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Der Tod auf Samt und Seide
„Was soll das?“, fragte sich Imke Lüders, als sie zum ersten Mal solche Priestergewänder und Bahrtücher gesehen hat, die mit zerbrochenen Knochen, Totenköpfen und tanzenden Skeletten verziert sind. Die Kunstgeschichtlerin machte ein besonders auffälliges Exemplar, das 6,5 mal 4,5 Meter große Kasseler Totentanztuch, zum Thema ihrer Magisterarbeit. Für ihre Promotion weitete sie ihre Forschungen auf weitere Textilien für den Gottesdienst aus. Bis zum 30. April werden einige der von ihr untersuchten Stoffe im Kasseler Museum für Sepulkralkultur ausgestellt. Titel der Schau: „Der Tod auf Samt und Seide – Todesdarstellungen auf liturgischen Textilien des 16. bis 19. Jahrhunderts.“ Diese sogenannten Paramente wurden bei Begräbnissen und Jahrgedächtnisfeiern benutzt. Ein prägnantes Beispiel ist die Mainzer Kasel, das Priestergewand entstand um 1740. Hier wirkt der Tod nachdenklich und verträumt: Die Gold- und Silberstickerei auf schwarzem Samtgrund zeigt ein Skelett auf dem Boden sitzend. Es hält ein Wappen in der linken Hand und berührt es sanft mit der rechten. Zu dem Gewand gehört auch ein Velum, das zur Abdeckung des Kelches benutzt wird. Auf ihm fallen neben Totenköpfen gebrochene Knochen auf. Dort setzt Imke Lüders mit der Deutung an, denn die zerschlagenen Knochen sind ein biblisches Motiv, das bildhaft auf das Velum übertragen wurde. In Psalm 51,10, der damals mehrfach in der Begräbnisliturgie vorkam, heißt es: „Jubeln sollen die Glieder, die du zerschlagen hast.“ Diese Überbetonung des Todes habe sie zuerst gestört, so Imke Lüders, „aber inzwischen denke ich, diese Bilder haben die Menschen einerseits an ihre Pflicht erinnert, für alle Toten zu beten, und zugleich haben sie ihnen auch Mut gemacht, denn nach dem Tod kommt das Ewige Leben“. Der Grund für die Totenfürsorge war die Vorstellung von der „Gemeinschaft der Heiligen“, zu der neben den Lebenden die in den Himmel Aufgenommenen und die noch im Fegefeuer Wartenden gehören. An diese werden die Lebenden erinnert und zum Gebet für sie aufgefordert. Das kostbarste Ausstellungsstück ist die Totenkasel aus dem oberösterreichischen Benediktinerstift Kremsmünster von 1630. Während vorne ein schlangenumkringelter Schädel prangt, wird die ganze Rückseite des 1,18 Meter langen Priestergewandes von einem Skelett dominiert. Es stützt sich lässig auf eine Sense. Auf dem Boden liegen eine Königskrone, die päpstliche Tiara und ein Kardinalshut. Daneben finden sich noch ein Spiegel mit dem Gesicht einer jungen Frau sowie Laute, Trompete und ein Buch. „Das sind Macht- und Vergänglichkeitssymbole“, erklärt die Expertin.Auch sonst waren Darstellungen von Totentänzen und Schädeln in dieser Zeit allgegenwärtig: auf Flugblättern, Friedhöfen, privaten Andachtsbildchen oder Rosenkränzen. Die Knochen konnten nach Ansicht von Imke Lüders damals positiv gedeutet werden: Ein durch Würmer von dem sündigen Fleisch gereinigtes Skelett kann mit neuem Fleisch bekleidet werden, sich mit der Seele vereinen und in den Himmel gelangen. Dass dies nicht die ganz offizielle Vorstellung der Kirche gewesen sein konnte, zeigt sich laut Lüders daran, dass Gewänder mit Todesdarstellungen im bischöflichen Zeremoniell ausdrücklich untersagt waren. Auffällig ist auch, dass ganze Skelette nur auf klösterlichen Kaseln zu finden sind. Solche extremen Darstellungen wollte man dem einfachen Kirchenvolk wohl nicht zumuten. In diesem Sinne forderte Gotthold Ephraim Lessing 1769 die Künstler auf, „das scheußliche Gerippe aufzugeben“ und den Tod als Bruder des Schlafes abzubilden. Im Laufe der nächsten hundert Jahre wurden die Totenköpfe und Gebeine auf liturgischen Gewändern allenfalls zwischen Urnen, Eulen und Sanduhren versteckt eingeflochten – bis auch diese softere Erinnerung an den Tod in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert ganz aufgegeben wurde. Die Ausstellung ist noch bis zum 30. April geöffnet, Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr, Mittwoch von 10 bis 20 Uhr, Montag geschlossen. Kontakt: Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V.Zentralinstitut und Museum für SepulkralkulturWeinbergstraße 25-2734117 KasselTelefon: 05 61/9 18 93-0E-Mail: „info@sepulkralmuseum.de“ Internet: „www.sepulkralmuseum.de“.