Von Haus zu Haus
Seit vier Jahren wird sie in der Pfarrei St. Josef während der Adventszeit von Haus zu Haus getragen und bleibt jeweils für ein oder zwei Nächte in den Haushalten. Damit knüpfen die Steinbacher an den alten Brauch des „Frauentragens“ aus dem 17. Jahrhundert an. Besonders in Süddeutschland und Tirol wird das Frauentragen praktiziert. „Wir nennen den Brauch bei uns Herbergssuche“, erläutert Manfred Müller. Diese Umbenennung hat ihren Grund: In Steinbach wird nicht eine Marienfigur von Haus zu gebracht, wie beim Frauentragen üblich, sondern eine Skulptur, die Josef und die schwangere Maria bei der Herbergssuche darstellt. Josef trägt einen Wanderstab in der rechten Hand und führt Maria, die sich an seinem linken Arm eingehakt hat. Marias Schwangerschaft haben auch die Kinder aus der Kindertagesstätte „Unter den Buchen“ schnell entdeckt. Im Wohnzimmer der Müllers angekommen, öffnen sie den Verschluss der Holzkiste und befreien die Skulptur aus ihrem weißen Schutzumhang. „Die Maria kriegt ein Kind, das sieht man da“, sagt die vierjährige Selina und zeigt auf den gewölbten Bauch der Marienfigur. Darauf hat Maria schützend ihre linke Hand gelegt. Der fünfjährige Leon weiß noch mehr über das Weihnachtsevangelium und erzählt, dass die heilige Familie vor rund 2000 Jahren in Bethlehem nach einer Unterkunft für die Nacht gesucht hatte. „Die haben aber keinen Platz gefunden, und da hat einer gesagt, dass sie in einen Stall müssen“, berichtet er. Übernachten auf dem Regal
Gemeinsam tragen die Kinder und Johanna Müller die Figur zu ihrem Platz für die kommende Nacht, dem Wohnzimmerregal. Danach stimmen sie Weihnachtslieder an. Familie Müller freut sich besonders, die Figur zu beherbergen, denn von ihr kam die Idee, anstelle eines Marienbildnisses eine Figur der heiligen Familie auf die Reise zu schicken. In den 1980er Jahren hatten die Steinbacher den Brauch des Frauentragens in ihrer Pfarrei eingeführt, und auch Familie Müller hatte mitgemacht. Hauptsächlich beteiligten sich aber ältere Pfarreimitglieder an dem Brauch. „Das fanden wir schade, denn auch Familien mit Kindern sollten mitmachen“, erinnert sich das Ehepaar. Deshalb beauftragten sie im Frühjahr 2004 einen österreichischen Bildhauer, eine entsprechende Figur zu schnitzen. Wichtig war den Müllers, dass die Schwangerschaft Marias zu sehen sei und dass Josef abgebildet würde. Dies mache das Weihnachtsevangelium besonders den Kindern begreifbarer, sagt Manfred Müller. „Außerdem ist Josef der Schutzpatron unserer Pfarrei, deswegen muss er dabei sein“, fügt er augenzwinkernd hinzu. Der sechsjährige Niklas kennt die Figur schon länger und freut sich darauf, dass sie bald bei ihm zu Hause ankommt. Seine Familie hat sich neben 20 weiteren in die „Herbergsliste“, die seit Ende November in der Steinbacher St. Josef-Kirche ausliegt, eingetragen. Im vergangenen Jahr hatte sein Großvater die Figur bei sich zu Hause aufgestellt. „Sie stand neben dem Adventskranz und wir haben Lieder gesungen, das war schön“, erinnert er sich. Mit der Figur wird ein Buch von Haus zu Haus weitergegeben. Darin können alle Herbergsleute ein Gebet oder Gedanken zur Adventszeit und zur Heiligen Familie aufschreiben. Außerdem hat Manfred Müller Gebetstexte als Anregung für Andachten hineingeschrieben. Das Buch nehmen die Müllers am Heiligen Abend mit nach Hause und lesen darin. „Das ist für mich das Weihnachtserlebnis“, sagt Manfred Müller. Besonders freut er sich über die Kinderzeichnungen. Am Heiligen Abend erreicht die Figur die letzte Station der Suche und wird in der Pfarrkirche aufgestellt. Im Kindergottesdienst wird den Kleinen dann das Weihnachtsevangelium anhand der Figur erklärt. Nach den Feiertagen kehrt sie zur Familie Müller zurück und bleibt dort bis zum nächsten Advent.