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    Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt...

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    Das Leiden Jesu und der Sieg über den Tod

    Über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten zog sich die Restaurierung und Rekonstruktion der Figuren des in „Holz geschnitzten Passionstheaters“ in der Ölbergkapelle der ehemaligen Klosterkirche St. Ulrich und Afra in Kreuzlingen/Bodensee (Schweiz) hin. Ein Schwelbrand hatte sich 1963 bei Schweißarbeiten im Dachstuhl des Klostertraktes entwickelt, der still und leise das Inferno entfachte. Die Zeiger der Turmuhr waren auf 2.40 Uhr stehen geblieben, als der Glockenstuhl samt tonnenschwerer Glocke ins Kirchenschiff stürzte.
    In dieser Größe, in dieser Geschlossenheit und in dieser Ausstrahlungskraft ist es wohl einmalig: das in „Holz geschnitzte Passionstheater“ in der Ölbergkapelle der ehemaligen Klosterkirche St. Ulrich und Afra in Kreuzlingen/Bodensee (Schweiz). 320 Figuren erzählen in 16 Szenen von den letzten Tagen im Leben Jesu. Kaum auszudenken: Um ein Haar wären die aus Zirbelholz geschnitzten Figuren in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 1963 Opfer des verheerenden Klosterbrandes geworden. Die Kreuzlinger Ölbergkapelle mit ihrem figurenreichen Kalvarienberg – eine Passionsgeschichte im doppelten Sinne.

    War es eine vom Kreuz ausgehende Kraft gewesen, die darauf eingewirkt hat, dass das Inferno den größten Teil der 320, etwa 30 Zentimeter großen Figuren verschonte? Nicht wenige Menschen schreiben diese Kraft dem spätmittelalterlichen Kruzifix zu, das in der Hauptachse der Kapelle steht und die etwa 30 Quadratmeter große Kalvarienbergszenerie überragt. Wie durch ein Wunder war das Kruzifix beim Brand im Jahre 1963 – wie zuvor schon bei den Bränden von 1499 und 1633 – vom Feuer verschont geblieben. Symbolhaft ragte es – mahnend und trostspendend zugleich – aus dem Schuttberg des eingestürzten Gewölbes heraus. Das Feuer hatte dem Gekreuzigten auch diesmal im wahrsten Sinne des Wortes nahezu kein Haar gekrümmt. Nur wenige der aus Flachs bestehenden Haupthaare der Christusfigur waren angesengt – während das aus Buchen und Eichenstöcken kunstvoll gestaltete Bergwerk (überzogen mit Gips, farblich gefasst und mit Glasstaub und Glimmer verziert) des Konstanzer Stuckateurs  Innozens Beck unter Schutt und Asche begraben lag.

    Mut zum Wiederaufbau

    Wie hatte es zu diesem Unglück kommen können, stand man doch kurz vor dem Abschluss einer aufwändigen Restaurierung? Ein Schwelbrand hatte sich bei Schweißarbeiten im Dachstuhl des Klostertraktes entwickelt, der still und leise das Inferno entfachte. Die Zeiger der Turmuhr waren auf 2.40 Uhr stehen geblieben, als der Glockenstuhl samt tonnenschwerer Glocke ins Kirchenschiff stürzte. Innerhalb kürzester Zeit verrichtete der Feuerteufel sein grausiges Werk in einer der bedeutendsten Schweizer Barockkirchen. Zurück blieb eine ausgebrannte Hülle. Hätte man die Kirche samt Kloster eingerissen, so manch einer hätte es womöglich verstanden. Die Eidgenossen jedoch steckten nicht auf. Zu Weihnachten hatte sich die Gemeinde bereits ein Kirchendach geschenkt. Und die Finanzierung des auf sechs Millionen Franken veranschlagten Wiederaufbaus war im Frühjahr 1964 unter Dach und Fach; gut vier Jahre später konnte die Kirche wieder geweiht werden.

    Havarierte Figuren

    Über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten hingegen zog sich die Restaurierung und Rekonstruktion der Figuren des Passionstheaters hin. Mit ihrer „Auferstehung“ betraute man den Kreuzlinger Bildschnitzer Hermann Kohler. Zuvor aber galt es die heikle Frage zu klären, ob man die havarierten Figuren nicht einfach ohne Ergänzungen belässt. „Sicher hätten viele der Torsi die Strahlungskraft besessen, als Fragment stellvertretend für das verlorene Ganze zu wirken“, sagte einst der mit der Aufgabe des Wiederaufbaus betraute Denkmalpfleger Albert Knoepfli. 44 Figuren waren völlig vernichtet, andere angekokelt. Die Wiederaufbau-Kommission entschied sich für die Rekonstruktion. Bei dieser diffizilen Arbeit konnte sich der Schnitzer auf großformatige Fotos von Figurengruppen und von Einzelfiguren stützen, die um die Wende zum 20. Jahrhundert vom Konstanzer Hoffotografen Wolff gemacht worden waren. In die Sockel eingeschlagene Metallnummern erleichterten obendrein die Zuordnung der Figuren.

    Brot und Mehl als Kaufpreis
    Gegen eine wöchentliche Lieferung von Brot und Mehl aus der Klosterbäckerei hatte 1759 Jakob Hoffner aus Konstanz dem Kloster die von ihm erworbenen Figuren überlassen. 4000 Gulden soll der Kunstschmied und Schöpfer der kunstvollen Chorgitter der Kirche für sie bezahlt haben. Dem Kloster kam die Aufwertung ihrer seit 1650/53 bestehenden Heiligkreuzkapelle zupass, erhoffte man sich doch einen noch intensiveren Zustrom von Pilgern zum wundertätigen Kreuz.

    Barockes Gesamtkunstwerk
    „In Beziehung zum Kreuz steht auch das Deckengemälde von Franz Ludwig Herrmann. Es zeigt Mose und die Errichtung der ehernen Schlange. Als das Volk sich gegen Gott und Moses aufgelehnt hatte, stifteten giftige Schlangen Unheil. Wer dann aber bereute und die Schlange ansah, blieb am Leben (Num 21,4-9). Darauf beziehen sich die Worte Jesu: ‚Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn (am Kreuz) erhöht werden, damit jeder, der glaubt, in ihm das ewige Leben hat (Joh 3,14)‘“, heißt es in dem von Schnell & Steiner 2006 herausgegebenen Führer. Die Kreuzlinger Ölbergkapelle erweist sich somit als ein barockes Gesamtkunstwerk, das die Botschaft von der Auferstehung Christi auf wunderbare Weise visualisiert.