„Würzburg war eine der am stärksten zerstörten Städte Deutschlands“, sagt Dr. Hans Steidle, Stadtheimatpfleger von Würzburg über die Bombardierung am 16. März 1945. 82 Prozent der Stadt seien zerstört worden, mehr als in München oder Dresden. Betrachtet man Fotos von 1945 sieht man ausgebrannte, rußgeschwärzte Häuser ohne Dächer, bröckelndes Mauerwerk, und viele Schutthaufen. Mitunter lässt sich nicht einmal mehr erkennen, um welche Straße oder welchen Platz es sich handelt.
Fotos: Sonntagsblattarchiv / Anna-Lena Herbert
Vor dem großen Angriff Mitte März war es etwa zwei Wochen lang relativ ruhig gewesen, so dass manche Leute geglaubt hätten Würzburg sei dem Untergang entkommen, weiß Steidle. Das sollte sich als Trugschluss erweisen. Als sich am 16. März eine große Bomberflotte näherte, und gegen 21 Uhr via Radio und Sirenen Alarm ertönte, mussten sich die Würzburger in den Luftschutzkellern in Sicherheit bringen. In rund 20 Minuten lag die „Perle am Main“ in Schutt und Asche. Heute erinnert jedes Jahr am 16. März von 21.20 bis 21.40 Uhr, der Zeit als die Bomben fielen, das Läuten der Kirchenglocken an den verheerenden Angriff.
Erschütterung
„Es ist eine Stunde tiefster Erschütterung und bittersten Kummers, in der ich mich an Euch wende. Am 16. März, nachts 21 Uhr, machten feindliche Flieger einen Großangriff auf unsere schöne Stadt Würzburg. Sie warfen so viele Brand- und Sprengbomben, daß die Stadt zu 90 Prozent abgebrannt und vernichtet ist. Wer sich nicht rechtzeitig aus den Kellern flüchtete ist erstickt und verbrannt“, schrieb Würzburgs damaliger Bischof Matthias Ehrenfried drei Wochen nach der Bombardierung in seinem „Hirtenwort zur Heimsuchung der Stadt Würzburg“. In seinem im Würzburger Diözesanblatt abgedruckten Schreiben an die Gläubigen werden Schäden an den Kirchengebäuden aufgeführt: Im Dom sei etwa das Dach „restlos durch Feuer zerstört“ und alle Glocken seien geschmolzen. „Erfreulicherweise sind in der Reihe der Bischofsgrabmäler (...) keine Ausfälle zu beklagen“, heißt es. Einzelne Monumente waren zum Schutz eingemauert worden, weiß der Stadtheimatpfleger.
Verlorenheit
Zu Stift Haug steht im Hirtenwort: „Die Kuppel hat in allen Teilen, selbst noch im Laternengewölbe standgehalten.“ Doch weiter: „Das zum Guten Teil noch mittelalterliche und daher von der Beschlagnahme für Kriegszwecke freigebliebene Gebäude zerschmolz in der luziferischen Glut.“ Für die Augustinerkirche freute sich der Bischof über den verschonten Altar in der Kapelle der schmerzhaften Muttergottes. Tief betrübt zeigte er sich wegen St. Peter und Paul: „Die einsam mitten im Schuttfelde stehenden Türme sind die verlorensten Posten innerhalb der allgemeinen Verlorenheit der Frankenmetropole.“ Heute sind die Kirchen längst wieder aufgebaut. Wer sie betrachtet, ahnt von der einstigen Zerstörung kaum mehr etwas. Die Rekonstruktionen bezeichnet Steidle als „gelungen“. Doch man merke, dass etwas fehle. „Die Stadt ist ein Zeugnis des tiefen Einbruchs in der deutschen Geschichte“, sagt Steidle. Die Zerstörung sei die letzte Konsequenz einer langen Entwicklung in Deutschland gewesen. Und er fügt an: „Deshalb ist es wichtig sich anzusehen, wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist.“ Nicht wegen der Gebäude, sondern wegen der Menschen.
Anna-Lena Herbert