Bildung ist kein Produktionsfaktor
Es liegt wohl an der Schnelllebigkeit heutiger Nachrichten, aber auch an der, allen voran von politischen Meinungsführern, gering erachteten Wertigkeit. Aus den Schlagzeilen sind die von Schülern und Studenten getragenen Proteste gegen misslungene Bildungsreformen längst verschwunden. Dabei bemühten sich die Leidtragenden der mit heißen Nadeln gestrickten Entscheidungen im Schul- und Universitätsbereich immerhin eine Woche lang, auf die Unzulänglichkeiten des angeblich fortschrittlichen Umbaus des deutschen Bildungssystems aufmerksam zu machen. Ausgerechnet die Bundesbildungsministerin Annette Schavan hat die Forderungen der studierenden Jugend als zum Teil gestrig abgewertet. Was sollte man da von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung erwarten, die sich allzu häufig noch von wirklich gestrigen Vorurteilen beeinflussen lässt? Den Schülern und Studenten hat man durch komprimierten Lernstoff und immer knappere Zeitvorgaben das gern zitierte schlaue Leben längst ausgetrieben. Ginge es nach Wirtschaftsführern und Politikern, die einzig die Effizienz von Bildungseinrichtungen im Kopf haben, würden Schulen und Universitäten künftig nur noch wie Unternehmen geleitet, Schüler und Studenten müssten unter Erfolgsdruck möglichst viel Unterrichtsstoff bewältigen. Als Produkte von Lernfabriken hätten sie zwar dann ein enormes Wissen, wüssten es dann jedoch kaum anzuwenden, weil ihnen die Fähigkeit fehlen würde, dieses Wissen auch umzusetzen. Dazu bräuchten sie die Bildung, zu der ihnen keine Zeit mehr bliebe. Und Allgemeinwissen auf hohem Niveau, mit dessen Förderung sich Bildungseinrichtungen bisher auszeichneten, würde über kurz oder lang als unproduktiv vernachlässigt. Ob ein solcher Trend der nachhaltigen Entwicklung einer Gesellschaft, in der Mängel in der Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen und in der Achtung menschlicher Würde immer schmerzlicher spürbar werden, dienen würde? Wäre es nicht eher angebracht, mehr in die Förderung ganzheitlicher Bildung als seelenloser Wissensreproduktion zu investieren? Gegen die Ökonomisierung der Bildung müssten viel mehr Menschen als nur die Betroffenen protestieren.