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Die Säkularisation brachte 1803 das Ende der alten Reichskirche
Der große Reibach
Schädliche und verbotene Bücher“ – Hunderte von Stapeln mit Druckwerken müssen es gewesen sein, die 1803 im Kloster Fürstenfeld bei Fürstenfeldbruck mit einem solchen Zettel gekennzeichnet wurden. Die staatlichen Kommissare, beauftragt mit der Aufhebung des Zisterzienserklosters, hatten sich die Bibliothek vorgenommen und sortierten all die Bücher aus, die konfessionelle Polemik enthielten oder einfach dem aufgeklärten Geist der Zeit nicht entsprachen. Fürstenfeld war kein Einzelfall. Allein in Altbayern wurden mehr als 160 Ordensniederlassungen abgewickelt – die größte Säkularisation der Kirchengeschichte und die tief greifendste Umschichtung von Vermögen in Deutschland bis zu den Kriegsfolgen 1945.
Von Frankreich ausgehend
Die kirchliche Inquisition hatte früher noch feierliche Bücherverbrennungen veranstaltet. Ihr staatliches Pendant vergaß trotz des kulturkämpferischen Eifers nicht, neue Quellen für den Fiskus sprudeln zu lassen. Bücher, die nicht als Gewinn für die Magazine der Münchner Zentralbibliothek erschienen, wanderten einfach in eine Papierfabrik. Nicht nach Stückzahl, sondern zentnerweise verkauft, wurden sie eingestampft und als Rohmaterial der Wiederverwertung zugeführt. Barbarische Exzesse waren üblich, um um jeden Preis möglichst schnell Kulturgut zu verscherbeln: Wegen „abergläubischer“ Darstellungen wurden Barockgemälde zu Brennholz geschlagen oder Hunderte von Kelchen und Monstranzen zu Transportzwecken zusammengestampft und zur Metallschmelze abgefahren.
Motor des Fortschritts war das revolutionäre Frankreich. Seit der Besetzung des linken Rheinufers wurde dort das Ziel verfolgt, die geistlichen Territorien zu säkularisieren und mit der Liquidationsmasse die betroffenen Fürsten reichlich zu entschädigen. Ganz im Geist der Aufklärung forderten die Befürworter radikaler Reformen wie der bayerische Staatsmann Graf Maximilian Joseph Montgelas: „Gleichmäßigere Vertretung des Volkes, Ausdehnung der wesentlichen Menschenrechte auf alle Klassen der Gesellschaft, gleiche Steuerpflicht.“
Weg mit dem Flickenteppich
Um die großen Ziele innerer Erneuerung im Sinne von „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ verwirklichen zu können, musste erst einmal der bunte Flickenteppich von mehr als 300 weltlichen und geistlichen Herrschaften im Reich entsorgt werden. Die Zukunft gehörte dem nationalen Flächenstaat mit einem einheitlichen Rechts-, Wirtschafts- und Verwaltungsraum. Privilegien der alten Reichsverfassung waren mit dem Souveränitäts- und Einheitsanspruch der Reformer nicht mehr zu vereinbaren. Napoleon entwarf im Einvernehmen mit dem Zaren eine neue politische Landkarte für Deutschland. Als Dreh- und Angelpunkt der jahrelangen Verhandlungen unter den Reichsständen tat sich der ehemalige Bischof von Autun und genialste Diplomat seiner Zeit, Charles Maurice de Talleyrand, hervor. Nur die Habsburger in Wien zögerten. Denn die geistlichen Fürstentümer und die kleinen weltlichen Reichsstände dienten als die letzten zuverlässigen Stützen kaiserlicher Politik. Aber der Siegeszug französischer Waffen war unaufhaltsam, der Reformstau im Reich immer drückender, die französische Land- und Besitzverheißung für gestärkte Mittelstaaten immer lockender.
Selbst die katholische Aufklärung ließ sich von der Vorstellung leiten, dass die hohen kirchlichen Ämter nicht mehr nach Geburt, sondern nach geistlicher Berufung zu besetzen seien. Denn der Hochadel nutzte rund 720 Domherrenstellen im Reich als Bastionen dynastischer Macht. Einige Familien betrachteten Bischofsstühle gleichsam als Familienbesitz – oft zum Kummer des Papsttums. Am 25. Februar 1803 billigten endlich die wichtigsten Reichsstände in Regensburg, dem Sitz des Reichstags, den Grundsatz der Entschädigung für linksrheinische Gebietsverluste. Kirche und die kleinen weltlichen Reichsstände hatten die Opfer zu bringen. Bayerische Diplomaten hatten zuvor noch zwei Paragrafen in das Gesetzeswerk, bekannt unter dem Wortungetüm „Reichsdeputationshauptschluss“, hineingeschmuggelt. Danach war den begünstigten Staaten auch die Säkularisation von Kirchengut freigestellt.
