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Sie helfen einander. Hören sich das Erlebte der anderen an, tauschen ihre Erfahrungen untereinander aus. Und das seit mehr als fünf Jahren. Rund 50 Erwerbslose gehören der Erwerbsloseninitiative Aschaffenburg und Untermain e.V. an, die sich wenige Wochen nach dem Start der Hartz IV-Gesetzgebung im Frühjahr 2005 gegründet hatte. Betroffene wandten sich damals an Diakon und Betriebsseelsorger Ludwig Stauner. Für ihn war schnell klar, dass Raum für Austausch und Diskussion her musste. Durch Spenden und Zuschüsse steht die Initiative auf einem recht sicheren Fundament.
Ludwig Stauner wollte den Betroffenen die Möglichkeit geben, ihre Situation in der Gruppe reflektieren zu können. Die Unsicherheit des Einzelnen sollte so aufgefangen werden, damit sie Hürden und Probleme angehen konnten. Fünf Jahre später ist ein fester Stamm von Mitgliedern regelmäßig bei den 14-tägigen Treffen vertreten; da hat sich nach Meinung von Stauner eine methodische Vorgehensweise bei den rund 20 Personen etabliert und bewährt: „Erstens: Welche Erlebnisse und Erfahrungen bringe ich mit? Zweitens: Wer kann mir in der Gruppe oder außerhalb Hilfestellung geben? Und drittens: Wie wollen wir unsere Anliegen und Notlagen als Langzeitarbeitslose in die Öffentlichkeit und in politische Ebenen einbringen?“
Sprecher und Aktivisten
Den Erwerbslosen Raum bieten, sie zur eigenen Lebensgestaltung ermuntern, wohlwollend begleiten – das sind die Ziele, die Ludwig Stauner bis heute verfolgt. Dabei ist ihm eines besonders wichtig: „Die Erwerbslosen sollen weitgehend für sich selbst Sprecher und Aktivisten sein. Ich gebe eine Einschätzung oder einen Rat, wenn ich gefragt werde. Manchmal rate ich auch Beratungsstellen der Caritas, der Diakonie und den Kontakt zu den Sozialcafés in Aschaffenburg, Alzenau, Obernburg, Miltenberg aufzunehmen.“ Und er kühlt die Gemüter ab, wenn sich Frust in Wut wandelt und gegen Behörden und Ämter zu richten drohen. Stauner hält die Betroffenen dann den Spiegel vor, der ihnen zeigen soll: „Ihr ergänzt euch – durch eure Lebenserfahrungen, eure Probleme und eure Lösungswege. Das zu stärken, ist das Ziel der Initiative“.Für jeden sichtbar steht auf ihrem gelben Werbeflyer: Hilfe zur Selbsthilfe. Und sie stärken sich weiter durch intensive Vernetzung und öffentlichkeitswirksame Arbeit. Die Erwerbsloseninitiative treibt die Aufklärung vor allem durch Informations- und Diskussionsveranstaltungen, Seminare, Workshops, Vorträge und Projektarbeiten voran. Darüber hinaus greift man sich gegenseitig im Alltag unter die Arme: So werden Hartz IV-Empfänger auf Wunsch bei Behördengängen begleitet und können auf Hilfe bei persönlichen Organisationsfragen zurückgreifen. Und dann sind da noch Dinge, die im Hinblick auf den erwerbslosen Erwachsenen schnell unter den Tisch fallen, erläutert Elisabeth Fromkorth, die erste Vorsitzende der Initiative. „Wir unterstützen die Kinder erwerbsloser Eltern in schulischen Belangen. Uns geht es in erster Linie darum, gleiche Bildungschancen für alle zu haben.