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      800 Jahre Franziskaner in Würzburg: Die Adelsgrabmäler des Spätmittelalters

      Ein Mann ohne Gesicht und der Einfluss Riemenschneiders

      Grau-geschwärzt, verwittert, vom Zahn der Zeit angenagt – das sind die Epitaphien aus der Zeit um 1600, die heute in der Würzburger Franziskanerkirche und in der Außenwand der zum Kloster gehörenden Valentinuskapelle eingemauert sind. Sie erinnern daran, dass bis 1805 ein Friedhof zum Klosterbezirk gehört hat.

      Die Anfänge des Gottesackers reichen bis in die Anfangszeit des Franziskanerklosters zurück. Das Begräbnisrecht gehört zu den Privilegien der Minderbrüder, die sich bereits kurz nach ihrer Ankunft in Würzburg 1221 als erfolgreiche, bei den Gläubigen populäre Seelsorger etablieren können. In den folgenden Jahrhunderten lassen sich wohl einige tausend Bürger und Adelige um die und in der Klosterkirche bestatten.

      Im Innern der Franziskanerkirche überrascht den Besucher die Fülle der zum Teil monumentalen Grabsteine vom Spätmittelalter bis zum Barock, die die Zerstörung der Klosterkirche im Zweiten Weltkrieg im März 1945 mehr oder weniger unbeschadet überstanden haben. Selbst Kinderepitaphien findet sich bis heute und sind dabei auch ein Zeichen für die damals hohe Kindersterblichkeit.

      Die Reihe der Grabmäler beginnt mit einem Grabmal, das schon vor langer Zeit sein Gesicht verloren hat: Das laut dem Würzburger Kunsthistoriker Hanswernfried Muth „älteste erhaltene und bedeutendste Grabdenkmal der Kirche“ steht heute rechts neben dem Seiteneingang im nördlichen Seitenschiff. Es erinnert an den 1389 gestorbenen Grafen Gottfried von Rieneck. Der Hochadelige, dessen Stammburg im Sinngrund liegt, wird als Gönner des Franziskanerordens in der Klosterkirche beigesetzt.

      Schwan ohne Kopf

      Ursprünglich steht das Epitaph an der linken Chorwand der Kirche und drückt damit die herausgehobene gesellschaftliche Stellung des Grafen aus. Den hohen Status des Gestorbenen dokumentieren die Felder des Wappens: Gottfried ist mit den Grafen von Hohenlohe und von Öttingen verwandt, erkennbar an den Panthern des Hauses Hohenlohe und dem Herzschild hinter einem Kreuz derer von Öttingen. Den mächtigen Stechhelm auf der Schulter des Grafen bekrönt als Helmzier ein – heute kopf- und flügelloser – Schwan. Das aus graugrünem Sandstein geschaffene Werk hat wohl der, nach dem im Würzburger Dom aufgestellten Epitaph des Würzburger Bischofs Gerhard von Schwarzburg benannte, „Schwarzburg-Meister“ geschaffen.

      Unter Julius Echter, der die Franziskanerkirche renovieren lässt, verliert der Graf später sein Gesicht: „Um eine glatte Wandfläche zu erzielen, wurden beim Umbau der Kirche im Jahr 1615 die aus der Wand hervortretenden Teile – Gesicht und Hand, der Brustharnisch, das untere Ende des Waffenrocks mit den Knien – abgespitzt, die Tiefen mit Ziegelbruch und Mörtel gefüllt und der Stein überputzt“, berichtet Muth, ein ehemaliger Direktor des Mainfränkischen Museums, des jetzigen Museums für Franken. Mehr als 300 Jahre bleibt der Hochadelige in der Kirchenwand verborgen. Ans Tageslicht kommt er erst wieder nach 1945, als die Franziskanerkirche nach dem Krieg wieder aufgebaut wird.

