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      Das Kriminalmuseum Rothenburg wird einhundert Jahre alt

      Der lange Weg des Rechts

      Viel Zeit sollte sich nehmen, wer intensiv in die Geschichte des Rechts eintauchen will. Denn im Rothenburger Kriminalmuseum wird der Weg des gesamten Strafvollzugs bis hin zur Vollstreckung anschaulich dargestellt.

      Schummriges Licht erhellt nur wenig die Gewölbe, in die eine schmale Treppe hinabführt. Ein Lichtstrahl gibt den Blick frei auf eine Streckbank hinter Glas, gegenüber steht ein Stachelstuhl. Zimperlich ging man mit Landschädlichen und sündhaften Missetätern – wie man Kriminelle im 15. und 16. Jahrhundert nannte – in früheren Zeiten nicht um. Die Lebensumstände waren hart, teils grausam, das alltägliche Überleben häufig ein Kampf; oft war das einzige, was man den Menschen tatsächlich noch nehmen konnte, ihre Ehre. Und so zeigt die umfassende Ausstellung rund 50000 weltweit gesammelte Exponate – überwiegend Originale – aus über eintausend Jahren europäischer Justizgeschichte mit dem Schwerpunkt Mittelalter.

      Dass sie der Nachwelt ein solch reiches Erbe hinterlassen, hätten Ernst Paul Hinckeldey und Marta Hinckeldey-Wittke wohl nicht geahnt. Denn ursprünglich war es eine private Sammlung – die Foltergeräte-Sammlung von G.F. Geuder in Nürnberg –, die das Künstlerehepaar erwarb und kontinuierlich erweiterte. So kann das Museum heute zahlreiche Originale sein Eigen nennen. Sohn Christoph Hinckeldey trat schließlich in die elterlichen Fußstapfen und nutzte Anfang der 1970er Jahre die Chance zum Umzug ins ehemalige Johanniterkloster in Rothenburg, in dem bis dahin das Landratsamt untergebracht war. Nach seinem Tod übernahm eine Stiftung das Museum.

      Eintauchen in die Geschichte

      Viel Zeit sollte sich nehmen, wer intensiv in die Geschichte des Rechts eintauchen will. Denn im Rothenburger Kriminalmuseum wird der Weg des gesamten Strafvollzugs bis hin zur Vollstreckung anschaulich dargestellt. Der Beginn eines Verfahrens, Beweise und Folter, werden im Kellergeschoss beleuchtet. Daneben bekommt man Einblicke in die Lebenswelten von einst. Eine Welt ohne medizinische Versorgung, ohne das Grundverständnis von Hygiene. Museumsleiter Markus Hirte betont aber: „Auch Folter und Hinrichtungen waren die Ausnahme. Es gab wie heute den ganzen Bereich der kleinen und mittleren Kriminalität, die man mit sogenannten Ehren- oder Schandstrafen abhandelte.“

      Die Menschen bekamen Schandmasken aufgesetzt, oder ritten rücklings nackt auf einem Esel durch die Stadt, wie der treulose Ehemann. Die Halsgeige beispielsweise war für Frauen bestimmt, die gerne Gerüchte verbreiteten; diese Holzvorrichtung wurde um Hals und Hand­gelenke gelegt und fixiert. Zwischen einer und acht Stunden musste die Frau so am Pranger ausharren, je nach Vergehen. Doch das war noch die harmlosere Variante der Strafe. Folter war im Mittelalter ein gängiges Mittel, um Delinquenten zu einem Geständnis zu bewegen, wenn Beweise oder Zeugen fehlten. Und sie geschah in drei Stufen: androhen, das Folterinstument zeigen. Kam es dann zur dritten Stufe, der Folter, waren die Daumen- oder Beinquetsche wie auch die Streckbank gängiges Mittel.

      Umfangreiches wissen wird vermittelt

      Wer im Museum den Wegweisern nach oben folgt, taucht ein ins Recht in germanisch-fränkischer Zeit. Ehe, Ehre und Frauen aus der Sicht des Rechts finden dort ebenfalls ihren Platz, Dokumente zeugen von den Sichtweisen der Menschen, von Regeln in der Gesellschaft und ihrer strengen Ordnung. Viel erfährt der Besucher auch über Leibes- und Lebensstrafen, über Scharfrichter und Inquisitionsverfahren. Eigens für Kinder und Jugendliche gibt es eine Museumsralley, um sich mit der breiten Palette an Themen auseinandersetzen zu können.

