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      Psychotherapie und Seelsorge – beides bietet das Recollectio-Haus Münsterschwarzach

      Den ganzen Menschen sehen

      Psychotherapie und Seelsorge unterstützen sich gegenseitig im Recollectio-Haus der Benediktiner­abtei Münsterschwarzach. Es ist mit seinen Angeboten und Kursen offen für Kleriker, Ordensleute, kirchliche Mitarbeitende und spirituell Interessierte. Die meisten Gäste kommen, weil sie überlastet sind und auftanken oder in Zeiten des Umbruchs sich orientieren und reflektieren wollen.

      Jeder Gast hat während seines Aufenthaltes einen geistlichen Begleiter oder eine Begleiterin und einen Psychotherapeuten oder eine -therapeutin. Mit beiden führt er pro Woche ein Gespräch, um an sich und seinen Themen zu arbeiten. Die Dauer beträgt entweder vier oder neun Wochen pro Kurs. Anders als in ambulanten Therapien oder Kliniken gehören hier auch Gottesdienste zum Programm.

      Geistliches Programm

      „Das ist für mich überhaupt kein Gegensatz. Psychotherapie und Seelsorge bereichern sich gegenseitig, wenn unterschiedliche Perspektiven ein Thema beleuchten“, erklärt die Leiterin des Hauses, Psychotherapeutin Dr. Corinna Paeth.

      Der Ansatz im Recollectio-Haus ist ganzheitlich. Der Mensch wird mit all seinen Bedürfnissen und seiner Lebensform in den Blick genommen. Wenn bei einem Priester nachts das Telefon klingelt, weil jemand im Sterben liegt, dann hilft ihm der Ratschlag eines Therapeuten, jeden Stress zu vermeiden und deshalb das Telefon auszuschalten, wenig. „Für andere Menschen da zu sein ist ja eine der grundlegendsten Aufgaben von Menschen im pastoralen Dienst“, so Paeth. Die Therapeutinnen im Haus kennen die besondere Lebensform der Seelsorgenden und berücksichtigen sie.

      Auch wenn Psychotherapie und Seelsorge keine Gegensätze sind, gibt es Grenzen. So können die geistlichen Begleiter keine Psychotherapien anwenden. Dazu fehlt ihnen die fachliche Ausbildung. Umgekehrt sagt Paeth: „Ich bin keine geistliche Begleiterin. Wenn es um Kernfragen des geistlichen Lebens geht, komme ich an meine Grenzen und verweise an den geistlichen Begleiter.“

      Verschiedene Perspektiven

      Aber nicht immer lassen sich beide Felder klar trennen. Wenn ein pastoraler Mitarbeiter mit einem Seelsorger oder einer Seelsorgerin bespricht, dass er spirituell ausgetrocknet sei, dann kann das verschiedene Gründe haben: die herausfordernde Identifikation mit der katholischen Kirche, Missbrauchskrise, Kirchenaustritte. „Es gibt viele Themen, die belasten und zu diesem spirituellen Austrocknen führen können. Das lässt sich auch in therapeutischen Gesprächen benennen, wobei der Psychotherapeut eher die Depressivität oder die auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren in den Blick nimmt“, erklärt Paeth.

      Für die Gäste kann es befreiend sein, dass ihr spirituelles Leben in Münsterschwarzach nichts Ungewöhnliches ist. Paeth kennt pastorale Mitarbeitende, die sich nicht in eine ambulante oder stationäre Psychotherapie begeben, aus Angst, stigmatisiert oder nicht verstanden zu werden. „Hier ist das anders. Alle Gäste haben einen ähnlichen Hintergrund und wir haben die Erfahrung. Wir können hier offen über den persönlichen Glauben, das Gottesbild und das Glaubensleben sprechen.“

      Für das Team in der Psychotherapie ist das Recollectio-Haus ein außergewöhnlicher Arbeitsplatz. Wichtig sei hier, so Paeth, dass man eine Neugierde für das Gegenüber mitbringt und eine innere Bereitschaft, sich auf Themen einzulassen, die in einer psychotherapeutischen Praxis seltener auf der Agenda stehen. Im Recollectio-Haus muss die besondere Lebens- und Arbeitsform der Gäste berücksichtigt werden. Gelingt dies, können sich Psychotherapie und Seelsorge gegenseitig bereichern. Zum Wohl und für die Gesundheit ihrer Gäste.

      Alexandra Thätner