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    Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt...

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    Interview mit Ukraines Botschafter beim Heiligen Stuhl über vatikanische Vermittlungsbemühungen und Reisepläne

    „Der Papst geht eigene Wege“

    Seit Anfang April ist Andrij Jurasch ukrainischer Botschafter beim Heiligen Stuhl. Als er sein Amt antrat, tobte in seiner Heimat bereits der Krieg. Nun engagiert er sich für einen baldigen Besuch von Papst Franziskus in der Ukraine. Im Interview erklärt der Religionswissenschaftler und Diplomat, wann damit zu rechnen ist.

    Herr Botschafter, wird Papst Franziskus bald in die Ukraine reisen?

    Der Papst will die Ukraine besuchen. Das wurde deutlich. Wir haben schon über alle informellen Momente gesprochen. Aber wann und wie die Reise gelingen wird, hängt von vielen Faktoren ab. Deshalb müssen wir warten. Denken wir an seine Gesundheit. Wir hoffen, dass er bald eine Entscheidung treffen wird. Ich bin jedoch nicht sicher, ob es noch vor der Reise nach Kasachstan Mitte September möglich ist. Wir warten auf eine Mitteilung des Vatikans. Über diesen möglichen Besuch sprechen in der Ukraine alle: die Gesellschaft, der Präsident. Auch die Religionsführer im Land haben die Einladung an Franziskus unterstützt, in erster Linie die katholischen Bischöfe. Die Einladung kommt also nicht nur von der Regierung. Ich hoffe sehr, dass es möglich sein wird. Von ukrainischer Seite ist dieser Wunsch jedenfalls sehr explizit.

    Was würde eine solche Reise für die Ukraine bedeuten?

    Sie wäre ein Zeichen der Solidarität. Aber nicht nur das. Als geistlicher Führer vertritt der Papst die ganze westliche Welt und die westliche demokratische Zivilisation und Kultur. Außerdem wäre der Besuch eine Unterstützung für die katholische Gemeinschaft in der Ukraine. Wir wissen zwar nicht, wie wir für eine solche Reise eine große Messe mit dem Papst organisieren könnten, wie dies bei seinen Reisen sonst üblich ist. Aber es würden auf jeden Fall alle Ukrainer sein Gebet hören. Denn sehr viele leben in dem Bewusstsein, dass das Gebet Wunder vollbringen kann. Gerade das gemeinsame Gebet und noch dazu das mit dem Oberhaupt der Kirche kann wichtige Schritte hervorbringen. Das wäre auch ein wichtiges Signal an den Aggressor, damit diesem bewusst wird, welche Gräueltaten er vollbringt. Ebenso wäre es ein Zeugnis, wie die Welt auf den Krieg reagiert. Wir Ukrainer würden damit sehen, dass die Welt unser Drama versteht.

    Sie sind erst seit ein paar Monaten im Amt des Vatikanbotschafters und kamen in einer Zeit nach Rom, in der sich ihr Land im Krieg befindet …

    Formell gesehen ist es eine kurze Zeit, aber es war und ist andererseits eine so intensive Zeit für meine Aufgabe. Ich habe schon so viel erlebt und erreicht. Ich habe mit allen Vertretern des diplomatischen Corps Kontakt aufgenommen sowie mit den kirchlichen Institutionen und Nichtregierungsorganisationen, die mit dem Heiligen Stuhl verbunden sind. Als Vertreter eines Staats, der sich im Krieg befindet, kann ich nicht stillsitzen. Ich setze alle Ressourcen ein, die mir zur Verfügung stehen. All jene, die die Gräuel des Kriegs kennen, und jene, die unserem Staat helfen wollen, unternehmen ihrerseits sehr viel, um ihre Nähe zu bezeugen. Sie bieten auch im praktischen Bereich ihre Hilfe an.

    Was konnten Sie erreichen?

    Ich konnte konkrete Zeichen setzen, um die Beziehungen zum Heiligen Stuhl auf eine höhere Stufe zu bringen. So ist inzwischen Vieles möglich, was bisher aus unterschiedlichen Gründen nicht vorstellbar war. Wir sind uns alle einig, dass man nur durch Zusammenarbeit weiterkommt. Wichtig war und ist es mir, dass ich mit dem Heiligen Vater direkt kommunizieren kann. Das hat schon mehrfach stattgefunden – in unterschiedlichen Formen. Wir konnten direkt und ausführlich miteinander sprechen. So hatten wir die Möglichkeit, Antworten auf bedeutsame Fragen zu finden.

    Der Heilige Stuhl und vor allem Papst Franziskus haben sich immer wieder zum Krieg geäußert. Wie sehen Sie sein Bemühen um Frieden?

    Wir erinnern uns noch daran, wie sich der Heilige Stuhl im Allgemeinen und der Papst im Besonderen über die Situation äußerten, als der Krieg noch nicht ausgebrochen war. Sie gaben klare Signale, indem sie zum Gebet und dazu aufriefen, einen Krieg zu verhindern. Als der Krieg dann ausbrach, gab es im Vatikan viele Bemühungen. So äußerte sich Papst Franziskus jeden Sonntag beim Mittagsgebet und mittwochs bei den Generalaudienzen sowie in vielen Interviews und anderen öffentlichen Auftritten zur Ukraine. Das ist sehr beeindruckend. Der Papst geht eigene Wege. Er versucht den Aggressor zu überzeugen – insbesondere den russischen Präsidenten Wladimir Putin –, dass Gewalt keine Lösung ist. Alle bisherigen Bemühungen des Papstes und des Kardinalstaatssekretärs Pietro Parolin waren zielgerichtet. Beide haben versucht, mit Putin ins Gespräch zu kommen. Ihre Anfragen wurden aber nicht beantwortet.

