Auf dem Weg nach Jerusalem zog Jesus durch das Grenzgebiet von Samarien und Galiläa. Als er in ein Dorf hineingehen wollte, kamen ihm zehn Aussätzige entgegen. Sie blieben in der Ferne stehen und riefen: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns! Als er sie sah, sagte er zu ihnen: Geht, zeigt euch den Priestern! Und während sie zu den Priestern gingen, wurden sie rein. Einer von ihnen aber kehrte um, als er sah, dass er geheilt war; und er lobte Gott mit lauter Stimme. Er warf sich vor den Füßen Jesu zu Boden und dankte ihm. Dieser Mann war aus Samarien. Da sagte Jesus: Es sind doch alle zehn rein geworden. Wo sind die übrigen neun? Ist denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren, außer diesem Fremden? Und er sagte zu ihm: Steh auf und geh! Dein Glaube hat dir geholfen.
Lukas 17,11–19
Sei dankbar! Könnte dies die Aufforderung des heutigen Evangeliums sein? Dieser Appell hat so seine Tücken: Wenn ich erst zur Dankbarkeit aufgefordert werden muss, kommt dann nicht nur ein Lippenbekenntnis zustande? Was möchte uns Lukas mit auf den Weg geben?
Schon gleich zu Beginn des Textes könnten wir versucht sein, abzuschalten. Aussatz, das hat doch mit uns heute nichts zu tun. Aussätzige, sozial und kultisch ausgegrenzt wie damals, gibt es bei uns glücklicherweise nicht mehr. Zum Thema Aussatz fällt mir höchstens Lepra, beispielsweise im fernen Asien, ein. Doch das berührt uns nur durch Spendenaufrufe. Wenn ich allerdings „Aussatz“ mit „Krankheit oder Lebenssituation, die Ausgrenzung zur Folge haben kann“ verknüpfe, dann sieht die Sache anders aus: Wie viele Aidskranke wurden und werden ausgegrenzt, aus Unwissenheit und Angst? Manche (Haut-)Krankheiten stören unser ästhetisches Empfinden. Andere schwere Krankheiten wie Krebs erinnern uns an unsere eigene Verletzlichkeit und Sterblichkeit. Auch Menschen, denen schweres Leid widerfahren ist, ziehen sich manchmal zurück. Fingerspitzengefühl ist nötig, um die richtige Form des Umgangs mit den Betroffenen zu finden. Die Angst, ein falsches Wort zu sagen, sollte mich aber nicht daran hindern, Kontakt mit einem Menschen in einer Krisensituation aufzunehmen.
Die Aussätzigen im Evangelium erheben ihre Stimme und bitten Jesus um Erbarmen. Sie bitten um Leben, ein neues Leben in Gemeinschaft und mit Gott. Auf dem Weg zu den Priestern werden sie rein. Jetzt geschieht das Sonderbare: Sie sind gesund, geheilt, befreit aus der Isolation. Aber nur einer der zehn geht zurück und dankt Jesus, noch dazu ein Samariter, von dem man dies am wenigsten erwartet hätte.
Was mag bei den anderen neun geschehen sein? War es ihnen wichtiger, sofort zurückzukehren in ihr Dorf, ihre Familie, um wieder aufgenommen zu werden in die Gemeinschaft? Wollten sie schnell wieder eine Arbeit suchen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen? Haben sie die Heilung nicht mit Jesus in Verbindung gebracht, sondern eher als glücklichen Zufall gedeutet? Ich kann mir vorstellen, dass auch ich mich von den neuen Möglichkeiten hätte mitreißen lassen. Dass ich schnell und pragmatisch gehandelt hätte, den Grund meiner neuen Perspektiven, die Heilung durch Jesus, aus dem Blick verloren hätte. Der Samariter war offen für das, was an ihm geschehen war. Er hatte das Bedürfnis zu danken, weil Jesus ihn angerührt und geheilt hatte. Wie hätten Sie sich verhalten?
Es ist wirklich nicht immer leicht mit der Dankbarkeit. Sehen wir, nehmen wir wahr, was uns geschenkt ist? Die Leichtigkeit einer Begegnung, die Fülle eines Herbsttages, einen guten Film ... Oder sehen wir eher das Schwere, Unerledigte, Unangenehme? Dann hilft uns vielleicht die Aufforderung „Sei dankbar!“, da sie uns erinnert an das, was uns geschenkt ist.
Manchmal erwächst aus einer dichten Erfahrung Dankbarkeit, einfach so, geschenkt. Häufiger aber braucht es das genauere Hinsehen, weil die Anlässe für Dankbarkeit zugeschüttet sind durch das Viele oder das Negative. Dann könnte eine Übung am Ende des Tages hilfreich sein:
„Ich klage über die Anonymität und sehe doch nicht die freundliche Verkäuferin im Supermarkt.“ –„Ich klage über das schlechte Wetter und sehe doch nicht die Schönheit eines Regentropfens auf dem Grashalm.“ – „Ich klage über ... und sehe doch nicht ...“ – Oder noch einfacher: Schreiben Sie jeden Tag eine Sache auf, für die Sie Gott danken möchten. Sie werden überrascht sein, was da alles auftaucht.
Die Autorin ist Gemeindereferentin und arbeitet als Diözesanreferentin für die Gemeindereferentinnen und
-referenten.