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Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt erfahren Sie im Sonntagblatt.

    Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt...

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    Blick vom „ich“ zum „du“ lenken

    Unzählige Heilige und Selige haben in der Nachfolge Jesu gelebt und gehandelt. Wir können uns einreihen, wenn wir unseren Blick weg vom „ich“ immer mehr hin zum „du“ lenken.

    Evangelium 

    In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin. Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel. Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm. Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab. Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne und Töchter eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? Und wenn ihr nur eure Brüder und Schwestern grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden? Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist. 

    Matthäus 5,38–48  

     

    In unschöner Regelmäßigkeit sorgen die Konflikte im Heiligen Land für Schlagzeilen. Wenn es einmal längere Zeit nur für Randnotizen reicht, ist das eine trügerische Stille. Wer dort lebt, ob Israeli oder Palästinenser, ob Jude, Muslim oder Christ, muss jederzeit mit Drohgebärden, Unruhen, oder, schlimmer noch, einem Anschlag oder Raketenangriff rechnen.

    Wenn in einem Land, wie derzeit in Ägypten, Aufruhr herrscht, gibt das Auswärtige Amt eine Reisewarnung heraus, und das Fernsehen zeigt routinemäßig aktuelle Sondersendungen. Seltsam ambivalent nehmen wir die Bilder wütender Menschen, zerschlagener Schaufenster und brennender Autos wahr, emotional pendelnd zwischen blankem Entsetzen und heimlicher Erleichterung: Entsetzen, weil das Geschehen so schlimm anzuschauen, Erleichterung, weil es so weit weg ist. 

    Was aber ist mit den Menschen, die in den Krisenregionen der Erde leben müssen, weil sie keine andere Wahl haben? Wer von uns, Bundeswehrsoldaten in gefährlichen Auslandseinsätzen einmal ausgenommen, könnte ernsthaft behaupten zu wissen, wie es sich tatsächlich lebt in einem Dauerzustand latenter Bedrohung? Dauerhaft in Konflikt leben müssen ist für jeden Menschen eine Zumutung, im Großen wie im Kleinen. 

    Eigentlich müssten wir daher sehr glücklich sein über die auf die Spitze getriebenen, hochprovokant anmutenden Forderungen, mit denen Jesus uns konfrontiert. Er predigt absolute Gewaltlosigkeit, vorbehaltlosen Altruismus, und ruft, als Krönung des Ganzen, zur Vollkommenheit auf. Aber dann stellt sich doch wieder unweigerlich die Frage: Ist das nicht ein allzu utopisches Gedankenkonstrukt, völlig unrealistisch und untauglich als Vision? 

    Jesus stellt klar: Das böse Spiel von Rache und Vergeltung, die schier endlose Gewaltspirale kann wirksam und dauerhaft nur unterbrechen, wer seinen Gegenspieler ins Leere laufen lässt. Annahme statt Ablehnung, Vergebung statt Vergeltung. Leidenschaftlich plädiert Jesus dafür, erlittenes Leid nicht vor- oder aufzurechnen und damit nur noch größer zu machen. Denn nicht Zwang, Hass und Rache sind  die Kennzeichen unserer von Gott gegebenen Menschlichkeit, es ist vielmehr die Liebe, vor allem die unverdient geschenkte. 

    Jesu Wirken steht ganz im Zeichen dieser Höchstform der Liebe: Er heilt Kranke, vergibt Sündern ihre Schuld, holt Außenseiter in die Mitte der Gemeinschaft zurück. Nie agiert er berechnend, nie fällt er ein unangemessenes, ungerechtes Urteil. Selbst aus hinterlistig eingefädelten Streitgesprächen gehen seine Gegner nicht als bis auf die Knochen Blamierte hervor, sondern als Nachdenkliche, die Wahrheit Suchende und oft auch Findende.  

    Alle sagten, es geht nicht. Da kam einer, der das nicht wusste, und tat es. Nach diesem Motto haben unzählige Heilige und Selige in der Nachfolge Jesu gelebt und gehandelt. Wir können uns einreihen, wenn wir alles uns Mögliche tun, um Jesu Wunsch und Auftrag gerecht zu werden. Schon unser Mühen und Ringen darum macht unsere Glaubwürdigkeit als Christen entscheidend aus. Dass wir dabei immer wieder an unsere Grenzen stoßen, ist klar. Aber die Grenzpfosten werden sich verschieben, wenn wir unseren Blick weg vom „ich“ immer mehr hin zum „du“ lenken. Der heilige Franziskus hat diesen Gedanken als denkwürdige Gebetsbitte auf den Punkt gebracht: „Herr, lehre mich, an das Nächste zu denken, das Nächste zu tun und der Nächste zu sein.“ 

    Der Autor ist Kaplan in der Pfarreiengemeinschaft St. Franziskus am Steigerwald (Gerolzhofen).