„Das kann man wohl sagen!“, schießt es dem Besucher durch den Kopf. Schon beim Betreten des alten Klosterareals fühlt sich dieser in eine andere Welt versetzt: Während auf der Mainaustraße der Verkehr vorbeirauscht, herrscht hinter dem mächtigen Eingangstor eine zutiefst klösterliche Atmosphäre von wohltuender Einfachheit und Stille. Ein Gefühl, das nicht von ungefähr kommt – war doch Himmelspforten schon immer ein Ort von Gebet, Einkehr und Besinnung.
Klosterort seit 1231
Im Jahr 1231 gründete der Würzburger Bischof Hermann von Lobdeburg in Himmelstadt ein Zisterzienserinnenkloster, das die Schwestern jedoch 1248 wieder verließen, um sich in Schönau bei Gemünden am Main niederzulassen. 1250 verlegten die Frauen ihren Konvent dann in die Schottenauen bei Würzburg, und obwohl dieser in den folgenden Jahrhunderten immer wieder zerstört wurde, konnte er sich im Auf und Ab der Zeiten behaupten. Das Ende kam wie überall mit der Säkularisation: 1804 mussten die 35 letzten Zisterzienserinnen Himmelspforten verlassen, in den Gebäuden wurde ein Militärlazarett, später eine Tabak- und Farbenfabrik untergebracht. Die Rückbesinnung auf klösterliches Leben kam 1844, als hier das erste Karmelitinnenkloster Deutschlands nach der Säkularisation gegründet und von Österreich aus besiedelt wurde. Weil jedoch die Ordensregel die Größe eines Karmels auf 21 Schwestern beschränkt, konnten diese die ausgedehnte Zisterze, die auf 140 Schwestern angelegt war, bald nicht mehr bewirtschaften. Die Nonnen erbauten sich deshalb 1925 innerhalb der alten Umfassungsmauern ein neues „Kloster im Kloster“. Der andere Teil des Geländes wurde der Diözese übergeben, die hier 1926 ein Exerzitienheim eröffnete, das heute weit über die Bistumsgrenzen hinaus bekannt ist.
Totale Abgeschiedenheit
Trotz der großen räumlichen Nähe kommen die derzeit 16 Schwestern in Himmelspforten jedoch kaum mit dem täglichen Tagungsbetrieb in Berührung. Denn mehr als andere Ordensgemeinschaften leben die Karmelitinnen in totaler Abge-schiedenheit: Verbindung nach draußen ist lediglich über die Pforte möglich, die selbstauferlegte Klausur wird nur zu Arztbesuchen verlassen. Mit dem Ordenseintritt haben sich die Schwestern ganz bewusst aus Welt und Familie gelöst: So hängte Schwester Petra vor 35 Jahren schweren Herzens den Lehrerberuf an den Nagel, verabschiedete sich vom Tanzparkett, und auch die Tatsache, dass sie die Familie nicht besuchen kann, fällt ihr manchmal schwer. „Und doch“ – und da leuchten die Augen der gebürtigen Rheinländerin – „gibt es einen Anruf von oben, der einen wissen lässt: Das ist Dein Weg. Man spürt die Sehnsucht, Gott anders zu begegnen – und das ist jedes Opfer wert.“ Zum äußeren Zeichen für dieses neue Leben wählen sich die Schwestern auch einen neuen Familiennamen, der viel von der eigenen Berufung und Zielsetzung verrät: So erinnert der Zuname „von Christus dem Haupt der Kirche“ Schwester Petra täglich daran, dass sie im Dienst der Kirche steht.
