ihnen ein Stück Zuhause zu geben.“ Ein gemütliches Ambiente sei für die Gäste, die von weit herkommen, wichtig. „Wir schaffen zum Beispiel ein wenig familiäre Atmosphäre, indem wir unseren Stammgästen immer dasselbe Zimmer geben“, erklärt Gerste. Auch Gäste aus England, Frankreich und Mexiko sind unter den Stammgästen. Um das Haus nett zu gestalten, werden Frühstücksraum, Zimmer und Foyer je nach Jahreszeit dekoriert. Neben den berufstätigen Pendlern, die den Großteil der Buchenden ausmachen, kommen hin und wieder auch Wandergesellen ins Kolpinghaus nach Schweinfurt. „Bei ihnen gilt noch die alte Tradition des Adolf Kolping, dass sie eine warme Mahlzeit und ein Bett für eine Nacht kostenlos bekommen“, erklärt Annette Gerst.
Vermietung von Räumen
Das Hotel wird vom Kolpingbildungszentrum Schweinfurt unterhalten, ähnlich wie das Jugendwohnheim oder die Schuldnerberatung. Dieses Bildungszentrum bietet Qualifizierungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Umschulungen beziehungsweise Aus- und Weiterbildungsangebote sowie Vorträge und Informationsveranstaltungen an. Das Kolping-Hotel, das im Oktober 2005 zur „Kolping-Hotel- und Seminarbetriebs GmbH“ wurde, bietet seinen Gästen die Möglichkeit, Tagungsräume, Equipment und Bewirtung zu mieten. Die Idee zur Gründung des Hotels hat sich in den vergangenen Jahre entwickelt, als in dem angrenzenden Jugendwohnheim die zu besetzenden Plätze aus Kostengründen abgebaut werden mussten. Die Überlegung war nach Umbau und Modernisierung des Wohnheims im Jahr 2001 zusätzlich einen kleinen Hotelbetrieb zu eröffnen. “Dort wollten wir den Gedanken von Adolf Kolping, einen Ort des Übernachtens und Begegnens zu schaffen, erneut aufgreifen und in Kooperation der einzelnen Einrichtungen Hotel, Jugendwohnheim und Bildungszentrum umsetzen”, erläutert Maria Kraft, Leiterin des Kolping-Bildungszentrums.
Platz für Jugendliche
In der oberen Etage des Hauses sind rund 25 Jugendliche des Kolping-Jugendwohnheims untergebracht, die entweder noch in der Ausbildung sind oder an Förderprojekten in der Umgebung teilnehmen. Annette Gerst macht keine Unterschiede zwischen ihren Gästen, ob nun Handelsreisender und Auszubildender. Ihr ist das Miteinander und die Begegnung wichtig. Daher frühstücken alle Gäste im gleichen Raum, hin und wieder auch am gleichen Tisch. „Wenn sie sich beim Frühstück über den Weg laufen, haben sie keinerlei Berührungsängste“, sagt sie.