      Unmittelbare Lebenswahrheit

      Ein ähnliches Schicksal bleibt den Epitaphen für die Niederadeligen – also nicht gräflichen – Balthasar von Zindel, Peter von Randersacker, Michael Truchsess von Wetzhausen und Hans von Grumbach-Estenfeld erspart. Am Vorbild eines Rittergrabmals aus der Werkstatt Tilman Riemenschneiders, dem Epitaph für den 1487 verstorbenen Eberhard von Grumbach in der Pfarrkirche von Rimpar, orientiert sich laut Muth das Grabmal für den 1496 gestorbenen Balthasar von Zindel – ein Mitglied des städtischen Patriziats in Würzburg und Heidingsfeld. „Unter dem Visier sind Blickund Ausdruck des Verstorbenen fest und gesammelt. Dies alles verleiht der Gestalt den Charakter unmittelbarer Lebenswahrheit“, so Muth.

      Wie im Fall des Grabsteins für den 1499 gestorbenen Weihbischof Georg Antworter, das sich ebenfalls in der Franziskanerkirche befindet, bleibt unklar, wieso nicht Riemenschneider (1460–1531) selbst mit dem Epitaph betraut worden ist. Möglicherweise hat ein (ehemaliger) Mitarbeiter, des wegen seiner künstlerischen Vormachtstellung auch als „sanfter Tyrann“ bezeichneten Bildhauergenies, den Auftrag erhalten.

      Bemerkenswert: Nur etwa fünf Meter vom Grabmal Zindels entfernt steht heute das Epitaph für einen erbitterten Gegner des Patriziers: Peter von Randersacker, der 1540 als Letzter seines Geschlechts starb. 1480 streiten sich Balthasar von Zindel und Peter von Randersacker um die Dorfherrschaft in Eßfeld, heute ein Ortsteil von Giebelstadt. Schließlich schlichtet der Erzbischof von Mainz 1486 den auch gewaltsam ausgetragenen Streit. Bemerkenswert: 1840 findet man in der Gruft des Edlen von Randersacker seine vollständige Rüstung – ein beim Aussterben eines Geschlechts damals übliches Ritual.

      Von Riemenschneiders Sohn

      Doch zurück zur Chronologie. 20 Jahre nach Zindels Tod wird das Grabdenkmal für den 1513 gestorbenen Michael Truchsess von Wetzhausen geschaffen. Auch hier zeigt sich, wie schon bei von Zindel, das Vorbild des in Würzburg dominierenden Bildhauers: „Stilistisch ist es (das Grabmal, Anm. d. Red.) abhängig von zwei frühen Werken Riemenschneiders: In der allgemeinen Anordung folgt es dem Denkmal für den 1499 gestorbenen Konrad von Schaumberg in der Marienkapelle in Würzburg, in der Auffassung des Verstorbenen dem Stein für Eberhard von Grumbach“, analysiert Muth. Offensichtlich hatte Riemenschneider mit dem Epitaph für Eberhard von Grumbach in Rimpar den Geschmack des Niederadels getroffen – ein Erfolgsmodell, das andere Künstler kopierten.

      Das Grabdenkmal des 1529 gestorbenen fürstbischöflich-würzburgischen Rats Hans von Grumbach-Estenfeld schreibt die kunsthistorische Forschung Jörg Riemenschneider zu, dem ältesten Sohn von Tilman Riemenschneider. Muth betont den Zwittercharakter des Monuments aus der Franziskanerkirche im Spannungsfeld zwischen Spätgotik und Frührenaissance: „Das Denkmal verbindet die traditionelle Wiedergabe eines Ritters mit dem modernen Dekor der anbrechenden Renaissancezeit.“ Während Grumbachs Gesicht noch an Ritter Tilman Riemenschneiders erinnert, finden sich die Blumen- und Fruchtgehänge über dem Kopf des Niederadeligen und der wappenhaltende Löwe auch am 1522 vollendeten Grabmal Fürstbischof Lorenz von Bibras, das den Weg in Richtung Renaissance weißt. Vielleicht noch wichtiger: „Aus der prallen, schweren Körperlichkeit des untersetzten Mannes spricht dagegen das stärkere Gefühl der neuen Stilhaltung“, so Muth.

      Um 1530, knapp fünf Jahre nach dem Bauernkrieg, regiert in Würzburg Fürstbischof Konrad von Thüngen. Die Zeiten haben sich geändert, der Stil der Grabmäler ebenfalls, und die Reformation hat begonnen. Das werden auch die Würzburger Franziskaner spüren.

      Stefan W. Römmelt