    Und wie war das auf ukrainischer Seite?

    Unser Engagement verstärkte sich dadurch. So nahmen in den vergangenen Wochen die Kontakte mit dem Heiligen Stuhl zu – und zwar auf allen Ebenen bis hin zu der des Papstes und unseres Präsidenten. Als Botschafter konnte ich viel dazu beitragen. Unsere Beziehungen haben sich so entwickelt, dass man sich mittlerweile Osteuropa ohne die Ukraine nicht mehr vorstellen kann. Und die Ukraine versteht, dass die Zusammenarbeit ohne den Heiligen Stuhl auf globalem Niveau nicht möglich ist. Wir können unsere Ziele nicht ohne die Hilfe des Heiligen Stuhls erreichen.

    Von Seiten des Vatikans gab es etliche humanitäre Initiativen. Wie kamen die in der Ukraine an?

    Der Vatikan hat alles unternommen, was möglich ist. In den ersten Tages des Kriegs gab es vor allem humanitäre Hilfe. Er lieferte Hilfsgüter wie etwa Krankenwagen. Der Papst kennt sich mit der Realität des Kriegs und der Gewalt gut aus. Die Kardinäle Michael Czerny und Konrad Krajewski haben in seinem Auftrag unser Land besucht. Franziskus hat mir erzählt, was ihm Kardinal Krajewski gesagt hat: Die ukrainischen Grenzwächter konnten nicht glauben, dass am Lenkrad des Ambulanzwagens ein Kardinal sitzt. Daraufhin habe Krajewski bekräftigt, dass er Kardinal sei und dass er jetzt extra in die Ukraine fahre, um persönlich Hilfsgüter abzuliefern. Auch in anderen schwierigen Situationen konnten wir auf die Hilfe des Heiligen Stuhls zählen. Der Nuntius in Kiew hat sich allen Friedensinitiativen angeschlossen. Leider ist uns die andere Seite nie auf Augenhöhe begegnet und ging bisher noch nie auf Angebote zum Dialog ein. Der Heilige Stuhl hingegen war immer bereit, Gespräche zu fördern.

    Der Vatikan hat sich bereits nach der Annexion der Krim und der Gewalt im Donbass seit 2014 für Frieden in der Ukraine eingesetzt …

    Das hat Präsident Wolodimir Selenksjy immer unterstrichen. Er hob stets das Potenzial des Vati­kans hervor. Doch jede Vermittlung kann nur funktionieren, wenn beide Seiten dazu bereit sind und Gespräche wollen. Die Ukraine war immer dazu bereit.

    Sie sind Religionswissenschaftler. Welche Rolle spielt die katholische Kirche in der heutigen Ukraine?

    Die katholische Glaubensgemeinschaft ist in der Ukraine sehr aktiv und einflussreich. Etliche haben das noch nicht wahrgenommen. Es ist aber klar, dass die Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche wichtig ist. Nach der Statistik gibt es acht bis neun Prozent griechisch-katholische Ukrainer und ein Prozent römisch-katholische. Also sind zehn Prozent der Ukrainer katholisch. Doch die Statistik spiegelt nicht den eigentlichen Einfluss der Kirchen wider. Dieser ist in der Gesellschaft und in politischen Prozessen spürbar. Das gilt auch für den humanitären Bereich. Die Katholiken sind sehr motiviert und haben ein großes Poten­zial sowie ein Bewusstsein für die eigene Identität und Rolle. Die Stimme der Katholiken wird in der Ukraine immer beachtet – wie etwa die des Kiewer Großerzbischofs Swjatoslaw Schewtschuck. Jeden Tag wendet er sich mit Botschaften im Kontext des Kriegs an die Öffentlichkeit. Diese Botschaften werden in der Gesellschaft sehr gut aufgenommen. Viele warten oft sehnlichst auf seine Texte. Die katholischen Gemeinschaften sind in vielen sozialen Projekten engagiert. Sie haben die nötige Erfahrung dazu. Sie unterrichten jene, die damit keine Erfahrung haben, wie man helfen kann. Das führt zu guten Resulaten. In diesem Kontext ist die katholische Kirche, denke ich, auch gewachsen. Die Beziehung zum Heiligen Stuhl hat das positiv beeinflusst.

    Sie waren bereits früher für die ukrainische Regierung tätig und haben dazu beigetragen, dass es nun eine eigenständige orthodoxe Kirche der Ukraine gibt. Was wird aus der Ökumene, sobald der Krieg vorbei ist?

    Ich war von 2014 bis 2020 zuständig für die Abteilung für Religionen und Nationalitäten. Aber es ist übertrieben zu sagen, dass ich für den „Tomos“ (die Verleihung der kirchlichen Eigenständigkeit, Anmerkung der Redaktion) verantwortlich war. In der orthodoxen Tradition wird eine enge Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche gesucht. Wir haben diesen Prozess entsprechend begleitet. Fakt ist, dass es gerade zwischen der neuen orthodoxen Kirche, die seit dem 5. Januar 2019 besteht, und der griechisch-katholischen Kirche in der Ukraine eine enge Zusammenarbeit gibt. Beide fühlen sich einander nahe. Das ist leider mit anderen orthodoxen Kirchen schwieriger, weil deren Weltanschauung anders ist. Das hat dieser Krieg ebenfalls zum Vorschein gebracht.

    Interview: Mario Galgano/
    Copyright: Katholische SonntagsZeitung