      Ein Hingucker ist für viele die Eiserne Jungfrau von Nürnberg. Sie diente entgegen der weitläufigen Meinung jedoch nicht als Tötungsinstrument, sondern war lediglich ein „Schandmantel“ für unzüchtige Mädchen und Frauen: im Innern war es dunkel, die Frauen bekamen Platzangst und hatten nur wenig Luft, kamen aber körperlich unversehrt wieder heraus. Gesetzestexte, Verhaltensregeln und Erläuterungen zu Verstößen ergänzt durch historische Abbildungen geben Einblick in die Zeiten, in der die Rechtsprechung noch andere Maßstäbe setzte. „Ein jedoch sehr wichtiger Prozess, immer der Zeit geschuldet, und dem wir heute unser Rechtssystem zu verdanken haben“, sagt Markus Hirte.

      Er ist stolz auf die zahlreichen Dokumente, die den Besuchern hier gezeigt werden können. Dabei wird in Rothenburg gänzlich auf Grusel-Komponenten verzichtet – ganz bewusst, wie Rechtswissenschaftler Hirte schildert. „Wir stellen die Exponate so dar, wie sie waren, und jeder, der Einfühlungsvermögen besitzt, kann sich vorstellen, wie diese Geräte – wenn man sie anwendet – auf den menschlichen Körper wirken.“

      Alleinstellungsmerkmal

      Drei Jahre lang widmete sich eine Sonderausstellung dem Thema „Martin Luther und die Hexen“. Nach Ablauf Ende 2019 hat Hirte sie in die Präsenzausstellung des Mittelalterlichen Kriminalmuseums eingebunden. Im Erdgeschoss des Hauptgebäudes ist sie noch immer in digitaler Form zu sehen.

      Das Kriminalmuseum finanziert sich ausschließlich durch Eintrittsgelder; es ist täglich geöffnet und lockt jährlich mehr als 100 000 Besucher aus 70 Nationen an. „Das ist unser Alleinstellungsmerkmal“, sagt Markus Hirte nicht ohne Stolz. Ein ambitioniertes Ziel für den Rechtswissenschaftler, der seit sechs Jahren das Kriminalmuseum leitet. Er möchte das Museum fit für die Zukunft machen – mit einer notwendigen Neukonzeptionierung unter Einbeziehung der neuen Medien, erklärt er: „Multimedia-Darstellungen sind heute ebenso üblich wie gewisse Standards für zeitgemäße Museen. Das wollen wir nach und nach umsetzen.“

      Das 100. Jubiläum wird 2020 mit einer Sonderausstellung begangen: Tiere im Strafrecht. „Ein spannendes Themenfeld“, meint Markus Hirte. Er ist gespannt auf die Reaktionen der Besucher und freut sich auf den Start der Ausstellung, sollte der aufgrund der aktuellen Lage nicht noch verschoben werden. Denn damit bedient das Kriminalmuseum wieder einmal ein Themenfeld, das so wohl noch keiner beleuchtet hat.     

      Judith Bornemann

      Sonderausstellung im Jubiläumsjahr

      In alter Zeit, als Hunger und Not an der Tagesordnung waren, verfuhr man mit Übeltätern nicht zimperlich, egal ob Mensch oder Tier. Das Kriminalmuseum gibt im Rahmen der Jubiläums-Sonderausstellung Einblicke in diese fremde Zeit der Tierprozesse und Tierstrafen. So wurde Tieren – ganz gleich ob Wolf oder Schwein – der Prozess gemacht, Delfine und Heuschrecken exkommuniziert oder gar Kopfprämien fü̈r Spatzen und Mäuse ausgesetzt. Und auch über Tiere wurde die Todesstrafe verhängt, worüber die Ausstellung ebenfalls informiert. Darüber hinaus gibt es Einblicke in die Geschichte des Werwolfs von Ansbach und von Hexen-, Fabel- und Wappentieren.

      Mittelalterliches Kriminalmuseum, Burggasse 3-5, 91541 Rothenburg ob der Tauber;
      normalerweise 365 Tage im Jahr geöffnet;
      Telefon 09861/5359, E-Mail: „info@kriminalmuseum.eu“,
      Internet: „www.kriminalmuseum.eu“.