Wussten Sie, welche Werte und Ziele in der Antike als erstrebenswert galten? Das Schöne, das Wahre und das Gute. Erst wenn ein Mensch nach diesem Dreiklang sucht, kann – so der Philosoph Sokrates – Leben gelingen. Was hat das heute mit Ihnen zu tun? Jede Menge, daher diesmal ein paar Worte zum Schönen. Zunächst, was hat mit Schönheit nichts zu tun? Geschmack zum Beispiel ist subjektiv. Ob ein Mensch attraktiv auf einen wirkt oder nicht, auch. Kitschig sind Plastikblumen oder volkstümlich anmutende Lieder und Kuckucksuhren, produziert für Touristen − seelenlose Effekthascherei.
Doch Schönheit, über Jahrhunderte Leitstern von Kunst, Literatur und Musik, ist in hohem Maße objektiv und folgt Regeln. Es wird kaum jemanden geben, dem der Anblick einer Kathedrale oder einer Rose nicht ein „Oh, wie schön“ entlocken würde. Was haben diese Dinge gemeinsam? Schönheit ruft uns Menschen tief im Innern an, sie ist großzügig, detailverliebt und scheint einer gewissen Ordnung zu folgen. Formen und Ornamente einer Kathedrale sind um ihrer selbst willen schön und verweisen auf etwas Höheres. Farbe und Duft einer Rose betören und verschenken sich ganz unverzweckt, ihren Wert erhalten sie aus ihrem bloßen Dasein. In einer Zeit, in der Eleganz aus dem Alltag verschwindet, Plattenbau die Städte dominiert, Vorgärten den Charme einer Kiesgrube versprühen und Wohnungen minimalistisch eingerichtet sind, sind Kirchen aufgerufen, das Bollwerk des Schönen zu sein. Halten wir an unseren Riten fest – sie leben vom Schönen, nähren unsere Seele, rufen uns an. Vernehmen wir mit allen Sinnen Weihrauch, sakrale Gesänge, strahlende Paramente und entrückte Abläufe. Sie bringen uns dem manchmal so fremden Gott ein Stück näher.
Galina Bauer