Bereits rein äußerlich heben sich die Jesuiten deutlich von anderen Ordensgemeinschaften ab: So haben sie weder ein gemeinsames Chorgebet, noch tragen sie ein Ordenskleid oder besitzen Klöster. „Wir verstehen uns als Gefährten Jesu und leben zusammen, um in der Welt zu arbeiten“, klärt Pater Johann Spermann über die Gründe auf: „Wie Jesus wollen wir uns nicht durch Besitz binden, um so die Freiheit zu haben, dorthin zu gehen, wo wir gebraucht werden.“ Mit dieser ausdrücklichen Orientierung an der Not der Zeit halten die Ordensmänner ganz bewusst am Erbe ihres Gründers fest: Bereits für den baskischen Adligen Ignatius von Loyola, der sich 1521 vom ehrgeizigen Ritter zum demütigen Gottesdiener wandelte und 1539 gemeinsam mit sechs Gefährten die „Gesellschaft Jesu“ gründete, waren der apostolische Dienst am Nächsten und die Reform der Kirche erklärte Grundanliegen. Da Ignatius auch den Stellenwert von Bildung erkannte, begann er Schulen und Universitäten zu gründen; zahlreiche Jesuiten wurden zu bahnbrechenden Wissenschaftlern, und dank der hohen Qualität des Unterrichtes wurden bald überall Jesuiten angefordert.
Unter Bismarck Reichsfeinde
Dennoch gibt es kaum einen Orden, der im Laufe seiner Geschichte derart vielen Vorwürfen ausgesetzt war: So wuchs bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Kritik an der „Gesellschaft Jesu“, bis sich Papst Clemens XIV. 1773 gezwungen sah, den Orden aufzuheben. Eine erneute scharfe Zäsur nach der Wiederherstellung bedeutete Bismarcks „Jesuitengesetz“ vom 4. Juli 1872, das die Jesuiten als Reichsfeinde des Landes verwies. „Der Grund für die Vorbehalte liegt wohl darin, dass die Jesuiten auf vielen Feldern Pionierarbeit geleistet haben, und Pioniere verlangen eben Antworten, fordern Festgelegtes heraus“, meint Pater Francis Xavier D’Sa. Dies galt nicht nur vor Jahrhunderten, sondern auch heute, wenn sich Jesuiten beispielsweise mutig in die Stammzell-Diskussion einmischen – dort aber auch kräftig untereinander streiten. „Wir sind hier ganz nah am Puls der Zeit“, betont Pater Spermann: „Denn es ist unser Anliegen, zeitgemäße Antworten auf die Nöte der Zeit zu geben, ohne dem Zeitgeist zu verfallen.“
Heute zählt der Jesuitenorden weltweit etwa 22000 Mitglieder. Als „Freunde im Herrn“ wollen sie Gott in allen Dingen suchen und finden und sich für Glaube, Gerechtigkeit und den Dialog der Religionen einsetzen. Wichtigste Kraftquelle der Ordensmänner sind seit Ignatius Exerzitien: Sie sollen den Menschen für die Gegenwart Gottes sensibel machen und zu einer Haltung der inneren Achtsamkeit führen.
Lange Tradition in Würzburg
In Würzburg ist die jesuitische Tradition vielerorts in Vergessenheit geraten. Bereits 1561 eröffnete Fürstbischof Friedrich von Wirsberg auf dem Areal der ehemaligen Agneskapelle ein Gymnasium, an das er die Jesuiten berief und das 1582 zur Grundlage für die Universität wurde. Zwischen 1606 und 1610 errichteten sie eine erste Kirche, 1765 begann man an gleicher Stelle mit dem Bau der Michaelskirche. Doch noch vor deren Vollendung wurde der Orden aufgehoben: Die Jesuiten wurden vertrieben, das Kolleg wurde Priesterseminar, die Jesuitenkirche Seminarkirche. Erst 1967 belebte nach fast 200 Jahren Pater Josef Grotz die jesuitische Tradition in Würzburg neu: 1970 bezog die neu gegründete Kommunität eine Mietswohnung in der Wolframstraße, wo deren Mitglieder bis heute zu finden sind. Derzeit sind es vier Ordensleute, die in ihrer täglichen Arbeit beredtes Zeugnis von den mannigfaltigen jesuitischen Tätigkeiten ablegen.