Der große Reibach begann. Bayern holte vor allem bei der Aufhebung und Enteignung landsässiger Klöster reichlich nach, was andere Staaten vorgemacht hatten. München musste allerdings mit dem enttäuschend geringen Erlös der klösterlichen Liegenschaften – Überangebot verdirbt die Preise – sein Staatssäckel stopfen. Die vielen Kriege hatten nämlich tiefe Löcher gerissen. Auch hatte der Staat Pensionen an 4469 Mönche, Chorherren und Nonnen – mehr als die Hälfte des geistlichen Standes – zu zahlen, so weit sie nicht in die Seelsorge oder Schulbildung als Weltgeistliche integriert werden konnten. Noch heute trägt der Staat als Rechtsnachfolger von Klöstern die Baulast von Kirchen, noch heute muss er finanzielle Leistungen für Bischofssitze erbringen.
Vor allem die Bettelorden
Schon 1796 hatte Montgelas in seiner Ansbacher Denkschrift einen Plan zur Säkularisierung der bayerischen Klöster entworfen. Ins Visier des Aufklärers waren vor allem die Bettelmönche wie Franziskaner und Kapuziner geraten: Die Mönche fielen „zur Last“, da sie auf Kosten der Gesellschaft lebten und das Licht der Aufklärung durch „Unwissenheit und Aberglauben“ verdunkelten. Der damalige Papst setzte dem Bestreben nach Säkularisation nur wenig entgegen. Pius VI. quälten andere Sorgen. Nach dem Verlust des Kirchenstaats war er selbst als Souverän bedroht.
Die Säkularisation von 1803 war der Auftakt zu einer großen Flurbereinigung der politischen Herrschaftsverhältnisse. Geistliche Fürstentümer, unabhängige Kleinstaaten von Ritterschaft und Städten verschwanden auf der Landkarte. Der Fortschritt vom Konfessionsstaat zum liberal-paritätischen Rechtsstaat war gewiss ein Gebot der Zeit. In Bayern gehörten über die Hälfte aller Bauernhöfe zu klösterlichen Grundherrschaften. Dennoch änderte sich zunächst wenig, als mit der Vermögenssäkularisation 1803 der Staat Grundherr wurde. Die Klosterbauern besaßen meist das Erbrecht und dachten nicht daran, dem Staat hohe Ablösesummen für den endgültigen Erwerb ihres Besitzes zu zahlen.
Damals wurden die Fundamente Bayerns gelegt, das jetzt erst nach Schwaben und Franken ausgriff. Aber das Land hatte auch schwer daran zu tragen, dass es nun keine Orden mehr gab, die Bildungseinrichtungen wie Gymnasien, Universitäten und Priesterseminare unterhielten. Besonders hart waren ländliche Gebiete getroffen, wo die Strahlkraft der klösterlichen Kulturzentren erlosch. So wurde das Benediktinerkloster Wessobrunn, dem mit dem „Wessobrunner Gebet“ um 800 das älteste deutsche Sprachdenkmal zu verdanken ist, damals auf Abbruch verkauft. Und die Wieskirche, heute viel bewundertes Weltkulturerbe, entging dem Abriss nur, weil einheimische Bauern, mit einem sichereren Kunstgespür als die Münchner Bürokraten, beim Landesherrn ein geneigtes Ohr fanden.
Kirchensteuer
In Deutschland haben die Kirchen das von der Verfassung gesicherte Recht, von ihren Mitgliedern Kirchensteuern zu erheben. Die Steuer ist die wichtigste Finanzquelle zur Wahrnehmung kirchlicher Aufgaben in Seelsorge und Sozialbereich. Die Höhe richtet sich in der Regel nach der Einkommenssteuer. Der „Kirchensteuerhebesatz“ beträgt in Bayern, Baden-Württemberg, Bremen und Hamburg acht und in den übrigen Bundesländern neun Prozent der gezahlten Einkommenssteuer. 2001 betrug das Kirchensteueraufkommen der katholischen Kirche in Deutschland 8,52 Milliarden Mark (4,36 Milliarden Euro), für die evangelische Kirche etwas weniger. Die Kirchensteuer wird aus Kostengründen vom Staat eingezogen; er erhält für diesen Dienst drei Prozent des Aufkommens.
