„Ziegen spielen als Haus- und Opfertiere in der Bibel eine der Hauptrollen“, erläutert Thorsten Wengelnick. Der 25-Jährige begleitet seit zwei Jahren den Rundgang durch die biblische Fauna. Dabei gehören die Ziegen nicht zu den exotischsten Kreaturen, die der Biologiestudent vorzuführen hat. Die Tierpalette reicht quer durch die Schöpfung – von Turteltaube bis Fledermaus, von Heuschrecke bis Krokodil, von Rotfuchs bis Rind.
Der König der Tiere ist auch in der Heiligen Schrift der King: Keinen präsentiert die Bibel so häufig wie den Löwen. „Weil er in der freien Wildbahn keine Feinde hat, gilt der Löwe auch in der Bibel als Symbol von Macht und Stärke“, sagt Tour-Guide Thorsten. Teils erscheint das majestätische Tier als Strafe Gottes, manchmal als alltägliche Gefahr. Denn auch zu alttestamentarischen Zeiten herrschten keine paradiesischen Zustände. Weder damals noch heute „weiden Kalb und Löwenjunges gemeinsam“ – wie bei Jesaja zu lesen steht. Im Gegenteil: Löwen und Leoparden waren für Hirten und Herden im Nahen Osten eine starke Bedrohung. Hier im Zoo sorgt der Leopard bei der kleinen Leonie für Unmut. Er schläft, und mit seinem gefleckten Fell lässt er sich hinter den Pflanzen seines Käfigs kaum ausmachen. „Der ist ja total faul“, murrt die Neunjährige.
Spielerische Bildungstour
Träge scheint auch der blaue Pfau zu sein. Er will partout sein Rad nicht aufschlagen, obwohl ihn 56 Augen gespannt fixieren. Das prächtige Gefieder lässt er nicht sehen. Dafür gibt’s bunt gemischtes Wissen serviert. Denn die Bibelstunde ist auch spielerische Bildungstour. Thorsten erläutert den Kindern, dass zu Salomons Zeit Pfauen und Affen als Luxusgüter galten und Gärten und Paläste schmückten. Deshalb nennt das Buch der Könige sie auch in einem Zug mit Gold, Silber und Elfenbein. Zudem erklärt er seinen Zöglingen die Lebensräume der Tiere. Der Pfau kommt nämlich ursprünglich in keinem Bibelland vor, sondern wurde damals bereits aus Indien importiert.
Gefährliche Bären
Auch das eine oder andere biologische Missverständnis räumt der Tourführer aus. Im zaunlosen Gehege, nur durch einen tiefen Graben von den Beobachtern getrennt, tollt ein syrischer Braunbärvater mit seinen zwei Söhnen über Baumstämme. Die Kleinen kugeln auf dem Boden herum. „Süß“, findet die sechsjährige Annika – aber genauso gefährlich. Auch das Buch der Könige erzählt von solch einem Bären, der 42 Kinder zerrissen haben soll. Verblüfft müssen Thorstens abenteuerlustige Zuhörer vernehmen, dass diese kleinwüchsigen Bären zwar keinesfalls harmlos sind, vegetarische Kost aber allemal Fleisch und Fisch vorziehen. Auch beim Federvieh haben sich die Bibel-Schreiber bisweilen vertan. Dies macht Thorsten den Schülern mit einem Ratespiel klar. „Von den Vögeln sollt ihr folgende verabscheuen – sie dürfen nicht gegessen werden, sie seien euch ein Greuel: Strauß, Sturzpelikan, Uhu, Wiedehopf und Fledermaus“, zitiert er aus dem Buch Levitikus und fragt, wer hier nicht in die Reihe passt. Kurzes Grübeln, dann großes Geschrei. Mindestens fünf Mitspieler machen die Fledermaus als falschen Vogel aus. Dass sie zu den Säugetieren zählt, wissen immerhin noch zwei.
Biblischer Freiflug
Weiter geht’s auf der Tierspur durch das Alte und Neue Testament. Am Teich, wo sich Störche und Pelikane tummeln, führt Thorsten biologische Beobachtungen an, die in der Bibel notiert sind. Mehrfach verzeichnet sie den Flug der Zugvögel: „Selbst der Storch am Himmel kennt seine Zeit, und Turteltaube und Schwalbe und Kranich halten die Zeit ihrer Wiederkunft ein“, heißt es bei Jeremia. Leonie reißt die Augen auf: „Fliegen die hier denn nicht weg“, fragt sie erstaunt und zeigt auf die Störche, die auf der Suche nach Futter gemächlich über eine Wiese stolzieren. Heilige Schrift hin, Exegese her – Thorsten enthält seinen Zuhörern die Zoo-Realität nicht vor. Den Vögeln wurde ein Flügelknochen entfernt, deshalb genießen sie keinen biblischen Freiflug.
Kamel und Nadelöhr
Wenige Schritte weiter – schon fast wieder am Ausgang – kauen die Dortmunder Trampeltiere genüsslich ihr Heu. Das Kamel erscheint vom Exodus bis in die Evangelien häufig als bedeutendes und wertvolles Nutztier. Thorsten räumt mit dem landläufigen Gerücht auf, die zähen Wüstenschiffe bräuchten nur wenig Wasser. Das Gegenteil sei der Fall, stellt er klar und findet dafür Bestätigung in der Bibel. Das Buch Genesis widmet dem aufwändigen Tränken der Dromedare eine ausführliche Passage. Zudem galt der Besitz von Kamelen schon zu Zeiten des Alten Testaments als Zeichen von Wohlstand. Im Neuen Testament sorgt das Höckertier dann für sprichwörtliche Verwirrung. „Leichter kommt ein Kamel durch ein Nadelöhr hindurch als ein Reicher in das Reich Gottes hinein“ – am Gleichnis des Evangelisten Matthäus erläutert der Tourführer eine Eigenart des Kamels: Selbst wenn ein Balken hoch genug hängt, um darunter durchzugehen, scheuen die Tiere davor zurück. Da ist auch ein Stadttor – für welches das Nadelöhr ein Sinnbild ist – oft zu hoch gewesen. Die kleine Annika hört nicht mehr zu. Sie steht versonnen vor dem Zaun, beobachtet die malmenden Kamele und nimmt den Evangelisten wörtlich: „Die sind doch riesig, die gehen nie durchs Nadelöhr.“
Maria Büche
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