Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Probeabo des Magazins bestellen

Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt erfahren Sie im Sonntagblatt.

    Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt...

    Mehr
    Trauerfeiern für Menschen ohne Angehörige

    „Die Fälle nehmen ganz klar zu!“

    In Schweinfurt gibt es seit kurzem Trauerfeiern für Menschen ohne Angehörige. Das ist etwas ganz Neues im Bistum. Diakon Joachim Werb kam durch einen Fernsehbericht auf die Idee. Die Feiern stoßen bei der Bevölkerung auf großes Interesse.

    „Meine Frau und ich haben uns eines Abends zufällig eine Dokumentation im MDR angesehen“, erzählt Joachim Werb, Jahrgang 1961, Diakon und Gemeindeleiter in St. Anton – Stadtkirche Heilig Geist in Schweinfurt. „Da ging es um eine Initiative in Halle an der Saale, bei der die Zunft der Halloren Trauerfeiern für Menschen ohne Angehörige ausrichtet.“

    Bei dem Wort denken die meisten wohl zuerst an die Süßigkeit „Halloren-Kugeln“. Eigentlich aber sind die Halloren ein Zusammenschluss von Salinenarbeitern, die ausschließlich in Halle an der Saale aktiv ist. Heute bezeichnet der Name die Mitglieder der „Salzwirker-Brüderschaft im Thale zu Halle“. „Die Mitglieder der Zunft ziehen, in Uniform gekleidet, nach der Gedenkfeier den Wagen mit den Urnen bis zum Gräberfeld“, berichtet Werb.

    Ein Dienst an den Menschen

    Zwei Jahren ist das nun her, doch der Zufall sollte Folgen haben. Denn dem Diplom-Theologen und Diplom-Pädagogen war sofort klar, dass dafür im Bistum Würzburg ebenfalls ein Bedarf vorhanden ist. Er wünschte sich, dass es solche Feiern in Zukunft auch hier gibt und ist in Schweinfurt sogleich ans Werk gegangen. Bei seinen evangelischen Kollegen stieß er auf offene Ohren. Zuerst mit Pfarrer Mulugeta Giragn Aga und dann mit Pfarrer Christoph Rupprecht hat er nun bereits zweimal eine solche Trauerfeier gestaltet.

    Das Ganze ist organisiert als ökumenische Aktion der Stadtkirche Schweinfurt. „Es geht uns aber nicht darum, dabei neue Gläubige zu rekrutieren, sondern es geht um den Dienst an den Menschen. Denn das ist eine Grundaufgabe der Kirche.“

    Suche bis nach Australien

    Immer mehr Menschen sterben ohne noch irgendwelche Verwandte zu haben. Die Fälle nehmen zu, unterstreicht Werb. Von der überwiegenden Zahl der Verstorbenen wisse man rein gar nichts. Ist den Behörden kein Angehöriger bekannt, beginnen die Mitarbeiter zu suchen. „Diese Suche kann sich über mehrere Kontinente erstrecken, sogar bis nach Amerika und Australien“, sagt Werb. Einerseits geht es dabei um Erbfragen, andererseits aber auch darum, jemanden zu finden, der die Kosten für die Bestattung übernimmt.

    Sollte trotz intensiver Suche kein Angehöriger gefunden werden, übernehme das Sozialamt die Beerdigung, und zwar unabhängig davon, ob der Verstorbene vermögend oder mittellos ist. In solchen Fällen wird der Körper eingeäschert und die Urne anonym bestattet – ohne jede Zeremonie oder gar Feierlichkeit, sondern wenn es gerade in die Arbeitsabläufe der Friedhofsmitarbeiter passt.

    Kein christlicher Ritus

    Demgegenüber gibt es freilich auch Menschen, die ganz bewusst kein Interesse am Erinnern an ihre Person haben. „Manche wollen bewusst anonym bestattet werden“, berichtet der Diakon. Hier darf kein Name auf dem Grab stehen, bei den Verstorbenen ohne Angehörige wäre das dagegen möglich.

    Bei der Feier, die immer in der Trauerhalle des Hauptfriedhofs stattfindet, steht ein würdevoller Abschied im Mittelpunkt, der aber relativ religionsfrei und ritusfrei sein muss und damit offen für alle Verstorbene. Anonyme muslimische oder jüdische Bestattungen gibt es nicht: „ Muslime werden von ihrer Religionsgemeinschaft bestattet und Juden ebenfalls.“ Bei den Trauerfeiern, die Werb ausrichtet, sind die Verstorbenen aus einer christlichen Kirche ausgetreten, sind Atheisten oder aber ganz normale Christen, die eben niemand Nahestehenden mehr haben. Für die Besucher, die mitsprechen wollen, wird aber immerhin jedes Mal ein Vaterunser gesprochen.

    „Da lag ein Blumenmeer“

    Die Trauerfeier ist keine kleine Sache, die still und leise abgehandelt wird. Ganz im Gegenteil. „Es gibt Live-Musik, mit Klavier, Gitarre und Gesang, aber ohne Orgel. Es werden lyrische und philosophische Texte vorgetragen.“ Im Altarraum stehen Säulen mit Kerzen und Blumen und den Namen der Verstorbenen. Bei den bisher abgehaltenen Feiern waren es einmal 14 und einmal 16 Urnen von Verstorbenen.

    Keiner hätte erwartet, dass diese Trauerfeiern auf solch großes Interesse stoßen würden. Es kommen sehr viele Leute, und dabei sind auch Besucher, die wegen eines Verstorbenen kommen, den sie eben doch von irgendwoher kannten, und sei es nur flüchtig: vom Sportverein, von der Arbeit, oder nur als Kunden eines Bäckerladens ums Eck.

    „Wir bieten den Rahmen und die Leute füllen ihn aus. Für Blumenschmuck haben wir einfach kein Geld. Doch als ich dann bei der ersten Feier die Trauerhalle betrat, lag da ein Blumenmeer. All die Blumen hatten die Besucher abgelegt, wir hatten kaum genug Platz!“ Es sei eine ganz eigene Atmosphäre, die auch die Organisatoren nicht kalt lasse. Selten habe er so viele Menschen gesehen, die so berührt waren und Tränen in den Augen hatten, erinnert sich Werb.

    Ein Gräberfeld wird vorbereitet

    Aber es ist anders als bei anderen Trauerfeiern. Da man die Verstorbenen nicht kenne, könne man nichts zu ihrem Leben sagen: „Letztlich können die Besucher nur Blumen bringen, mehr tun kann man nicht mehr.“ Der Glaube stehe nicht im Vordergrund, ist aber unterschwellig präsent. Es gehe aber vor allem um das Erinnern, das Nicht-Vergessen.

    Die Urnen bleiben nach der Feier stehen, später setzen sie die Mitarbeiter des Friedhofs fachgerecht bei. „Ein aktives Gräberfeld für diesen Zweck gibt es in Schweinfurt leider noch nicht“, bedauert Werb, man habe aber bereits eines in Vorbereitung. Stadt und Friedhof seien stets sehr kooperativ, die Bestatter arbeiten Hand in Hand und Termine in der Trauerhalle werden für die Feiern freigehalten, die Örtlichkeit kostenlos zur Verfügung gestellt.

    Joachim Werb wünscht sich, dass auch andere Städte dem Beispiel Schweinfurts folgen. Noch einmal sagt er eindringlich: „Denn die Fälle nehmen ganz klar zu!“

    Jerzy Staus