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      Eine Trachtenkrippe aus dem Ochsenfurter Gau

      Christi Geburt im Stall von Eichelsee

      Wenn es am Spätnachmittag im Advent dämmerig wird, gehen im Nähzimmer von Roswitha Düchs in Eichelsee bei Gaukönigshofen die Lichter an. Die dort im Fenster ausgestellte, prächtige Trachtenkrippe zieht mittlerweile auch Besucher von außerhalb der Region an.

      Kunterbunt und lebhaft geht es am Stall von Eichelsee zu, wo das ganze Dorf die Geburt Christi feiert. Fast alle, auch Maria und Josef, tragen die reich ornamentierte Festtagstracht des Ochsenfurter Gaus. Über dem Holzstall schwebt der perlenverzierte Weihnachtsstern. Das farbenfrohe Tableau zeigt auch das Landleben mit Schafen, Gänsen, Leiterwagen, Ochsen- und Pferdegespannen. Auf dem Dorfplatz leuchtet ein Christbaum neben der lichtergeschmückten Marienstatue.

      Alles selbst genäht

      Roswitha Düchs, die Schöpferin der außergewöhnlichen Miniaturdarstellung, hat sämtliche Figuren eigenhändig eingekleidet, alle Gewänder selbst genäht. Zweieinhalb Meter breit und zwei Meter tief ist die Krippenlandschaft, die sie seit 2021 in der Weihnachtszeit der Öffentlichkeit präsentiert und seither konti­nuierlich erweitert und ergänzt.
      „Die Idee kam mir während des Corona-Lockdowns 2020, wo sämtliche Weihnachtsfeiern abgesagt waren, und die Dorfgemeinschaft erstmals die beleuchteten Weihnachtsfenster gestaltete“, erklärt die 72-jährige Künstlerin. Sie habe sich damals erinnert, dass ihr Mann einmal einen Krippenstall gezimmert hatte – das heutige Kernstück der Trachtenkrippe. Ein Jahr lang arbeitete Düchs dann intensiv an der Bekleidung für ihre Krippenfiguren, eine bunte Sammlung von Zelluloid- und Porzellanpuppen, alten Holzfigurinen und einigen Auftragsarbeiten, geschnitzt vom Holzbildhauermeister Norbert Tuffek aus Wendelstein.
      Seit ihrer Kindheit, so erzählt die gebürtige Hohestadterin, sei sie von den Trachten des Ochsenfurter Gaus fasziniert gewesen. In ihrem Heimatort war die Tracht – wohl aufgrund der Nähe zum städtisch geprägten Ochsenfurt – damals schon lange nicht mehr üblich. Doch nach ihrer Heirat erlebte sie in Eichelsee die Reste der einst in der gesamten Region lebendigen Tradition. „Es gab dort sogar noch Leute, die bei der Arbeit auf dem Feld ihre Werktagstracht trugen“, erzählt sie. Zwei davon, ein Bauernpaar mit Ochse und Pflug, habe sie auch in ihrer Krippe porträtiert.
      Roswitha Düchs suchte die Bäuerinnen auf, ließ sich von ihnen ihre Festgewänder und die besonderen Nähtechniken zeigen. Bald schon setzte die begeisterte Hobbynäherin selbst das Gelernte um, fertigte eigene Trachten, kaufte alte Stücke, um sie zu restaurieren. In der Folge initiierte Düchs die Eichelseer Trachtengruppe. Bis heute steht sie der Gruppierung vor, die aus 60 Personen besteht und deutschlandweit an Trachtenumzügen teilnimmt, wie im vergangenen Jahr beim Münchener Oktoberfest.
      Die Festtagstrachten des Ochsenfurter Gaus sind an Pracht kaum zu überbieten. Mit reich geschmückter Kleidung demonstrierten die Bauern früherer Jahrhunderte auch den Wohlstand ihrer fruchtbaren Gegend. Die kostbaren Kleider wurden von Generation zu Generation weitervererbt. „Mittlerweile bekomme ich sogar Fundstücke aus Dachböden und Kleiderschränken geschenkt“, sagt Düchs. Es habe sich herumgesprochen, dass sie mit den alten Stoffen sachkundig umzugehen weiß. Erwachsenenkleidung, die nicht mehr zu flicken ist, näht sie zu Kinderkleidern für die Trachtengruppe um. Und die kleinsten Stoffreste verwandelt sie in stundenlanger Arbeit zu den originalgetreuen Kostümen ihrer Krippenfiguren.

