Evangelium
Schon viele haben es unternommen, einen Bericht über all das abzufassen, was sich unter uns ereignet und erfüllt hat. Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren. Nun habe auch ich mich entschlossen, allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen, um es für dich, hochverehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben. So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest. In jener Zeit kehrte Jesus, erfüllt von der Kraft des Geistes, nach Galiläa zurück. Und die Kunde von ihm verbreitete sich in der ganzen Gegend. Er lehrte in den Synagogen und wurde von allen gepriesen. So kam er auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war, und ging, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge. Als er aufstand, um aus der Schrift vorzulesen, reichte man ihm das Buch des Propheten Jesaja. Er schlug das Buch auf und fand die Stelle, wo es heißt: Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe. Dann schloss er das Buch, gab es dem Synagogendiener und setzte sich. Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet. Da begann er, ihnen darzulegen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.
Lukas 1,1–4; 4,14–21
Der Anfang eines Buches, der Beginn eines persönlichen Berichtes ist immer ein spannender Moment. Was ist das erste Wort, der erste Inhalt, die erste Geschichte?
Wenn ich ein Buch anfange zu lese, sind oft die ersten Absätze entscheidend, ob ich auch weiterlese. Vielleicht geht es Ihnen auch manchmal so. Wie oft kommt es vor, dass man ein Buch aus Langeweile wieder beiseite legt.
Wir lesen heute den Anfang eines Berichtes, wo der Autor selbst zu uns spricht. Wir erfahren, dass es schon viele gab, die über diesen Inhalt geschrieben haben. Wir erfahren auch, dass sich dieser Bericht auf Augenzeugen, der zu erzählenden Geschichte beruft.
Das klingt spannend. Der Autor hat mich überzeugt, also lese ich doch mal weiter. Ja, der Autor hat es geschafft, dass ich mich für das ganze Buch interessiere.
Wer ein Buch ganz gelesen hat, ist hinterher ein anderer. Bücher verändern den Leser. Wer sich in ein Buch so richtig vertieft, die Geschichten miterlebt, mitfühlt, die Spannung aushält, sich einlässt auf die Erlebnisse, der ist hinterher ein anderer. Das ist der Moment, wo in mir etwas entsteht, etwas schöpferisches passiert. Bücher verändern den Leser.
Lukas schreibt sein Evangelium in dichten programmatischen Sätzen. In einer solchen Szene erfahren wir, was es mit dem Wirken und der Lehre Jesu auf sich hat. Eine Geschichte, in der ein Buch eine Rolle spielt, mit wunderbarem Inhalt. Wir hören, dass der Geist Gottes mit ihm ist. Dass er den Armen eine Heilsbotschaft bringt, den Gefangenen die Befreiung, den Blinden die Heilung. Er ruft ein Gottesjahr aus. Er legt das Buch aus der Hand, alle schauen gespannt auf ihn, und er sagt uns, dass es heute beginnt. Spätestens ab jetzt wissen wir, dass jeder Mensch für Gott unendlich kostbar ist, denn Menschen sind keine Sachen. Fast ist es zum Greifen nahe, mitzuerleben, dass Jesus von diesem Buch, von dieser Textstelle verändert wurde.
Ein Buch verändert den Leser. Dieses Buch meint mich, mein Heil werden heute. Lesen wir doch wieder öfter darin, denn wir sind gemeint, für die es geschrieben wurde. Es ist unser Buch. Mit ihm können wir neu leben. Hier können wir erfahren, dass unser Glaube eine Ebene der Zuverlässigkeit in uns anspricht. Unser Glaube verlässt uns nicht.
Der Autor ist Jesuit und Geistlicher Leiter der J-GCL (Jugendverbände der Gemeinschaft Christlichen Lebens) im Bistum. Darüber hinaus arbeitet er in der Diözesanstelle „Berufe der Kirche“ mit.