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      In der Hofkirche der Residenz Würzburg ist der Bistumspatron gleich zweimal vertreten

      Der doppelte Kilian

      Die Hofkirche zählt zu den prunkvollsten Räumen der Würzburger Residenz, die am 22. Mai ihren 300. Geburtstag hätte feiern können. Gefeiert hat Balthasar Neumann in der 1743 zur Weihe der Hofkirche erschienenen Festschrift den regierenden Fürstbischof Friedrich Carl von Schönborn: Das Gotteshaus sei „eine alleinige Erfindung“ seines Dienstherrn – zeittypisches Fürstenlob. Ziel der Festschrift sei es, den „vielen jahrhunderten erst vorkommende nachfahren zu unserer verehrung und ihrer bewunderung“ einen Eindruck zu vermitteln, „wie sehr unser Franckhen in diesen jahren beglückht gewesen seye mit seinem obristen hirten, Fürsten-Vatter und Landsregenten, welcher, da er nichts als grosse thaten zu unternehmen pflegt und auszuführen wünscht, ein solches, wie in anderm allen also besonders in Herstellung diese Kostprächtigen residenz- und Hof-Kirch merckhlichst bethätiget und bekräftiget hat.“

      Überaus „prächtig“ wirkt das von 2009 bis 2012 von der Bayerischen Schlösserverwaltung renovierte Gotteshaus auch heute, trotz der Zerstörungen vom 16. März 1945. Sein Grundriss besteht – wie bei der 1736 vollendeten Schönbornkapelle – aus Ovalen: „In den langgestreckten achtachsigen Raumgrundriss trägt er (…) eine Gruppe von fünf Ovati auf: ein großes längsgerichtetes Ovato im Zentrum, zwei quergelagerte Außenovati, die das Mittelovato berühren, schließlich zwei flachere, quergerichtete Klammerovati über den Berührungspunkten“, schreibt der Kunsthistoriker Wilfried Hansmann in seiner 1999 publizierten Monographie über Balthasar Neumann.

      Die Wirkung des Raums bestimmen die Säulen und Pilaster entlang der Längswände der Kirche – ihre Aufgabe besteht laut Hansmann in der „Straffung“ der Ovale nach Art eines „Korsetts“. Für die Farbigkeit der Hofkirche setzt der Fürstbischof auf starke Kontraste: 1736 befiehlt er Hofmaler Johann Rudolf Byss, der bis zu seinem Tod mit Neumann die Hauptverantwortung für die Innenausstattung der Residenz trägt, im Gesims schwarzen und gelbbraunen Marmor einzusetzen, „weilen die ganze Kirch viel Weiß, Gold und hohe Farbe hat“.

      Im opulenten Einsatz von farbigem Stuckmarmor und vergoldetem Stuck zeigt sich der Einfluss des Wiener Hofarchitekten Johann Lucas von Hildebrandt, des Lieblingsarchitekten Fürstbischof Schönborns. 250 Jahre später wird Hansmann hierzu kritisch bemerken: „Neumanns Raumkonzeption wird durch die Farbgestaltung, vor allem durch die flirrende Wirkung des Goldes an den Stukkaturen Antonio Bossis, mehr verunklärt als verdeutlicht.

      Kostbar und prächtig

      Doch Friedrich Karl von Schönborn hat die Hofkirche kostbar und prächtig gewollt.“ Einen anderen Akzent setzt 1999 der Kunsthistoriker Jarl Kremeier: Er betont, dass nicht Hildebrandt, sondern Neumann entscheidend für die Innenausstattung der Hofkirche gewesen sei. Der Deutschböhme habe als Bauleiter vor Ort zusammen mit Byss, Stukkateur Antonio Bossi und Bildhauer Johann Wolfgang van der Auvera schließlich seine Pläne im Detail durchgesetzt: „Neumanns Hand ist in der Ausstattung immer dann unmittelbar zu spüren, wenn es um Proportionierung im Raum geht: etwa die Einpassung der Oratorien in die Zwischenovale, die Größenverhältnisse der Skulpturen, die Korrektur an der Linienführung der Altarempore oder der Wunsch, den zu groß geratenen Seitenaltar Hildebrandts auszuschalten“, so Kremeier. Er weist darauf hin, dass „plastische Empfinden“ die Würzburger Hofkünstler „vom eher flächigen Empfinden Hildebrandts“ unterscheide.

