Vier „Urgesteine aus der Mission“ haben wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, in den vergangenen Monaten vorgestellt. Die Patres Witmar Metzger, Odo Haas, Polykarp Uehlein und Siegfried Hertlein aus der Benediktinerabtei Münsterschwarzach haben ihr ganzes Leben in den Dienst der Mission gestellt. Unermüdlich haben sie die christliche Frohbotschaft zu den Menschen gebracht, Missionsstationen errichtet, Abteien in Tansania und Südkorea zur Blüte verholfen, Kirchen und Klöster gebaut und die Bibel in farbenfrohe Bilder übersetzt.
50 Jahre sind vergangen, seit diese Pioniere der Missionsarbeit nach Afrika und Asien ausgesandt wurden. Mittlerweile ist der Katholikenanteil in vielen afrikanischen und asiatischen Ländern höher als in manchen Gegenden Deutschlands. Aus kleinen, zarten Pfarrei-Pflänzchen sind große und selbstständige Diözesen geworden. Ist Mission da überhaupt noch ein Thema? Macht es noch Sinn, Ordensmänner aus Europa in die Mission zu schicken? Und wenn ja, welche Ziele kann moderne Mission haben?
„Mission Exposure“
Vor solchen Fragen stehen viele missionierende Orden und Gemeinschaften. Die Kongregation der Missionsbenediktiner von St. Ottilien, zu der die Abtei Münsterschwarzach gehört, hat sich diesem Thema gestellt und 2010 das Projekt „Mission Exposure“ aus der Taufe gehoben. Die ungewöhnliche Wortkombination bedeutet so viel wie „Missionarisches Ausgesetztsein“ oder „Konfrontation mit der Mission“. Junge Missionsbenediktiner sollen hier die Gelegenheit bekommen, über den eigenen Tellerrand zu schauen. Während eines fünfwöchigen Aufenthalts in einem der „klassischen“ Missionsgebiete können sie sich auf Spurensuche begeben und das missionarische Erbe ihrer Kongregation hautnah erleben. Durch das Mitleben in einer Gemeinschaft vor Ort soll außerdem ein Gefühl für Bedürfnisse und Ziele moderner Mission entstehen. Dass so etwas nicht ohne Erschütterungen abläuft, war den Initiatoren von vornherein klar: Grenzerfahrungen sind vorprogrammiert und gewollt. Im Sommer 2010 machten sich erstmals fünf junge Benediktinerbrüder mit zwei Begleitern auf Entdeckungsreise nach Tansania; unter ihnen Bruder Simeon Oberle und Bruder Thaddäus Beez aus Münsterschwarzach. Schon bei der Ankunft in Daressalam spürten die jungen Männer, dass nun sie die „Fremden mit Migrationshintergrund“ waren. In der ersten Woche besuchte die Gruppe historisch bedeutsame Orte wie die erste Missionsstation auf tansanischem Boden, die St.-Joseph-Cathedrale in Daressalam und die Gräber ermordeter und verstorbener Mitbrüder. Geschichte erlebt
„Es war eine Begegnung mit unserer eigenen Kongregationsgeschichte und eine Berührung mit den Quellen unseres Glaubens“, sagt Bruder Simeon. Mission sei für ihn bisher vor allem Geschichte gewesen: „Ein Zeitgeist, ein Ideal, das weit weg von mir und weit vor meiner Zeit existiert hat – eine christliche Bewegung, die aus der Mode gekommen zu sein schien“. Vor Ort hingegen sei die Kongregationsgeschichte für ihn nah und lebendig geworden: „Ein Erbe wurde spürbar, dessen segensreiche Frucht noch heute fortwirkt“. Den zweiten Teil der Reise verbrachten die Benediktiner im Priorat Mwimwa, wo sie als gleiche unter gleichen mitleben und Afrika erleben konnten. Trotz allen Gemeinschaftsgefühls kam es auch hier immer wieder zu Grenzerfahrungen: „Europäisches zielorientiertes Denken und Arbeiten trifft afrikanische Flexibilität und Improvisationsgabe“, nennt Bruder Thaddäus einen Punkt. Bei Besuchen in Dörfern und Schulen stellten die Brüder immer wieder fest, wie „hart und ungerecht“ das Leben in Afrika sein kann. „Nicht jeder Mensch hat gleich