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    Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt...

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    Die alte Kirche und die Häresien

    Die sogenannte nachapostolische Zeit des zweiten Jahrhunderts, die in den Bereich der Geschichte der alten Kirche gerechnet wird, sollte bestimmt sein von der Auseinandersetzung mit der Gnosis, dem Montanismus und Markion sowie von der Konsolidierung der allmählich über die Gemeindegrenzen hinaus wachsenden und sich darüber hinaus auch als solche begreifenden Kirche. Zweiter Teil der Serie von Gerd Felder.
    Wir hatten gesehen: Durch die Auseinandersetzung mit dem Judentum im ersten Jahrhundert war entschieden, dass das Christentum kein Teil des Judentums ist. Umso mehr stellte sich dann die Frage, ob es nicht Teil der allgemeinen hellenistischen Religiosität werden könnte.

    Die so genannte nachapostolische Zeit des zweiten Jahrhunderts, die in den Bereich der Geschichte der alten Kirche gerechnet wird, sollte bestimmt sein von der Auseinandersetzung mit der Gnosis, dem Montanismus und Markion sowie von der Konsolidierung der allmählich über die Gemeindegrenzen hinaus wachsenden und sich darüber hinaus auch als solche begreifenden Kirche.

    Heil durch Erkenntnis
    Das Besondere der gnostischen Bewegung ist, dass sie Heil durch Erkenntnis (Gnosis bedeutet übersetzt „Erkenntnis“) versprach. Diese Erkenntnis hat einen besonderen Inhalt: die Wesensidentität des inneren Menschen mit der transzendenten (übernatürlichen) Gottheit. Dabei ist entscheidend: es ist auf der einen Seite das innerste Selbst, ein vor seiner Erleuchtung dem Gnostiker unbekanntes Selbst, das im Prozess der Gnosis erst entdeckt wird. Und es ist auf der anderen Seite der radikal transzendente Gott, der nicht mit den vorher bekannten Göttern identisch ist – auch nicht mit dem monotheistischen Gott der Philosophen und der Juden. Gott und das Selbst stehen also beide gegensätzlich der Welt und dem Körper gegenüber. Christen mussten eine starke Versuchung empfinden, die von ihnen vertretene neue Offenbarung als Vermittlung dieser „Meta-Religion“ auszugeben: Jesus wurde bei ihnen zum Offenbarer der wahren Gnosis. Die Gnosis als eine Art Privatisierung der Religion erlebte im Christentum des zweiten Jahrhunderts einen gewaltigen Aufschwung.
    Doch letztlich ging das Christentum weder in der Gnosis auf noch wurden gnostische Abweichungen als legitime Variante des Christlichen, sozusagen als „Konfession“ akzeptiert. Im Gegenteil: Kirchenväter wie Justin, Irenäus, Tertullian und Hippolyt bekämpften die verschiedenen gnostischen Gruppen energisch. Ihre Gründe waren eindeutig: Die Gnosis stellte den Monotheismus in Frage, weil sie neben den höchsten Gott noch einen untergeordneten Weltschöpfer stellte, der die Welt geschaffen haben sollte. Ebenso stellte sie die Menschwerdung Jesu in Frage.  Die Auseinandersetzung mit der Gnosis wurde durch die Theologie siegreich beendet, die den Schöpfungs- und Erlösungsglauben in ein Gleichgewicht brachte und am Alten und Neuen Testament festhielt. Als erster begründete Irenäus den zweigeteilten Kanon aus Altem und Neuem Testament und entwickelte eine heilsgeschichtliche Theorie, nach der die Erlösung die Wiederherstellung der Schöpfung ist.

    Aber noch eine zweite Herausforderung sollte auf die alte Kirche zukommen:  Die „neue Prophetie“, die sich um die Hauptgestalten Montanus, Maximilla und Priscilla herum bildete, erfasste große Teile der Kirche. Die neue Prophetie, der Montanismus, ruft im Verhältnis zur Welt zum Martyrium auf. Gleichzeitig aber tritt sie in Spannung mit der Kirche. Ihre Vertreterinnen –  Frauen dominierten in dieser Bewegung – wissen sich von ihr verfolgt. Nach Meinung mancher heutiger Bibelwissenschaftler war der Montanismus im Sinne eines am Kanon des Neuen Testaments orientierten Christentums rechtgläubig.

    Der fremde Gott der Liebe

    Die vielleicht größte Herausforderung der alten Kirche aber stellte Markion dar. Er hob die Einheit von Schöpfer- und Erlösergott auf; das Alte Testament ist für ihn die Offenbarung eines anderen Gottes. In Jesus hat sich dagegen ein bisher fremder Gott der Liebe und Barmherzigkeit offenbart. Unverkennbar sind die gnostischen Züge von Markions Denken: Er löst nicht nur die Einheit von Schöpfer- und Erlösergott auf, sondern auch die Einheit des göttlichen und menschlichen Wesens im Erlöser. Nach Markion wurde Jesus nicht geboren, sondern stieg direkt vom Himmel. Im Unterschied zur Gnosis verzichtete er allerdings auf jede Spekulation über innergöttliche Emanationen und Prozesse. Die prophetischen Züge seines Auftretens und sein ethischer Radikalismus – er predigte Askese und Bereitschaft zum Martyrium – gaben seinem Auftreten eine große Durchschlagskraft.

    Viele verschiedene Strömungen
    Nach Auffassung der heutigen Bibelforschung gab es in der frühen Kirchengeschichte nicht nur zwei Parteien, sondern eine Vielzahl von Strömungen, zwischen denen es Spannungen und Konflikte gab. Mit der Kanonbildung kam es zur Ausscheidung „häretischer“ Strömungen. Nicht alle Strömungen wurden im Kanon durch Schriften repräsentiert. Gnostische Schriften beispielsweise fehlen. In, mit und durch die Kanonbildung muss sich ein Konsens über das gebildet haben, was im normativen Sinne „christlich“ ist. Daneben erwies sich die Herausarbeitung einer Ämterstruktur mit Bischöfen, Presbytern und Diakonen als umso notwendiger, da sich die Naherwartung nicht erfüllte.