Corona, Kriegsnachrichten und Klimawandel hätten existenzielle Ängste geweckt. „Das führt zu weit verbreiteten Gefühlen von Stress, Ohnmacht und Aggression“, beobachtet der Wissenschaftler.
Eine repräsentative Umfrage der Kaufmännischen Krankenkasse KKH bestätigt diese Aussage. Demnach sind 43 Prozent der Menschen in Deutschland häufig oder sehr häufig gestresst – und bei 54 Prozent ist diese Belastung in den vergangenen zwei Jahren gestiegen.
Das wird wohl mit der problematischen Weltlage zusammenhängen, mit beruflichen Zwängen oder mit der Herausforderung, Familie und Beruf unter einen Hut bringen zu müssen.
Ein Stressfaktor dürfte jedoch auch sein, dass Menschen im Kopf Bilder mit sich herumtragen, denen sie nicht gerecht werden können. Menschen wollen sich nicht angreifbar machen und mithalten können in einer Gesellschaft, die Selbstbewusstsein erwartet. Der soziale Druck, sich gut verkaufen zu müssen, kann jedoch auch Ängste fördern. Angst aber ist schambesetzt und wird daher zumeist verschwiegen. Im Ergebnis führt der Mix aus sozialem Druck und persönlichem Anspruch zu noch mehr Stress.
An diesem Punkt kommt die Kirche ins Spiel. Die Kirche sollte Menschen ihren Wert spüren lassen – einen Wert, der sich direkt von Gott ableitet und nicht von Erwartungen anderer, die erst erfüllt sein wollen.
Papst Franziskus hat es beim Weltjugendtag in Lissabon vorgemacht. In seinen Ansprachen wählte er kurze, griffige Aussagen wie zum Beispiel: „Gott liebt uns, wie wir sind.“ Der Satz ist sehr einfach, und er verdient es, oft wiederholt zu werden. Wenn es ein Mensch schafft, sich in Gottes Liebe geborgen zu wissen, wird er innerlich unabhängiger und kann dem Stress des Alltags etwas entgegensetzen. So wird ein wenig Auferstehung im Alltag möglich. Das zu verkünden, ist ein Auftrag der Kirche in der Gegenwart.
Ulrich Bausewein