Markus Zwink, musikalischer Leiter der Passionsspiele, und Eva Kammerer, 2. Dirigentin, teilen sich die Chorproben auf, während Dirigent Dr. Christian Wolf die Orchesterproben leitet. Holzbläser, Blechbläser und Streicher proben getrennt voneinander, aber einmal pro Woche kommen die etwa 80 Instrumentalisten zusammen.
Zwink hat – wie er selbst sagt – die „Oberhoheit“ über die musikalische Organisation. Er erstellt unter anderem die Probenpläne. Hilfe bekommt er dabei von Bassist Michael Pfaffenzeller. Gar nicht so einfach, „weil wir sehr viele Detailproben haben, also Stimmbildung extra, Registerproben im Chor und im Orchester. Streckenweise haben wir oft fünf oder sechs Proben parallel laufen“, erklärt Zwink. Die Qualität des Oberammergauer Chors und Orchesters rührt auch daher, dass man in den passionsspielfreien Jahren die Theaterproduktionen des Regisseurs Christian Stückl unterstützt, Konzerte gibt oder sogar Opern auf der Passionsbühne aufführt. Das schafft Anreize für alle Altersstufen, sich im Chor oder Orchester zu beteiligen.
Zeitgenössisch ergänzt
Beim Passionsspiel nehmen Chor- und Orchesterstücke rund ein Drittel der Aufführung ein. Die Passionsmusik geht zurück auf den Oberammergauer Lehrer und Kirchenmusiker Rochus Dedler (1779–1822), der 1811, 1815 und 1820 verschiedene Fassungen schuf. Das „Heil dir“ des Volkes beim Einzug Jesu in Jerusalem kann jedes Kind in Oberammergau auswendig mitschmettern. „Das ist bei uns in den Genen drin“, kommentiert Dirigentin Kammerer schmunzelnd.
Dedlers Melodien mit ihrem kindlich-verspielten Stil wurden vielfach umgearbeitet und erweitert. Auch Markus Zwink hat neue Teile hinzugefügt. Aktuell schreibt der 63-Jährige unter anderem an einer Begleitung für den Kreuzweg Jesu, teils mit hebräischem Gesang, teils mit Orchester. „Ich möchte mehr orientalische Anklänge haben, ein bisschen mehr experimentieren“, erläutert Zwink.
Eine weitere Neuerung bei der Passion 2020: Während der Chor bislang weiße Gewänder trug und Schutzgeister – mystische engelsgleiche Wesen – darstellte, mischt er sich nun unter das Volk und repräsentiert in stilisierter Tracht die Oberammergauer Dorfbevölkerung im Jahre 1633, die das Passionsgelübde ablegt. „Die Männer tragen schwarze Anzüge, die Frauen längere Kleider mit einem dirndlartigen Ausschnitt“, beschreibt Eva Kammerer die Kostüme.
Kraft im Sozialen
Die Dirigentin ist Feuer und Flamme für ihre Arbeit mit dem Chor. Sie freut sich schon darauf, wenn die Proben im Passionstheater losgehen: „Auch wenn es kalt wird. Denn es hat so etwas Zusammenschweißendes, wenn man da bei Schneetreiben steht und weiß, man hat jetzt viele Stunden vor sich. Aber hinterher hat man es überstanden und sitzt gemütlich in der Kantine. Das macht ein wahnsinniges Zusammengehörigkeitsgefühl und auch so eine Sinnhaftigkeit. Irgendwie glaube ich, dass das Passionsspiel jenseits von allem Religiösen, von aller Aussage und jenseits von allem Ringen um Text und Musik die stärkste Kraft im Sozialen hat!“
Beatrice Petrik