Ein wichtiges Charakteristikum für die karmelitische Lebensweise ist auch die radikal gelebte Armut: So haben die Schwestern kein fließendes Wasser auf den Zimmern, tragen ausrangierte Kleidung auf und essen das, was sie geschenkt bekommen und im Garten gedeiht. Warum so radikal? „Armut braucht ein Gesicht“, erklärt Schwester Petra. „Wir wollen etwas spüren von der Einfachheit, die Jesus uns vorgelebt hat. Denn man ist eben nicht arm, wenn man alles hat.“
Sechs bis sieben Stunden täglich im Gebet vertieft
Für karmelitisches Leben prägend ist aber vor allem der zentrale Stellenwert des Gebets: Insgesamt sechs bis sieben Stunden sind die Schwestern täglich ins Gebet vertieft, ob nun im gemeinsamen Chorgebet in der ehemaligen Zisterzienserinnen-Kirche oder in Form geistlicher Lesung. Der ganze Tag soll so „durchzogen sein von der Möglichkeit, mit Gott in Verbindung zu treten“. Zwischen den Gebetszeiten wird auch gearbeitet: Im Bistum bestens bekannt sind die kunstvoll gestalteten Kerzen aus der Kerzen-Werkstatt; auch in der Paramenten-Stickerei, die zu den letzten in der Diözese gehört, gehen mehr Aufträge ein, als die Schwestern bearbeiten können. Hinzu kommen die Ikonen von Schwester Beata sowie Arbeiten in Haus und Garten.
Bei aller Konsequenz wagt man da schon gar nicht mehr an so „profane“ Dinge wie Urlaub zu denken: Doch auch den gönnen sich die Schwestern: Zu den jährlichen Auszeiten zählen die gemeinsamen
Exerzitien ebenso wie die 14 „Ferientage“ innerhalb des Klosterbereichs, in denen es die Schwestern lockerer angehen lassen, abends mal am Lagerfeuer sitzen oder im Garten zelten. Außerdem darf sich jede Schwester für acht Tage im Jahr in eine der zwei Einsiedeleien auf dem Gelände zurückziehen, um dort persönliche Einkehr und Ruhe zu finden.
Wenig Grund zur Klage
Die Absolutheit, mit der die Karmelitinnen ihr christliches Leben gestalten, mag so manchen auf den ersten Blick befremden. Und doch bildet gerade diese Strenge die Basis für den Auftrag, den die Schwestern in Kirche und Welt erfüllen: Dies ist zum einen das beständige Gebet um Frieden, Gerechtigkeit und Liebe: „Wir beten für die Welt“, betont Schwester Petra, „und sind sehr wohl darüber informiert, was draußen vorgeht.“ Zum anderen verstehen sich die Schwestern als „Gesandte der Kirche und der Diözese“: Als „unbezahlte Angestellte“ beten sie für die Kirche und ihre Sendung, unterstützen Priester und Hochschul-Professoren und sind „lebendiger Kummerkasten“ für ihre Mitmenschen. Aufgrund ihrer örtlichen Lage verstehen sich die Karmelitinnen von Himmelspforten schließlich auch als „spirituelle Werkzeuge des Exerzitienhauses“: „Es geht kein Kurs vorbei, ohne dass wir für ihn beten“, versichert Schwester Petra. Alles in allem ein Leben, das heutzutage wohl kaum noch Nachahmer findet – glaubt man. Aber weit gefehlt: Obwohl derzeit fünf Plätze im Karmel leer sind, haben die Schwestern wenig Grund zur Klage: Immerhin sechs von ihnen haben die 35 noch nicht überschritten. Doch was ist es, was junge Frauen heute anzieht? „Sie wollen sich einfach total einbringen“, ist Schwester Petra überzeugt. Zudem hat die Noviziatsleiterin das Gefühl, dass „existenzielle Gotteserfahrungen und das Eingreifen von oben heute sehr viel stärker und greifbarer“ sind. „Viele junge Frauen erkennen, dass das soziale Tun allein nicht ans Ziel bringt, sondern gerade Kontemplation und Gebet eine tiefe Daseinsberechtigung besitzen.“
Tipps und Fakten
Gottesdienst in der Klosterkirche sonntags um 9 Uhr; wochentags um 7.30 Uhr in der Kapelle (Zugang über die Pforte).
Gebetszeiten: An den Gebetszeiten der Schwestern können Besucher im Laienschiff teilnehmen: 5.30 Uhr Laudes, 11.40 Uhr Sext, 16.30 Uhr Vesper. Gebetsanliegen nehmen die Schwestern an der Pforte entgegen und Kerzenbestellungen an der Pforte oder telefonisch.
Führungen durch die Klosterkirche entweder über Pfortenschwester Bernadette oder den Rektor des Exerzitienhauses,
Dr. Burkard Rosenzweig (Telefon 0931/ 38668010).
Adresse: Karmelitinnenkloster Himmelspforten, Mainaustraße 40, 97082 Würzburg. Telefon: 0931/42178, Fax: -/4173851