      Die Meinungen über den künstlerischen Wert der von Johann Rudolf Byss geschaffenen Fresken sind vor dem 16. März 1945 geteilt: Das 1923 erschienene Standardwerk von Richard Sedlmaier und Rudolf Pfister über die Residenz hebt hervor, „wie prachtvoll die Verteilung der Farbwerte in dem letzten großen Freskowerk des greisen Malers (…) der rhythmischen Festigkeit dieser chaotisch strömenden Farben- und Formenwelt dienstbar gemacht ist: ein lichtes Blau, das die ganze östliche Grenze der Mittelkuppel unter der Conceptio Mariae (der Darstellung von Mariä Empfängnis) erfüllt, reißt wie ein klarer Orgelton all die Nebenstimmen, die im Obergeschoß verwirrend tönen, zusammen“.

      Kühler Freskoton

      Der acht Jahre zuvor von Felix Mader publizierte Kunstdenkmälerband über Würzburg bewertet die Fresken hingegen als „gute(n) Schöpfungen mit etwas kühlem Freskoton“. Da die Gewölbefresken nach dem 16. März 1945 durch Regenwasser stark beschädigt werden, wird eine Restaurierung notwendig – laut Jarl Kre­meier kann man von einer „Neubemalung“ sprechen.

      Doppelt ist Kilian, der Schutzheilige des Bistums Würzburg, in der Hofkirche präsent: Das Fresko in der Altarraumkuppel zeigt den dramatischen Moment vor der Ermordung der drei Frankenapostel: Während der Diakon Totnan bereits zu Boden gesunken ist und den Dolch des Schergen abzuwehren versucht, erwartet Bischof Kilian im Bischofsornat und mit Bischofsstab in der rechten Hand auf den Knien scheinbar gelassen den tödlichen Hieb mit dem Schwert, das er ins Auge gefasst hat. Den Priester Kolonat – erkennbar am Kelch in seiner rechten Hand – hat ein dritter Scherge brutal zu Boden geworfen. Gleich wird er den Missionar erstechen.

      Eine Marmorfigur Kilians flankiert links den Hauptaltar – rechts steht der erste Bischof Burkard. Die Entscheidung, die beiden Bischöfe so prominent zu präsentieren, hat Fürstbischof Schönborn 1740 getroffen: „Mit der Wahl dieser beiden (Kilian und Burkard) hat der Fürstbischof dem Bilderkreis der Hofkirche nachdrücklich eine histori­sierende Richtung gegeben: Das Martyrium Kilians und die Bistumsgründung durch Burkard (…) wurden anschaulich ­gemacht“, so ­Kremeier.

      Maria, Kilian und Burkard

      Über ein anderes, in das Ensemble des Hauptaltars gleichermaßen eingebundenes Kunstwerk schreibt der Kunsthistoriker Stefan Kummer begeistert in seiner 2011 erschienenen Kunstgeschichte der Stadt Würzburg von 800 bis 1945: „Das bei weitem bedeutendste Einzelwerk der Ausstattung ist die Stuckstatue der Immaculata vom bischöflichen Privataltar auf der Empore über dem Hauptaltar; den höchst dekorativen Aufbau mit dem prachtvollen Goldvorhang – Vorgeschmack auf den Kaisersaal! –, den Engel öffnen, um den Blick auf die Jungfrau und die heilige Dreifaltigkeit darüber frei zu geben, schuf Antonio Bossi samt allen Figuren in den Jahren 1734–1738.“

      In der letzten Ausstattungsphase habe laut Kremeier noch einmal das historisch-legitimierende Denken gewirkt, denn auch an der Festungskirche, der ehemaligen Hofkirche, seien Maria, Kilian und Burkard am Portal dargestellt. Damit werde die Kontinuität geistlicher und weltlicher Herrschaft deutlich ausgedrückt: „Man stelle sich vor, wie Friedrich Karl als amtierender Fürstbischof in pontificalibus am Haupaltar im Angesicht seiner heiligen Vorgänger die Messe zelebrierte“, so Kremeier.

      Das Ergebnis der 1745 beendeten Arbeiten charakterisiert Karl Kremeier so: „Gewölbefresken, vergoldeter und weißer Stuck, bunter Stuckmarmor und echter Marmor und die weißen marmornen Skulpturen oder Glanzstuck schaffen zusammen ein reich abgestuftes Raumbild, das zu den bedeutendsten Farbräumen des Barock gehört.“          

      Stefan W. Römmelt