Neben den Kirchensteuern ihrer Mitglieder beziehen die Kirchen auch so genannten altrechtlicheStaatsleistungen (siehe Beitrag „Der große Reibach“). Davon zu unterscheiden sind die freiwilligen Fördermaßnahmen (Subventionen), zu denen etwa Zuschüsse im Alten-, Sozial- und Jugendbereich, die Finanzierung der Militärseelsorge, der theologischen Lehrstühle sowie des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen gehören. Heute bilden die ins Grundgesetz übernommenen staatskirchenrechtlichen Regelungen der Weimarer Reichsverfassung die rechtliche Grundlage für die Kirchenfinanzierung. So gehört auch die Ablösung – mithin Ersetzung, nicht Streichung – der Staatsleistungen zum Verfassungsauftrag.
Von Frankreich ausgehend
Die kirchliche Inquisition hatte früher noch feierliche Bücherverbrennungen veranstaltet. Ihr staatliches Pendant vergaß trotz des kulturkämpferischen Eifers nicht, neue Quellen für den Fiskus sprudeln zu lassen. Bücher, die nicht als Gewinn für die Magazine der Münchner Zentralbibliothek erschienen, wanderten einfach in eine Papierfabrik. Nicht nach Stückzahl, sondern zentnerweise verkauft, wurden sie eingestampft und als Rohmaterial der Wiederverwertung zugeführt. Barbarische Exzesse waren üblich, um um jeden Preis möglichst schnell Kulturgut zu verscherbeln: Wegen „abergläubischer“ Darstellungen wurden Barockgemälde zu Brennholz geschlagen oder Hunderte von Kelchen und Monstranzen zu Transportzwecken zusammengestampft und zur Metallschmelze abgefahren.
Motor des Fortschritts war das revolutionäre Frankreich. Seit der Besetzung des linken Rheinufers wurde dort das Ziel verfolgt, die geistlichen Territorien zu säkularisieren und mit der Liquidationsmasse die betroffenen Fürsten reichlich zu entschädigen. Ganz im Geist der Aufklärung forderten die Befürworter radikaler Reformen wie der bayerische Staatsmann Graf Maximilian Joseph Montgelas: „Gleichmäßigere Vertretung des Volkes, Ausdehnung der wesentlichen Menschenrechte auf alle Klassen der Gesellschaft, gleiche Steuerpflicht.“
Weg mit dem Flickenteppich
Um die großen Ziele innerer Erneuerung im Sinne von „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ verwirklichen zu können, musste erst einmal der bunte Flickenteppich von mehr als 300 weltlichen und geistlichen Herrschaften im Reich entsorgt werden. Die Zukunft gehörte dem nationalen Flächenstaat mit einem einheitlichen Rechts-, Wirtschafts- und Verwaltungsraum. Privilegien der alten Reichsverfassung waren mit dem Souveränitäts- und Einheitsanspruch der Reformer nicht mehr zu vereinbaren. Napoleon entwarf im Einvernehmen mit dem Zaren eine neue politische Landkarte für Deutschland. Als Dreh- und Angelpunkt der jahrelangen Verhandlungen unter den Reichsständen tat sich der ehemalige Bischof von Autun und genialste Diplomat seiner Zeit, Charles Maurice de Talleyrand, hervor. Nur die Habsburger in Wien zögerten. Denn die geistlichen Fürstentümer und die kleinen weltlichen Reichsstände dienten als die letzten zuverlässigen Stützen kaiserlicher Politik. Aber der Siegeszug französischer Waffen war unaufhaltsam, der Reformstau im Reich immer drückender, die französische Land- und Besitzverheißung für gestärkte Mittelstaaten immer lockender.
Selbst die katholische Aufklärung ließ sich von der Vorstellung leiten, dass die hohen kirchlichen Ämter nicht mehr nach Geburt, sondern nach geistlicher Berufung zu besetzen seien. Denn der Hochadel nutzte rund 720 Domherrenstellen im Reich als Bastionen dynastischer Macht. Einige Familien betrachteten Bischofsstühle gleichsam als Familienbesitz – oft zum Kummer des Papsttums. Am 25. Februar 1803 billigten endlich die wichtigsten Reichsstände in Regensburg, dem Sitz des Reichstags, den Grundsatz der Entschädigung für linksrheinische Gebietsverluste. Kirche und die kleinen weltlichen Reichsstände hatten die Opfer zu bringen. Bayerische Diplomaten hatten zuvor noch zwei Paragrafen in das Gesetzeswerk, bekannt unter dem Wortungetüm „Reichsdeputationshauptschluss“, hineingeschmuggelt. Danach war den begünstigten Staaten auch die Säkularisation von Kirchengut freigestellt.
