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    Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt...

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    Überlegungen zur Diskussion um den Gottesbezug in der künftigen Verfassung der EU

    Die Europäische Union als Wertegemeinschaft

    Überlegungen zur Diskussion um den Gottesbezug in der künftigen Verfassung der EU
    Anfang Oktober trafen sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder in Rom, um über die künftige EU-Verfassung zu beraten. Ziel ist, den endgültigen Verfassungstext Mitte Dezember 2003 zu verabschieden. So erfreulich es ist, dass die 15 beziehungsweise bald 25 Mitgliedsländer der EU sich zu einer großen politischen und auch wirtschaftlichen Gemeinschaft zusammenschließen, so schwierig und problematisch ist die ethische Maxime, unter die sich diese Gemeinschaft stellen will. Was sind die gemeinsamen Werte und Grundüberzeugungen, die für alle Mitgliedsländer gelten sollen? Natürlich die allgemeinen Menschenrechte, wie sie im Grundgesetz und in der Grundrechte-Charta der EU festgelegt sind. Aber die Probleme beginnen im Detail, wie sich jetzt immer mehr zeigt.
     
    Unter dem ehemaligen französischen Staatspräsidenten Giscard d´Estaing wurde ein Verfassungsentwurf erarbeitet, der den 25 Mitgliedsländern jetzt als Grundlage dient. In ihm ist von den „kulturellen, religiösen und humanistischen Überzeugungen Europas“ die Rede, das Wort „Gott“ ist bewusst ausgespart. Eine Reihe von Ländern (und Politikern) wünscht sich ausdrücklich einen Gottesbezug, während andere, wie Frankreich, dies kategorisch ablehnen. Natürlich muss diese Verfassung in einer multikulturellen Gesellschaft die religiöse und weltanschauliche Neutralität wahren, aber ist dies durch die Nennung des Gottesbegriffs schon ausgeschlossen?
     
    Zwei große Grundpfeiler
    Europa steht auf zwei großen Grundpfeilern, dem jüdisch-christlichen Erbe und der Tradition der Aufklärung, aus der der moderne Staat und die Menschenrechte abgeleitet sind. Der christliche Glaube und die rationale Aufklärung sind beides unsere Wurzeln, aus denen sich die heutige säkulare Gesellschaft entwickelt hat. Und beide Wurzeln sollten auch ihren adäquaten Ausdruck in der EU-Verfassung finden. Der Name Gottes wäre nicht nur eine fromme Erinnerung an die geschichtliche Entwicklung Europas, sondern könnte ein wichtiges Signal sein, dass wir Menschen nicht Macht über alles haben, dass es höhere, dem Menschen und der politischen Entscheidung übergeordnete Werte gibt, die wir respektieren müssen, dass materielles Nützlichkeitsdenken allein nicht ausreicht für unser Leben. Auch wenn die deutsche Bundesregierung davor warnt, durch Änderungsvorschläge den Konsens zu gefährden – „wer das Paket (des Verfassungsentwurfs) aufmacht, muss es auch wieder zumachen“ – so wäre für uns Christen gerade dieser Gottesbezug ein ganz elementares Anliegen.
     
    Alarmierende Entwicklungen
    Nicht weniger alarmierend sind die Entwicklungen, die bei den Themen Sterbehilfe und Gentechnik auf die EU einwirken. Galt für den Europarat 1999 noch der klare Grundsatz: „Der von einem unheilbar Kranken oder Sterbenden ausgedrückte Wunsch zu sterben darf niemals die juristische Grundlage für seinen Tod aus den Händen Dritter bilden“, so kam jetzt aus der Schweiz der Vorschlag, keinem unheilbar Kranken die aktive Sterbehilfe zu verweigern, falls er „freiwillig und nach gründlicher Überlegung“ darum bittet. Erst vor wenigen Wochen gingen beängstigende Mitteilungen über die „finstere Praxis der Sterbehilfe“ in Holland und in der Schweiz durch die Medien: Seit Einführung der Euthanasiegesetze in diesen Ländern, die anfangs sehr strenge Regeln für den medizinischen Einsatz der aktiven Sterbehilfe aufstellten, ist die Barriere immer weiter gefallen. Jetzt werben schon Sterbehilfevereine damit, Lebensmüden die Giftmischung ans Krankenbett zu bringen. Längst wird nicht mehr nur vom Wohl und Wunsch des Patienten aus argumentiert, sondern vom demografischen Faktor.
    Das heißt, man legt den alten und kranken Menschen nahe, sich den Tod zu wünschen, um letztlich Kosten zu sparen. Der psychische Druck auf diese Leute, doch endlich einzusehen, dass sie der Gesellschaft nur zur Last fallen, wird immer stärker. Immer öfter entscheiden Dritte, der Arzt oder die Angehörigen, über lebenswertes beziehungsweise lebensunwertes Leben. Wie sehr sich dieses Denken auch bei uns schon breit macht, zeigt der Vorschlag eines Vertreters der Jungen Union, Menschen ab einem bestimmten Alter keine teure Operation mehr zu zahlen. Denn in dieser Diskussion liegt eine makabre Horrorlogik, die in einer Internet-Aktion der „Aktion Mensch“ unter anderem zu folgenden Fragen geführt hat: Wer zahlt unsere Rente in 30 bis 50 Jahren? Können wir uns noch die Geburt von behinderten Kindern leisten? Was spricht gegen eine Sterbepflicht mit achtzig? Aber auch: Wer kontrolliert die Forscher? Wird der Mensch zur Ware? Wer darf darüber entscheiden, was ethisch ist und was nicht?
     
