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    Betrachtung zum Sonntagsevangelium von Stefan Redelberger, Bad Neustadt

    Die Herzen aufmachen

    Betrachtung zum Sonntagsevangelium von Stefan Redelberger, Bad Neustadt
    Evangelium
    Als die Sterndeuter wieder gegangen waren, erschien dem Josef im Traum ein Engel des Herrn und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter, und flieh nach Ägypten; dort bleibe, bis ich dir etwas anderes auftrage; denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten. Da stand Josef in der Nacht auf und floh mit dem Kind und dessen Mutter nach Ägypten. Dort blieb er bis zum Tod des Herodes. Denn es sollte sich erfüllen, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen. Als Herodes gestorben war, erschien dem Josef in Ägypten ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter, und zieh in das Land Israel; denn die Leute, die dem Kind nach dem Leben getrachtet haben, sind tot. Da stand er auf und zog mit dem Kind und dessen Mutter in das Land Israel. Als er aber hörte, dass in Judäa Archelaus an Stelle seines Vaters Herodes regierte, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Und weil er im Traum einen Befehl erhalten hatte, zog er in das Gebiet von Galiläa und ließ sich in einer Stadt namens Nazaret nieder. Denn es sollte sich erfüllen, was durch die Propheten gesagt worden ist: Er wird Nazoräer genannt werden.
    Matthäus 2,13–15.19–23
     
    Der Evangelist Matthäus versteht es wirklich, uns die schöne Weihnachtsstimmung vom Heiligen Abend und dem ersten Feiertag zu zerstören. Erzählt er doch im heutigen Evangelium die unschöne Geschichte von der Flucht nach Ägypten.
    Allerdings, beim aufmerksamen Lesen oder Hören wird Ihnen nicht entgangen sein, dass Matthäus zwei Mal schreibt: „Denn es sollte sich erfüllen, was der Herr durch den Propheten gesagt hat.“ Und dann: „Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen“ und „Er wird Nazoräer genannt werden“. Typisch für Matthäus, denn er will zeigen, dass sich die alten Verheißungen in Jesus Christus erfüllt haben.
    Deshalb beschreibt Matthäus als einziger Evangelist, wie Josef mit Maria und dem Kind Jesus nach Ägypten flieht und schließlich wieder nach Israel zurückkehrt. Parallelen zur Mosegeschichte, der umgekehrt aus Ägypten fliehen muss und dann wieder als Retter dorthin zurückkehrt, sind zu erkennen. Die Absicht des Evangelisten ist klar: Der Retter Jesus steht in der Tradition der messianischen Erwartungen Israels. Genau er ist es, auf den die Überlieferungen hinweisen. Von daher ist es für Matthäus kein historisches Anliegen, wenn er von der Flucht nach Ägypten berichtet.
    Also Entwarnung, doch gar keine so schreckliche Geschichte? Vielmehr die zu einem harmonischen Weihnachtsfest passende Botschaft: Jesus steht unter dem Schutz und der Führung Gottes? Können wir nun in aller Ruhe Weihnachten feiern?
    Ich kann mich über meinen Schrecken wegen der Flucht nach Ägypten nicht so schnell beruhigen lassen. Denn was Matthäus als biblischer Schriftsteller klug bedacht und in die Erzählung von der Flucht eingekleidet hatte, hat heute eine erschreckende Aktualität.
    Flüchtlinge sind leider nicht nur eine literarische Größe. Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen schützt und unterstützt über 17 Millionen Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und massiven Menschenrechtsverletzungen geflohen sind oder sich in flüchtlingsähnlichen Situationen befinden. Nach Schätzungen beträgt die Zahl aller Flüchtlinge und Menschen in flüchtlingsähnlichen Situationen weltweit über 40 Millionen. Nur gut ein Zehntel beantragen Asyl, sind so genannte Asylbewerber.
    Können wir uns in unseren sozialen und wirtschaftlichen Absicherungen überhaupt vorstellen, was es heißt, auf der Flucht zu sein? Was es heißt, Angst haben zu müssen vor Verfolgung und vor Krieg? Mit ein paar Habseligkeiten auf und davon zu müssen? Den Älteren unter uns, die im oder nach dem Krieg vertrieben worden sind, fällt es oft heute noch schwer, von ihren schlimmen Erlebnissen zu sprechen. Und was sie damals erlebt und erlitten haben, geschieht heute 40-millionenfach! 40 Millionen Einzelschicksale voller Tränen und Leid!
    Ich bin dem Evangelisten Matthäus dankbar. Er zerstört unsere Weihnachtsfreude nicht. Aber er bewahrt uns davor, abzuheben. Er sagt uns heute an Weihnachten schon, wie weit die Menschwerdung Gottes in Jesus geht: Gott teilt das Schicksal der Flüchtlinge. In den Flüchtlingen können wir heute Josef, Maria und das Jesuskind erkennen.
    Mit dem heutigen Evangelium ermahnt uns Gott: Die Flüchtlinge stehen unter meinem Schutz. Für uns Christen ist das eine unmissverständliche Aufforderung, die Augen und die Herzen aufzumachen für diese Menschen beim Zeitungslesen, am Stammtisch und bei Hilfsaktionen.
     
    Stefan Redelberger ist Krankenhauspfarrer für das Rhön-Klinikum in Bad Neustadt.