Die Konzilsväter, die ein neues Pfingsten erstrebten, schlossen sich energisch der biblischen Bewegung an, die bereits vor dem Konzil segensreich gewirkt hat. In verschiedenen Kirchen war man sich aufs neue der einzigartigen Bedeutung des Gotteswortes bewusst geworden. Man hatte sich um seine wissenschaftliche Erforschung ebenso gemüht wie um die Weitergabe dieser Schätze an alle Gläubigen. Neue Übersetzungen waren entstanden, neue Methoden der Vermittlung wurden entwickelt.
Vom Hören auf das Wort Gottesgeht Segen aus
Das Konzil hat eine der wichtigsten dogmatischen Konstitutionen diesen Gegebenheiten gewidmet. In ihrem Vorwort heißt es: „Gottes Wort voll Ehrfurcht hörend und voll Zuversicht verkündend, folgt die heilige Synode den Worten des heiligen Johannes: ’wir verkünden euch das ewige Leben, das beim Vater war und uns erschienen ist, damit auch ihr Gemeinschaft habt mit uns und unsere Gemeinschaft Gemeinschaft sei mit dem Vater und seinem Sohn Jesus Christus‘ (1 Joh 1,2 f.).“ Die Konzilsväter stellten heraus, dass die gesamte Schrift in sich ein Pfingstgeschenk des Heiligen Geistes ist. „Die Heilige Schrift ist Gottes Rede, insofern sie unter dem Anhauch des Heiligen Geistes aufgezeichnet wurde.“ Das Jahr der Bibel, das 2003 in ganz Deutschland begonnen wurde, hat erfahren lassen, wie viel Segen vom neuen Hören auf das Gotteswort ausgegangen ist und lässt weiteres erhoffen.
Sich von der Dynamik der liturgischen Bewegung erfassen lassen
Im Vorfeld des Konzils kam vielerorts zur neuen Begegnung mit der Bibel die liturgische Bewegung. Auf neue Weise war vielen bewusst geworden, welche hilfreichen Gaben uns in der Liturgie angeboten werden. All zu viele hatten das wegen der Sprachbarrieren nicht wahrgenommen; anderen war durch die Art und Weise mancher liturgischen Vollzüge der innere Zugang zum Gottesdienst verschlossen geblieben. Die Bemühungen, die das ändern wollten, waren wer weiß wie oft verdächtigt worden. Dabei hätte bereits der Blick auf das erste christliche Pfingstfest die Bedeutung der Liturgie bewusst machen können. Die Pfingstgemeinschaft ist eine liturgische Gemeinschaft. Im gemeinsamen Gebet bereitete sie sich auf den verheißenen Heiligen Geist vor; als er ihr geschenkt wird, bekam ihre Feier eine neue Qualität. Sie wirkte sich selbst auf die Außenstehenden aus, so dass diese erstaunt feststellten: „Wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden“ (Apg 2,11). Das Konzil ließ sich von der Dynamik der liturgischen Bewegung erfassen. Es erkannte es in besonderer Weise als seine Aufgabe, „sich um Erneuerung und Pflege der Liturgie zu sorgen.“ So wurde als erstes Dokument die Liturgiekonstitution veröffentlicht. Die dort benannten Erkenntnisse und Empfehlungen haben die liturgische Praxis ausgelöst, die jeder Gläubige seither erleben kann. Für viele waren die gottesdienstlichen Erneuerungen die am meisten wahrgenommene Folge des Konzils. Hier konnte man mit Händen greifen, dass Früheres auf neue Weise praktiziert wurde.
Mit Jesus Christus hat eine radikale Friedensbewegung begonnen
Die konziliare Besinnung auf Wort und Sakrament ließ neu erkennen, dass mit Jesus Christus eine radikale und totale Friedensbewegung begonnen hat. Seine Botschaft ist das Evangelium des Friedens. Immer wieder sagt er seinen Jüngern: „Der Friede sei mit euch.“ Bei der ersten Jüngersendung trägt er diesen auf: „Sagt als erstes: Friede diesem Haus“ (Lk 10,5). Gleichsam in einem Atemzug sagt er den Aposteln nach seiner Auferstehung: „Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). „Er ist unser Friede“ (Eph 4,2,14). Das erste christliche Pfingstfest ist ein Fest des Friedens, das Menschen aus allen Völkern vereint. Die Erkenntnis der Friedensbewegung Jesu hat viele einen neuen Zugang zu der weltweiten Friedensbewegung eröffnet, die bereits nach dem Ersten Weltkrieg entstanden war und nach 1945 noch stärker wurde. Das Konzil hat sich mit ihr solidarisiert. In herausragender Weise hat Johannes Paul II. als Bote des Friedens gewirkt. Furchtlos hat er sich für den Frieden in aller Welt eingesetzt. Mit der ihm eigenen Energie hat er sich den Konzilsappell zu eigen gemacht, „mit allen Menschen Frieden zu halten.“ Immer wieder hat er herausgesellt, dass „der Friede niemals endgültiger Besitz ist, sondern täglich neu zu erfüllende Aufgabe.“
Wir haben ein neues Pfingsten nötig
Unsere Welt sähe anders aus, wenn sich alle Christen nach dem Vorbild des Konzils dieser fünffachen Bewegung angeschlossen hätten. Vieles, was uns heute zu schaffen macht, hängt damit zusammen. Um so wichtiger ist ein neuer Aufbruch. Weil wir ein neues Pfingsten nötig haben, brauchen wir Christen, die sich in der Kraft des Heiligen Geistes für die Mission, für die Einheit der Christen, für das Zeugnis der Bibel und für die Feier der Liturgie und in all dem für den Frieden einsetzen. Von uns allen hängt ab, wie weit das wahr wird.
(Schluss)