Die anwesenden 15 Seelsorgerinnen und Seelsorger kamen aus zehn europäischen Ländern. Sie tauschten sich aus bei der Europatagung von ICCPPC, der Internationalen Kommission für katholische Gefängnispastoral. Organisiert hatte die Tagung Doris Schäfer, Seelsorgerin in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Würzburg und Europabeauftragte der ICCPPC.
Ein Problem der Kommission sei, dass es an Geld fehle, berichtet Schäfer. Auch deshalb habe sich Würzburg als Tagungsort angeboten. „In Würzburg konnten wir die Räumlichkeiten von Sant‘Egidio plus das technische Equipment für Übersetzungen und Online-Übertragungen nutzen. Außerdem habe ich hier Leute an der Hand – Ehrenamtliche der JVA und von Sant‘Egidio –, die Gäste bei sich zu Hause aufgenommen haben.“
Erfahrungen
Schäfer ist selbst Mitglied von Sant‘Egidio und seit September Europabeauftragte der Internationalen Kommission. Früher hatte sie in der Psychiatrieseelsorge gearbeitet und gute Erfahrungen mit Menschen gemacht, die infolge einer Sucht straffällig geworden waren und einen Teil ihrer Strafe in Therapie umwandeln konnten. Als 2011 bei der Würzburger JVA-Seelsorge eine Stelle frei war, griff sie gerne zu.
Beim ICCPPC-Treffen ging es unter anderem um den Krieg in der Ukraine. Aus Kiew war ein griechisch-katholischer Priester angereist, der Gefangene betreut. Er berichtete von Häftlingen und Gefängnisbediensteten, die bei russischen Angriffen ums Leben gekommen sind. Spannungen Die politischen Spannungen rund um den Ukraine-Krieg seien auch bei der Tagung der Gefängnisseelsorger spürbar gewesen, berichtet Schäfer. Neben dem Priester aus Kiew nahm ein russisch-orthodoxer Priester aus Belarus teil. Die Männer aus Belarus und der Ukraine gingen sich zunächst aus dem Weg. Der Priester aus der Ukraine lehnte es sogar ab, ins Russische übersetzte Tagungsdokumente zu nutzen, weil er mit der russischen Sprache nichts mehr zu tun haben wollte.
Ressentiments
„Das ist kein politisches Treffen, sondern ein religiöses“ – mit dieser Formel wirkte Schäfer den bestehenden Spannungen entgegen. Das habe gewirkt, die gegenseitigen Ressentiments hätten sich im Verlauf der Tagung abgebaut. „Ich habe gemerkt, wie schnell man auch als Kirchenmann in nationalistische Sprechweisen hineingeraten kann, aber dass es auch möglich ist, diese zu überwinden“, schlussfolgert sie.
Gründe für die Haft
Wer mit Häftlingen arbeitet, wird mit Armut konfrontiert. In Deutschland wie in anderen Ländern sind auffallend viele Menschen inhaftiert, die aus einfachen Verhältnissen stammen.
Nach Schäfers Erfahrung werden manche straffällig, weil sie kein Geld haben. Andere, weil sie nicht durchblicken, dass sie von anderen für Straftaten benutzt werden. Oder weil sie sich keinen guten Anwalt leisten können. „Wenn sie rauskommen, bräuchten sie ein anderes Milieu, um Fuß zu fassen, aber das haben sie nicht.“
Besonders in Deutschland verbreitet ist die Ersatzfreiheitsstrafe, die Schäfer als großes Problem einstuft. Wird eine Person beim Schwarzfahren erwischt, bekommt sie eine Geldstrafe, und wenn sie die nicht zahlen kann, eine Freiheitsstrafe als Ersatz. „Wer ein bisschen Geld hat, zahlt lieber, als ins Gefängnis zu gehen“, bekräftigt Schäfer. Anders gesagt: Wer kein Geld hat, hat das Nachsehen und kommt hinter Gitter. Ein Missstand aus Schäfers Sicht.
Körperliche Nähe
Bei der Tagung in Würzburg sprach auch ein entlassener Strafgefangener, ein Bekannter Schäfers aus der JVA. Er erzählte davon, wie wichtig es für ihn gewesen sei, während der Untersuchungshaft von einem Seelsorger ab und zu in den Arm genommen zu werden. Denn im Gefängnis gebe es sonst keine körperliche Nähe. Und Schäfer ergänzt: „Er hat gesagt, ein einziges freundliches Wort kann den ganzen Tag verändern und von einem freundlichen Satz zehrt man die ganze Woche, weil es so selten vorkommt.“
Ulrich Bausewein