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    Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt...

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    Der kleine Erfolg zählt

    Die katholische Kindertagesstätte in Wolfmannshausen besuchen 34 Kinder aus sieben Orten. Die Hälfte der Kinder kommt aus katholischen Familien. Das erzählt Kita-Leiterin Beatrix Wölfing, nachdem sie mit zwölf Mädchen und Jungen ein Erntedanklied gesungen hat: „Schenk´ uns, Herr, schenk uns, Herr, das tägliche Brot“. Der Liedvortrag ist ein Geschenk an die Gäste aus Unterfranken, die sich im Gemeinschaftsraum der Kita aufhalten: Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand und 16 Journalisten, die sich bei einer Medienfahrt der Diözese Würzburg über „Kirche in Südthüringen 25 Jahre nach dem Mauerfall“ informieren.
    Generalvikar Hillenbrand lässt die jungen Sänger in eine Tüte Gummibären greifen. Ein Mädchen verteilt Brot, das die Kinder selbst gebacken haben. Geben und nehmen – das prägt die Beziehungen zwischen Südthüringen und Würzburg noch heute. Seit 1994 gehören die ehemaligen Würzburger Diözesangebiete in Thüringen zwar zum Bistum Erfurt. Doch enge Kontakte und finanzielle Unterstützung gibt es nach wie vor.  

    Sieben Prozent sind katholisch

    Das Erntedankfest ist für Beatrix Wölfing eine Gelegenheit, den Kindern vom christlichen Glauben zu erzählen. „Die Leute wissen, wenn sie ihre Kinder in eine katholische Einrichtung schicken, dass der kirchliche Festkreis für uns wichtig ist. Das ist für sie auch in Ordnung“, stellt sie fest. 69 katholische Kindergärten gibt es im Bistum Erfurt, ergänzt später Raimund Beck. Bis zum Rücktritt von Bischof Wanke war er Generalvikar, jetzt ist er Vertreter des Diözesanadministrators, der noch bis zur Einführung des neuen Bischofs Ulrich Neymeyr am 23. November amtiert. Die Kindergärten seien sehr wichtig für die Weitergabe des Glaubens in der Diaspora, unterstreicht Beck. Diaspora, das heißt: eine Region, in der es gänzlich christenfreie Orte gibt und Kinder vermuten, dass Kirmes von Kirche kommt. „Oft fangen wir nicht bei Null an, sondern bei Minus Zehn“, sagt Beck.   Etwa sieben Prozent der Menschen im Bistum Erfurt sind katholisch, wobei das Eichsfeld mit 75 Prozent und die Bischofsstadt Erfurt mit 12 Prozent über dem Durchschnitt liegen. Die rund 150000 Katholiken im Bistum werden bis 2020 voraussichtlich auf 130000 geschrumpft sein. Verantwortlich dafür sind die demographische Entwicklung und die Abwanderung in Richtung Westen. Von den derzeit 63 Pfarreien werden am Ende des Jahrzehnts noch 33 übrig sein.  