      Sehr aufwändig

      „Die sind untenrum nicht nackig, sondern korrekt angezogen bis zur Unterhose“, sagt Düll lachend und dreht eine der Puppen um. Von den bis zu sieben Röcken der Tracht trägt die Figur immerhin drei, darunter auch den schweren, wattierten Unterrock, der dem gefältelten Überrock unter der farbig bestickten Schürze seine glockige Form verleiht.
      Schon die Krippenfiguren sind in geduldiger Feinarbeit gestaltet, doch die Herstellung einer kompletten Gautracht in Originalgröße dauert noch viel länger. Farbige Stickereien, oft mit Perlen und Pailletten, zieren den Mutzen, die kurze Jacke der Frauen. Auch die dazugehörige Frisur ist aufwändig: aus vierundzwanzig feinen Zöpfchen wird ein herzförmiger Knoten geschlungen und mit Bändern und Haarschmuck auf dem Kopf festgesteckt. Und die Handtäschchen – winzig klein in den Händen der Krippenfiguren – bestehen im Original aus über 50.000 kleinen Perlen. „Dafür braucht man viel Ausdauer“, erklärt Düchs, die selbst schon einige Taschen gefertigt hat.
      Schlichter, bequemer und um etliche Kilos leichter ist die Festkleidung der Männer mit fränkischem Dreispitz und Kniebundhose; kostbar verziert sind hier einzig die Jacken mit ihren vielen Silber­-
      knöp­fen und die bunt bestickten Westen. Der Farbenreichtum, so berichtet die Trachtenexpertin, sei typisch für die Gautracht; nur die Bekleidung der Witwen sei in strengem Schwarz gehalten. „Am Ende des Trauerjahres begann das sogenannte Abtrauern, da wurde die schwarze Kleidung durch einzelne, farbige Stücke ergänzt“, erläutert sie. Nach einem weiteren halben Jahr sei man dann zur bunten Tracht zurückgekehrt.

      Mammutaufgabe

      Auch in der Weihnachtskrippe steht eine Witwe in dunkler Abtrauer-Gewandung mit leuchtend violettem Halstuch. Und rechts neben der heiligen Familie hat die Künstlerin zwei Figuren platziert, die Eingeweihte sofort erkennen. „Die beiden, die da dem Jesuskind ihre Reverenz erweisen, sind mein Mann und ich“, sagt sie und lächelt verschmitzt. Der Glaube sei ihr sehr wichtig als ein Anker ihres Lebens.
      Der alljährliche Aufbau der Trachtenkrippe ist eine Mammutaufgabe. Spätestens Ende November stehe sie an ihrem Platz und warte hinter geschlossenen Rollläden auf ihren großen Auftritt in der Weihnachtszeit, berichtet Düchs. „Ich bin immer sehr dankbar für die tatkräftige Hilfe von Ingrid Schimmer, meiner Nachbarin. Ohne sie würde ich das alles überhaupt nicht schaffen“, erklärt sie. Ständig kämen neue Figuren zur Krippe hinzu. Anregungen dafür erhalte sie auch aus der Dorfgemeinschaft, beispielsweise von einem Jäger, der sich in diesem Jahr über einen kleinen Waidmann in Lodenkleidung freuen darf.
      In ihrem Wohnzimmer bastelt Düchs übrigens bereits an einer weiteren Trachtenkrippe, die jedoch nicht öffentlich ausgestellt wird, sondern den Mittelpunkt des Weihnachtsfestes im Familienkreis bildet. „Wenn ich mal nicht mehr da bin, werden meine beiden Enkelsöhne die Krippen übernehmen“, sagt sie. Sie freue sich sehr darüber und hoffe, dass die Trachtentradition des Ochsenfurter Gaus auch von den künftigen Generationen bewahrt werden wird – im Originalformat und in Miniatur.

      Bis 20. Januar

      Normalerweise werden die Eichelseer Weihnachtsfenster, die ab dem ersten Dezember nach und nach täglich zwischen 16 und 21 Uhr erleuchtet werden, am sechsten Januar wieder abgebaut. Roswitha Düchs plant jedoch, ihre bereits seit dem zweiten Dezember unter der Adresse „Am Berg 8“ in Eichelsee zu bewundernde Trachtenkrippe diemal bis zum 20. Januar stehenzulassen.

      Karen A. Braun