gute Startmöglichkeiten. Ein gutes Leben, eine gute Zukunft ist von Geld und der Möglichkeit auf Bildung abhängig. Es bleibt für mich weiterhin unakzeptabel, dass fehlende gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen ein Leben so beeinflussen können“, sagt Bruder Thaddäus. Vor allem aber erfuhren die fünf Europäer in Afrika viel Weite, große Gastfreundschaft und einen lebendigen christlichen Glauben. „Für die Menschen in Tansania ist Gott allgegenwärtig, der Glaube ist auf eine natürliche Art und Weise verinnerlicht. Er ist nichts Abstraktes, er wird gelebt“, berichtet Bruder Thaddäus. Für Bruder Simeon war es wichtig zu erkennen, dass es im Grunde immer das benediktische „ora et labora“ ist, was den Missionserfolg sichert. „Man findet keine Kirche, wo nicht auch von den Benediktinern eine Schule gebaut wurde. Die Werkstätten der Abtei dienen immer zugleich als Ausbildungsstätten für Lehrlinge verschiedenster handwerklicher Fachrichtungen. Religion und Bildung, Gebet und Arbeit gehen Hand in Hand. Gleiches gilt für den Gesundheitssektor, das Sozialwesen, die Nahrungs- und Energieversorgung.“ Erkundung in Südkorea
Aufgrund vieler positiver Rückmeldungen schickte man auch im Jahr 2011 mehrere Nachwuchsmissionare auf Reisen. Diesmal verbrachten acht junge Mitbrüder aus verschiedenen Abteien fünf Wochen in Südkorea; einer von ihnen war Bruder Isaak Grünberger aus Münsterschwarzach. Der empfand die Ankunft in Waegwan im Südosten des Landes wie ein Nach-Hause-Kommen, und das, obwohl fast elf Flugstunden zwischen Frankfurt und Seoul liegen. „Mir wurde bewusst, in welch weltumspannender Gemeinschaft ich lebe“, kommentiert er. Die erste Zeit verbrachte die Gruppe in der heute 130 Mönche zählenden Gemeinschaft von Waegwan und entdeckte dabei die Früchte jahrzehntelangen missionarischen Wirkens: So habe beispielsweise ein Mitbruder aus der Schreinerei begeistert erzählt, was er einst in Münsterschwarzach gelernt hat und wie ihm dies bis heute zugute kommt. In der Druckerei lief gerade ein Buch von Pater Anselm Grün vom Band – einem der meistgelesenen spirituellen Autoren in Südkorea, wie Bruder Isaak sagt. Anschließend ging es auf eine Reise quer durch Südkorea; die Gruppe besuchte verschiedene christliche Gemeinschaften, das alte Seminar in Seoul und verbrachte zwei Tage im ältesten buddhistischen Tempel Koreas. Bei einem Gottesdienst in der Kathedrale von Seoul kamen sie aus dem Staunen nicht mehr heraus: „Der Gottesdienst war voller junger Menschen, die mit echter Begeisterung mitgesungen und mitgebetet haben“, erzählt Bruder Isaak. Überhaupt sei Kirche in Korea „alles andere als priesterzentriert, sondern alle sind Volk Gottes“. Tür an Tür
Egal ob Afrika oder Asien – eines wurde allen Teilnehmern von „Mission Exposure“ klar: „Die Benediktiner tun auch heute noch genau das, was die Missionare schon von Anfang an predigten: ‚Damit Gott in allem verherrlicht werde!’ Benediktiner arbeiten zusammen mit den Menschen – sie leben Tür an Tür mit ihnen und teilen mit ihnen ihren Lebensalltag“, resümiert Bruder Simeon. Er hat die Kongregation als benediktinische Weggemeinschaft erlebt, die über kulturelle Grenzen hinweg lebt und wirkt. Zum Stolz „auf das Wirken und den Mitaufbau kirchlicher und gesellschaftlicher Strukturen durch unsere Mitbrüder“ (Bruder Thaddäus) gesellt sich die Erkenntnis, dass die Ziele von Mission trotz sich wandelnder Formen und Rahmenbedingungen letztlich gleich bleiben: „Das Wort Gottes verkünden durch das Zeugnis des benediktinischen ‚ora et labora’ und ein Bruder für die Menschen zu sein, um sie zur Begegnung mit Jesus Christus zu führen.“