    Seelsorger sind alle Getauften

    Diese Strukturreform hat Folgen. „Wir setzen konsequent darauf: Seelsorger sind nicht nur der Pfarrer und die Gemeindereferentin vor Ort. Seelsorger sind alle Getauften und Gefirmten“, unterstreicht Beck. Die Sprecher der sogenannten „Filialgemeinderäte“, von denen es in einer Pfarrei mehrere gibt, werden immer wichtiger als „Gesicht der Kirche vor Ort“. Außerdem bemühe man sich, gerade Taufen und Beerdigungen einladend zu gestalten. Dann nämlich kämen sich Kirche und Mehrheitsgesellschaft sehr nahe. „Bei manchen Familien weiß man, dass der letzte Glaubende im Sarg gelegen hat“ – so drückt es später in Meiningen Pfarrer Martin Montag aus.   Doch nicht nur um die schwierige Pastoral geht es beim Gespräch in der Kita in Wolfmannshausen. Auch die Vergangenheit ist in den Köpfen der Älteren lebendig. Nach der Teilung Deutschlands wirkten Priester aus Unterfranken in den Thüringer Gebieten des Bistums Würzburg, den Dekanaten Meiningen und Saalfeld. Einer von ihnen, Pfarrer Joachim Kügler (1931-2013), ist auf dem Wolfmannshäuser Friedhof bestattet. Der Erfurter Domkapitular Bernhard Bock erzählt, dass die unterfränkischen Priester von Thüringer Theologiestudenten in den siebziger Jahren „Bocksbeutel-Mafia“ genannt wurden – in Anspielung auf die verschworene Gemeinschaft der aus dem Bistum Würzburg stammenden Priester. Gerne erinnert sich Bock an die Arbeit der Würzburger Erlöserschwestern, die als Krankenpflegerinnen und Kindergärtnerinnen in Thüringen arbeiteten. „Sie haben mit ihrem Ordensgewand katholische Kirche nach außen sichtbar gemacht. Das ist alles weg – schon sehr tragisch.“   Ein paar Lichtblicke steuert die frühere Gemeindereferentin Elisabeth Domogalla bei, die von 1963 bis 2000 in Südthüringen in der Pastoral arbeitete: Nach der Wende hätten viele Krankenhäuser in der Region stille Räume eingerichtet. Daran sehe man, „dass die Kirche eingeplant ist“. Der Landkreis Meiningen zahle sogar die Taxen für Schüler, damit diese zum Religionsunterricht fahren können. Eine Ausnahme, aber immerhin. In der Diaspora zählt auch der kleine Erfolg.   Den Blick auf das Positive richten – darum bemüht sich auch Schwester Gudula Bonell von der Congregatio Jesu. Mit einer Mitschwester und einer Witwe, die sich dem Orden als „Gefährtin“ angeschlossen hat, lebt sie im Begegnungshaus in Schleusingen: ein schmuckloses dreistöckiges Haus, das die Kirche erworben hatte, nachdem der Besitzer in den Westen geflüchtet war. Einige Zimmer im Erdgeschoss wurden zusammengezogen und zur Kirche umgebaut. 1964 wurde der Kirchenraum geweiht. Für den flüchtig vorbeigehenden Fußgänger auf der Straße ist die ins Haus integrierte Kirche nicht zu erahnen.   Trotzdem – an Ostern und Weihnachten sind die Bankreihen gefüllt, erzählt Schwester Gudula. Jeden Sonntag kommen Gläubige; im wöchentlichen Wechsel finden Messen und Wort-Gottes-Feiern statt. „Die Leute machen keinen Unterschied“, sagt die Schwester, zumal auch die Wort-Gottes-Feiern ansprechend gestaltet werden. Eine Wort-Gottes-Feier am Sonntag? Das ist einer der Kompromisse, welche die Minderheitensituation der Katholiken in Thüringen erfordert. „Die Leute, die hierherkommen, fahren nicht 45 Kilometer nach Meiningen zur Messe“, erläutert Schwester Gudula.  

    Eine Handvoll Leute

    Sachlich schildert sie, was Diaspora bedeutet: In Schleusingen leben 5400 Menschen. 17 Prozent davon sind evangelisch und 3 Prozent katholisch. Weil die jungen Leute wegziehen, besteht pastorale Arbeit vorwiegend aus Seniorenarbeit. Die Schwestern bringen die Krankenkommunion, fahren den Gemeindebrief aus und bieten Exerzitien an. „Wir sind froh, wenn eine Handvoll Leute kommen“, sagt Schwester Gudula. Die Meditationsgruppe, die sich jeden zweiten Mittwoch im Begegnungshaus trifft, besteht sogar aus acht Personen. Eine der Jüngsten der kirchlich Interessierten, eine 50-Jährige, hat sich kürzlich taufen lassen. Für die Schwester sind solche Ereignisse „die kleinen Edelsteine“. Kleine Erfolge eben.   Was die Ordensfrau und andere Kirchenvertreter bei dieser Reise berichten, sagt einiges aus über die Rezeptur der Seelsorge in Thüringen: Kirchliche Veranstaltungen und Einrichtungen sind offen für Konfessionslose. Jeder Kontakt wird als missionarische Chance begriffen. „Einfach als Mitmensch auf die Leute zugehen“, bringt es Schwester Gudula auf den Punkt. Der Zugang zu den Sakramenten ist niederschwellig. Sprich: Ein Jugendlicher, der an der Feier der Jugendweihe teilnimmt – früher ein kommunistisches Ritual –, ist auch bei der Firmung willkommen. Und: Die Frage „evangelisch oder katholisch?“ ist stark in den Hintergrund getreten. Es kommt vor, dass Schwester Gudula in der evangelischen Kirche predigt oder dass der katholische Pfarrer evangelische Christen beerdigt. „Ökumene ist für uns überlebenswichtig“, sagt Otto Stöber, der Pfarrer von Suhl. Ökumene an der Basis läuft einfach und unproblematisch, bestätigt die Schwester – „Gott sei Dank“ Ulrich Bausewein