Der Theologe und Diplom-Psychologe Pater Johann Spermann ist Studentenpfarrer der Katholische Hochschulgemeinde (khg) in Würzburg und trägt dort gemeinsam mit vielen Ehrenamtlichen dazu bei, dass der „Laden summt und brummt und größer wird“. Vor allem will Spermann „Glaubensinhalte bezogen auf die Welt von Studenten vermitteln“. „Konkret heißt das, dass ich mit Medizin-Studenten, die Leichen sezieren, diskutiere, wie Auferstehung und Leib zusammen gedacht werden können“, präzisiert er. Hinzu kommt neben der Beratung in Lebens- und Glaubensfragen eine ganze Reihe spiritueller Angebote wie Taizé-Gebete, Exerzitien im Alltag oder Besinnungstage. Um möglichst weite Kreise anzusprechen, experimentiert Spermann auch mit neuen Formen: So werden in einem Literatur-Gottesdienst zeitgenössische Texte mit Bibeltexten verknüpft, und Vorträge zu Bio-Ethik, PISA oder Datenschutz tragen zur interdisziplinären Vernetzung bei. Zur Theorie tritt dabei immer die Praxis: In 28 Arbeitskreisen entfalten die Studenten den Auftrag Jesu, besuchen Häftlinge, verbringen ihre Freizeit mit Behinderten oder gehen in die Zentrale Aufnahmestelle für Flüchtlinge. Ganz anders sehen die Tage für Pater Francis Xavier D’Sa aus Indien aus. Im Anliegen von Mission und Dialog ist der Spezialist für systematische Theologie und indische Religionen in ganz Europa unterwegs, unterrichtet, hält Vorträge. Seit dem Wintersemester 2002 ist D’Sa als Gastprofessor für „Missionswissenschaft“ und „Dialog der Religionen“ an der Theologischen Fakultät in Würzburg tätig. Was den engagierten Inder antreibt, ist die Vision einer besseren Welt, denn: „Wenn sich jeder Mensch bewusst wäre, dass er ein Missionar ist, der vom großen Geheimnis gesandt ist, dann sähe die Welt ganz anders aus“, ist er überzeugt.
Spiritual im Priesterseminar ist ein Jesuit
Neuzugang Pater Fritz Schwaiger hatte bereits Musik und Mathematik studiert, bevor er zu den Jesuiten kam. Nach langen Jahren als Studentenpfarrer ist er nun Spiritual und Priester-Seelsorger im Würzburger Priesterseminar. Dort lebt er den Tagesablauf der Priesteramtskandidaten mit, führt Gespräche, hält theologische Kurse und ist spiritueller Begleiter bei Einzel-Exerzitien.
Der jüngste im Vierer-Bunde ist Frater Holger Adler, der bereits vor seinem Ordenseintritt Theologie studiert hat. Seit Januar 2000 arbeitet er in der Diözesanstelle „Berufe der Kirche“ mit und ist geistlicher Leiter des Jugendverbandes J-GCL (Gemeinschaften Christlichen Lebens). Die religiöse Arbeit mit Jugendlichen bezeichnet er als „schweren Acker“ und „Riesenchance“ zugleich. Deshalb setzt Adler hier vor allem auf die beiden Prinzipien Freiwilligkeit und Erfahrbarkeit: Denn schon Zwei-Minuten-Meditationen können durchaus genügen, um „gute Erfahrungen zu verbuchen“ und Jugendliche sogar für zweitägige Schweige-Exerzitien begeistern.
Tipps und Fakten
Gottesdienste in der Kapelle der katholische Hochschulgemeinde (khg): Sonntag 18.30 und 21 Uhr (Moonlight-Mass). Mittwoch 18.30 Stiller Gottesdienst, Dienstag 19.30 Taizé-Gebet. Freitag 7 Uhr Morgen-Gebet.
Das umfangreiche khg-Programm ist in der khg Würzburg (Hofstallstraße 4, Telefon 0931/354530) oder im Internet „www.khg-wuerzburg.de“ erhältlich.
Infos und Angebote des Jugendverbandes J-GCL über Frater Holger Adler (Hofstallstraße 4, Telefon 0931/4179052)
Spirituelle Angebote unter „www.jesuiten.org“.
Adresse: Jesuiten, Wolframstraße 1, 97070 Würzburg. Telefon 0931/321130, Fax 0931/3211328. E-Mail: „johann.spermann@jesuiten.org“.