Lernen Sie das Sonntagsblatt kennen – kostenlos und unverbindlich
Die vier Frohnaturen vor dem Herrn
Wenn die ersten Takte der Kult-Filmmusik der Blues Brothers ertönen, wissen Faschings-Insider: Aufgemerkt, jetzt kommen gleich der Pfarrer und Konsorten. Die Pray Brothers, das sind Pfarrer Michael Sell, Pastoralreferent Malte Krapf sowie die beiden Lehrer Harald Drescher und Georg Telger. Der Fasching ist Pfarrer Sell, der Anfang Februar seinen 37. Geburtstag feierte, quasi in die Wiege gelegt: „In meiner Jugend war ich Mitglied der Schwarzen Elf von der Schweinfurter Kolpingsfamilie und auch an der Uni war ich bei Faschingsveranstaltungen stets dabei.“ Schalk blitzt immer noch aus seinen Augen, wenn er von damals erzählt. „Der Fasching ist ja an und für sich etwas Ur-Katholisches“, führt er weiter aus. Denn im Mittelalter konnten die Narren nur zur Faschingszeit ungestraft Kritik an den Kirchenoberen üben. Gibts bald Priesterinnen?
Diese Narrenfreiheit nehmen sich auch die vier Pray Brothers und verpacken genüsslich ihre Gesellschafts- und Kirchenkritik in flutschende Reime. Nacktscanner, Pfarreiengemeinschaft, Putins Gaspolitik oder Schiffspiraterie – mit passender Musik unterlegt grasen die Pray Brothers alle aktuellen Themen ab. Natürlich darf Einer im Programmpunkt nicht fehlen: der schwarze Mann aus dem Amiland, der mit seinem „Yes, we can“ alle verzückte. Und die Pray Brothers fragen, ob nicht der weiße Mann in Rom mal sagen könnte, „ja, ich kann die Kirche bring’n voran/der Zölibat fällt dann/ und auch ’ne Frau, die kann/Priesterin werden und stehn dann dort ihren Mann“. Ihr Fett weg bekommen auch Hammelburgs initiativwütige Bürger: „Erst war’s das Gefängnis/dann der Pappelbaum/jetzt sind’s die Laternen/man glaubt es wirklich kaum!/ Wenn man nur was verhindern kann,/ kommt gleich ’ne Bürger-Ini an.“ „Nach Weihnachten treffen wir uns zum ersten Gedankenaustausch, erstellen ein Grundgerüst“, erläutert Harald Drescher, dessen Wohnzimmer als Reimschmiede herhält. Als Inspirationshilfe dienen Wasser und Wein, um das Gedachte in gängige Verse zu verwandeln, erzählt der 47-jährige Hausherr augenzwinkernd. „Das Dichten ist meist noch schöner als jeder Auftritt“, schwärmt Pastoralreferent Malte Krapf. Auch er ist zur Faschingszeit geboren. Die ursprünglich rheinische Frohnatur feierte kürzlich ihren 35. Geburtstag in der karnevalistisch noch etwas unterentwickelten Diaspora Hammelburg. Ein eingespieltes Team
Der Vierte im Bunde ist Georg Telger, der zwischen den Karnevalshochburgen Köln und Aachen aufgewachsen ist. Schon als Student stand er bei Shakespeare-Aufführungen auf der Bühne. Die Auftritte der Pray Brothers haben für ihn fast den Charakter von Improvisationstheater. „Denn irgendeiner sagt oder spielt immer etwas anders, als es in der Textvorlage steht“, gesteht der 51-Jährige lachend. Die vier sind ein eingespieltes Team, das Bindemittel zwischen ihnen ist die Hammelburger Pfarrei St. Johannes. Denn nicht nur Sell und Krapf versehen hier ihre pastoralen Aufgaben, auch die beiden Religionslehrer Drescher und Telger bringen sich ein, als Organist, Lektor und Kommunionhelfer. Entlohnt werden die Pray Brothers übrigens nicht von dem Herrn, in dessen Auftrag sie unterwegs sind. Ihre Gage ist bei ihren neun Auftritten überall dieselbe und recht irdischer Natur: Nach der schweißtreibenden Aufführung gibt’s Wiener Schnitzel mit Pommes und ein Bier. Zu buchen sind die Pray Brothers auch gegen eine Spende für Auftritte auf Privatfeiern im Rahmen von „Gönn’ dir was“, einer Aktion der Hammelburger Pfarrei, Telefon 09732/2018, zugunsten des Neubaus vom Pfarrzentrum.