    Palette von Fragen
    Wie man sieht, sind die Fragen nach der Euthanasie eng verknüpft mit den Fragen und Problemen, die sich auf den Beginn des Lebens beziehen. Auch will die EU-Kommission die Wege für die Forschung an embryonalen Stammzellen noch weiter öffnen. Während Deutschland noch ein sehr strenges Embryonenschutzgesetz (von 1991) hat, sind die rechtlichen Grenzen in anderen europäischen Ländern schon viel weiter gesteckt. Die Möglichkeiten der Gentechnik und Biomedizin wachsen immer schneller, die Begehrlichkeiten der Wissenschaft und des finanziellen Gewinns werden immer größer, auch die potenziellen Kunden drängen auf schnelle Erfolge. Die Palette der Angebote – und damit auch der ethischen Fragen – scheint fast unbegrenzt: Künstliche Befruchtung (In-vitro-Fertilisation), Klonen, Stammzellenforschung, Präimplantationsdiagnostik (PID), verbrauchende Embryonenforschung, auch Abtreibung, Leihmutterschaft und Gentransfer, um nur die wichtigsten Begriffe zu nennen. Während die anlehnende Haltung gegenüber (reproduktivem) Klonen und Leihmutterschaft in den europäischen Ländern wohl einstimmig ist, gibt es bei den anderen Fragen durchaus unterschiedliche Einstellungen und Gesetzesvorschriften. So drängt etwa England auf eine weitere Öffnung der Forschung mit Embryonen, während Österreich, Italien und Deutschland dies auf keinen Fall erlauben will.
    Kernfrage in diesem ganzen Bereich der Gentechnik und Embryonenforschung ist: Wann beginnt menschliches Leben? Ab welchem Stadium ist der menschliche Embryo schützenswert? Wenn mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzellen menschliches Leben beginnt, wovon nicht nur wir Christen, sondern auch die meisten Wissenschaftler überzeugt sind, dann ist der menschliche Embryo nicht einfach ein beliebiger Zellhaufen, mit dem man wie mit einer leblosen Ware umgehen kann, sondern dann genießt er von Anfang an seine eigene menschliche Würde. Er kann zum Beispiel nicht einfach für wissenschaftliche Versuche „verbraucht“, das heißt getötet werden wie bei der Stammzellenforschung oder beim therapeutischen Klonen. Er darf auch nicht nach einer künstlichen Befruchtung im Reagenzglas aussortiert und weggeworfen werden, wenn er nicht mehr gebraucht wird oder nicht den genetischen Gesundheitstest in der PID besteht. „Die Menschenwürde ist unantastbar und kommt allen Menschen, unabhängig von der Einschätzung anderer oder ihrer Selbsteinschätzung zu, den Geborenen und Ungeborenen, den Gesunden und Kranken, den Behinderten und Sterbenden“, sagen die deutschen Bischöfe in ihrem Wort „Der Mensch: sein eigener Schöpfer?“ Er darf nie Mittel zum Zweck werden sondern ist immer Zweck für sich, Eigenwert, der nicht instrumentalisiert werden darf.
     
    Werk und Abbild Gottes
    „Gott schuf den Menschen als sein Abbild, als Abbild Gottes schuf er ihn“, heißt es im Buch Genesis. Dies ist die tiefste Begründung für die Würde des Menschen: Der Mensch ist Werk und Abbild Gottes. Heute hat man oft den Eindruck, dass der Mensch immer mehr die Rolle des Schöpfers übernehmen will. Er will den Menschen machen, ihn manipulieren nach seinem Wunschbild, Er will bestimmen, wie er gezeugt und ob er geboren wird oder nicht, wie er möglichst perfekt, ohne Behinderung und vielleicht sogar mit einem bestimmten Aussehen zur Welt kommt, wie er sein Leben möglichst lustvoll gestalten kann, wann sein Leben beendet werden soll. Aber, so müssen wir fragen, geht diese Rechnung auf? Ist das Leben des Menschen dadurch besser, sinnvoller, glücklicher geworden oder hat es eher an Würde verloren? Natürlich sind wir Christen nicht fortschritts- oder wissenschaftsfeindlich. Die Medizin hat viel Heil für den Menschen gebracht, die Technik hat sein Leben erleichtert. Aber Wissenschaft und Technik stehen im Dienst des Menschen, der Fortschritt darf nicht zum Selbstzweck werden. Wenn der Mensch seine eigenen Grenzen nicht kennt, wird er inhuman.
    Wünschen wir unseren Politikern den rechten Blick für die Fragen und Probleme in diesem Bereich, wünschen wir ihnen das nötige Rückgrat, für die Würde des Menschen vom Beginn bis zum Ende seines Lebens einzutreten und – wo nötig – auch zu kämpfen.