Der große Reibach begann. Bayern holte vor allem bei der Aufhebung und Enteignung landsässiger Klöster reichlich nach, was andere Staaten vorgemacht hatten. München musste allerdings mit dem enttäuschend geringen Erlös der klösterlichen Liegenschaften – Überangebot verdirbt die Preise – sein Staatssäckel stopfen. Die vielen Kriege hatten nämlich tiefe Löcher gerissen. Auch hatte der Staat Pensionen an 4469 Mönche, Chorherren und Nonnen – mehr als die Hälfte des geistlichen Standes – zu zahlen, so weit sie nicht in die Seelsorge oder Schulbildung als Weltgeistliche integriert werden konnten. Noch heute trägt der Staat als Rechtsnachfolger von Klöstern die Baulast von Kirchen, noch heute muss er finanzielle Leistungen für Bischofssitze erbringen.
Vor allem die Bettelorden
Schon 1796 hatte Montgelas in seiner Ansbacher Denkschrift einen Plan zur Säkularisierung der bayerischen Klöster entworfen. Ins Visier des Aufklärers waren vor allem die Bettelmönche wie Franziskaner und Kapuziner geraten: Die Mönche fielen „zur Last“, da sie auf Kosten der Gesellschaft lebten und das Licht der Aufklärung durch „Unwissenheit und Aberglauben“ verdunkelten. Der damalige Papst setzte dem Bestreben nach Säkularisation nur wenig entgegen. Pius VI. quälten andere Sorgen. Nach dem Verlust des Kirchenstaats war er selbst als Souverän bedroht.
Die Säkularisation von 1803 war der Auftakt zu einer großen Flurbereinigung der politischen Herrschaftsverhältnisse. Geistliche Fürstentümer, unabhängige Kleinstaaten von Ritterschaft und Städten verschwanden auf der Landkarte. Der Fortschritt vom Konfessionsstaat zum liberal-paritätischen Rechtsstaat war gewiss ein Gebot der Zeit. In Bayern gehörten über die Hälfte aller Bauernhöfe zu klösterlichen Grundherrschaften. Dennoch änderte sich zunächst wenig, als mit der Vermögenssäkularisation 1803 der Staat Grundherr wurde. Die Klosterbauern besaßen meist das Erbrecht und dachten nicht daran, dem Staat hohe Ablösesummen für den endgültigen Erwerb ihres Besitzes zu zahlen.
Damals wurden die Fundamente Bayerns gelegt, das jetzt erst nach Schwaben und Franken ausgriff. Aber das Land hatte auch schwer daran zu tragen, dass es nun keine Orden mehr gab, die Bildungseinrichtungen wie Gymnasien, Universitäten und Priesterseminare unterhielten. Besonders hart waren ländliche Gebiete getroffen, wo die Strahlkraft der klösterlichen Kulturzentren erlosch. So wurde das Benediktinerkloster Wessobrunn, dem mit dem „Wessobrunner Gebet“ um 800 das älteste deutsche Sprachdenkmal zu verdanken ist, damals auf Abbruch verkauft. Und die Wieskirche, heute viel bewundertes Weltkulturerbe, entging dem Abriss nur, weil einheimische Bauern, mit einem sichereren Kunstgespür als die Münchner Bürokraten, beim Landesherrn ein geneigtes Ohr fanden.
Kirchensteuer
In Deutschland haben die Kirchen das von der Verfassung gesicherte Recht, von ihren Mitgliedern Kirchensteuern zu erheben. Die Steuer ist die wichtigste Finanzquelle zur Wahrnehmung kirchlicher Aufgaben in Seelsorge und Sozialbereich. Die Höhe richtet sich in der Regel nach der Einkommenssteuer. Der „Kirchensteuerhebesatz“ beträgt in Bayern, Baden-Württemberg, Bremen und Hamburg acht und in den übrigen Bundesländern neun Prozent der gezahlten Einkommenssteuer. 2001 betrug das Kirchensteueraufkommen der katholischen Kirche in Deutschland 8,52 Milliarden Mark (4,36 Milliarden Euro), für die evangelische Kirche etwas weniger. Die Kirchensteuer wird aus Kostengründen vom Staat eingezogen; er erhält für diesen Dienst drei Prozent des Aufkommens.
Neben den Kirchensteuern ihrer Mitglieder beziehen die Kirchen auch so genannten altrechtlicheStaatsleistungen (siehe Beitrag „Der große Reibach“). Davon zu unterscheiden sind die freiwilligen Fördermaßnahmen (Subventionen), zu denen etwa Zuschüsse im Alten-, Sozial- und Jugendbereich, die Finanzierung der Militärseelsorge, der theologischen Lehrstühle sowie des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen gehören. Heute bilden die ins Grundgesetz übernommenen staatskirchenrechtlichen Regelungen der Weimarer Reichsverfassung die rechtliche Grundlage für die Kirchenfinanzierung. So gehört auch die Ablösung – mithin Ersetzung, nicht Streichung – der Staatsleistungen zum Verfassungsauftrag.