“ In Kooperation mit der Katholischen Betriebsseelsorge Untermain hat die Initiative in den letzten drei Jahren einiges umgesetzt. Darunter waren zwei Nordbayerische Vernetzungstreffen in Aschaffenburg, eine Ausstellung und Dokumentation im Rathaus von Aschaffenburg, Podiumsdiskussion mit Regionalpolitikern, Gespräche mit Stadträten, Landes- und Bundespolitikern. Außerdem haben zwei Benefizkonzerte für die Erwerbsloseninitiative stattgefunden und man beteiligte sich an der Bewirtung bei der Nacht der Kirchen in Aschaffenburg. Um ihren Interessen Gehör zu verschaffen und auch politisch Einfluss nehmen zu können, bekamen die Mitglieder der Initiative 2006 einen Sitz im Sozialbeirat der Stadt Aschaffenburg. Im gleichen Jahr wurde auf ihr Bemühen hin der Kulturpass eingeführt. 2007 kam ein weiterer für die Stadt und den Landkreis Miltenberg hinzu. Der Kulturpass soll Menschen, die von Transferleistungen leben müssen, den Zugang zu kulturellen Veranstaltungen erleichtern. Eine Ermäßigung um 50 Prozent erhalten sie unter anderem in der Volkshochschule, im Freibad, Stadttheater, Stiftsmuseum und im Naturwissenschaftlichen Museum. Kinder aus Kulturpass-Familien erhalten einen Zuschuss zum Mittagessen an gebundenen Ganztagsschulen und ab der elften Jahrgangsstufe bis zur Hochschulreife eine Schulbeihilfe von jährlich 100 Euro. Das ist dringend notwendig, erklärt Elisabeth Fromkorth, denn die Kinder haben durch Hartz IV nicht minder große Schwierigkeiten im Alltag. Darum setzt sich die Initiative auch dafür ein, dass der Regelsatz für Kinder und Jugendliche angehoben wird. „300 bis 400 Euro monatlich sollten den Jugendlichen zur Verfügung stehen, Erwachsene benötigen mindestens 500 Euro. Diese Beträge lehnen sich an die ermittelten Werte der Gewerkschaft GEW und des paritätischen Wohlfahrtsverbandes an, die bereits seit Jahren für eine Erhöhung plädiert haben.“ 3,94 Euro für drei Mahlzeiten am Tag reichten keineswegs aus. Elisabeth Fromkorth formuliert ihre Wünsche konkret, die sie an die Politik hat: Erwerbslose sollen sich nicht länger stigmatisiert fühlen. Stattdessen sollten Politiker auch auf „die kleinen Leute hören. Denn wir wissen, was zu machen ist. Aber wir sind zu klein, haben keine Lobby, um nachhaltig zu verändern. Aber wir kommen aus der Praxis – die kennen es nur aus der Theorie“, sagt die 58-Jährige mit Nachdruck.
Energie fürs Ehrenamt
Aber auch wenn sie nur wenig Lobby haben, gehen die Erwerbslosen in Aschaffenburg raus auf die Straße. Sie müssen Gesicht zeigen, ihre Anliegen immer wieder vorbringen – das kostet Kraft. Aber Elisabeth Fromkorth macht es gerne: „Ich versuche aus dem, was ich erlebt habe, Energie für dieses Ehrenamt zu ziehen. Und das gelingt mir auch. Hier fühle ich mich wohl und anerkannt – das merken auch die anderen Mitglieder.“ Einmal pro Monat gibt es einen Infostand in der Innenstadt. Sie vermitteln Antriebskraft – da, wo es schnell an Kraft fehlt, weil viele resignieren. Elisabeth Fromkorth tut das nicht. Sie konnte inzwischen auch ihren Sohn als ehrenamtlichen Helfer gewinnen. Dem Abiturient imponiert, was seine Mutter tut. „ Sie macht anderen Hoffnung, dass sie sich für Verbesserungen in ihrem eigenen Leben und in dem anderer einsetzen. Das ist toll.“
Kontakt:
Ludwig Stauner, Telefon: 0 60 21/3 92-142, E-Mail: ludwig.stauner@bistum-wuerzburg.de“. Elisabeth Fromkorth, Telefon: 0 60 21/2 02 51, E-Mail: „elisabeth.fromkorth@googlemail.com“.