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    Durchs Land der Franken – eine Radwallfahrt für Geübte

    Besinnung im Windschatten

    Durchs Land der Franken – eine Radwallfahrt für Geübte
    Lieber doch nicht! Auch wenn es sicher Spaß machen würde, mit dieser Gruppe zu radeln. Doch ich bleibe bei meinem Entschluss. Im Gut Heuchelhof über dem Talkessel der sommerlich heißen Stadt Würzburg treffe ich gegen 20 Uhr Pater Alois Hofmann und sage ihm, dass ich nicht mitfahre. „Ich hätte Ihnen das schon zugetraut“, sagt er gelassen, während er im gelben Trikot mit zwei anderen Männern an einem Gartentisch des Gasthofes „Zum alten Gut“ sitzt. Doch ich bin realistisch. Eine Tages-Etappe von Würzburg nach Kitzingen – das hatte sich zunächst leicht angehört. Doch die Route geht über Maria Sondheim, Fährbrück und Volkach – insgesamt 94 Kilometer. Nichts für Ungeübte. Und schon gar nicht bei den derzeitigen Temperaturen weit über der 30-Grad-Marke.
     
    Auf dem Marienweg
    Aber das scheint der Gruppe von 15 Männern und vier Frauen, die verteilt an vier Tischen sitzen, bisher nichts ausgemacht zu haben. Sieben Tage sind sie bereits unterwegs. „Durchs Land der Franken fahren“ – und zwar mit dem Fahrrad, so das Motto der Tour, die Pater Alois, Pallottiner aus dem Kloster Untermerzbach in der Nähe von Ebern, veranstaltet. Der größte Teil der Route führt durchs Bistum Würzburg, die Strecke folgt zumeist dem Fränkischen Marienweg. Dass es keine Spazierfahrt ist, zeigen schon die um die 100 Kilometer langen täglichen Etappen. Heute, am Abend des siebten Tages, übernachten die Radler in Würzburg, haben Wallfahrtsorte wie den Kreuzberg, Kälberau, Walldürn und Maria Buchen bereits hinter sich gelassen.
    Start der Radwallfahrt war in Untermerzbach, doch die wenigsten der Teilnehmer kommen aus Franken. Aus dem Hunsrück, aus Landshut, Ingolstadt, Freising sind sie hierher gekommen, um mitzuradeln. Viele kennen sich von früher. Schon zehn solcher Touren hat Pater Alois bisher organisiert. Stolz nennt der 54-Jährige am Tisch die Reiseziele: „Santiago de Compostela, Rom, Flüeli, Ungarn, Israel ...“ – alles mit dem Fahrrad. Eine Altersbegrenzung gibt es bei Pater Alois’ Touren nicht. Diesmal ist der älteste Teilnehmer 70, der jüngste 31 Jahre alt.
    Gegen 22 Uhr beginnen die ersten, ihr Nachtlager zu bereiten. Ein 62 Jahre alter Mann aus Ingolstadt schläft im Freien auf einer Schaumstoffmatratze. Direkt an der Außenwand von Gut Heuchelhof hat er ein Plätzchen gefunden. Und auch Pater Alois wählt das „1000-Sterne-Zelt“, so seine Formulierung für den Schlaf unter freiem Himmel. Während die einen schon schlafen, sitzen andere noch am Tisch im Hof und genehmigen sich ein Pils als Schlummertrunk. Nicht allzu lange, dann gehen auch sie in die beiden Säle des Jugendbegegnungshauses, wo die Schlafutensilien eines jeden ausgebreitet sind: Isomatte, Schlafsack, ein Handtuch, Badeschlappen und die Trinkflasche. Morgen heißt es früh aufstehen. Auch für mich, der ich zwar nicht in die Pedale treten, aber die Gruppe vor dem Start aufsuchen will. Doch zunächst fahre ich wieder hinunter vom Heuchelhof in die aufgeheizte Innenstadt und leg mich schlafen.
    Als ich am nächsten Morgen gegen 5.30 Uhr das Jugendbegegnungshaus Windrad im Gut Heuchelhof betrete, sind bereits alle Radler auf den Beinen. Die letzten Isomatten werden zusammengerollt, Rucksäcke gepackt, Fahrräder in Position gebracht. Vor dem Eingang zu den Schlafsälen parkt derweil das Begleitfahrzeug, ein weißer VW-Bus mit Werbeaufdruck einer Kosmetikfirma und Freisinger Kennzeichen. Ein Mann ist damit beschäftigt, das Gepäck im Wagen zu verstauen. Er setzt sich nicht aufs Rad. Der Freisinger hat sich zehn Tage Zeit genommen, um die Gruppe zu betreuen. Als alles verpackt ist, kommt einer der Radler gerannt: „Ich brauch noch meine Brille.“ Doch es ist zu spät. Sein Rucksack ist bereits ganz unten verstaut. Er nimmt es mit Humor: „Kann ich halt die Kunstwerke in den Kirchen heute nur von ganz nah bewundern.“
     
    Letzte Zweifel schwinden
    Inzwischen sitzen die anderen schon beim Frühstück. Es gibt Müsli, aufgeschnittenes Brot, Marmelade und Nougatcreme. Und natürlich Kaffee. Alles während des Vortages eingekauft von den beiden Begleitern – neben dem Mann mit dem VW-Bus betreut noch eine Rentnerin aus Herzogenaurach die Truppe. Die Temperatur kurz vor 6 Uhr ist sehr angenehm, um die 20 Grad. Ich überlege erneut, ob ich nicht doch hätte mitfahren sollen. Doch der kühle Morgen trügt. Es soll auch heute wieder beklemmend heiß werden. Letzte Zweifel schwinden, als ich mit zweien der Radler ins Gespräch komme. Übermorgen ist die Tour zu Ende. Dann wollen die beiden zurück in ihre Heimat – mit dem Fahrrad. Rund 280 Kilometer bis Freising, ungefähr 300 Kilometer bis nach Ismaning. Und das nach mehr als 900 Kilometern durchs Frankenland. Ich merke, dass ich es mit Radfanatikern zu tun habe. Und meine Mitfahrwünsche sind schnell zerstreut.
    Innen im Saal hat man 21 Stühle kreisförmig aufgestellt. Während die anderen noch aufräumen, bereitet sich Pater Alois auf das Morgenlob vor. Barfüßig hockt er da, in schwarzer Radlerhose, regenbogenfarbenem Trikot, die Beine übereinander geschlagen und eine Lesebrille auf der Nase.
    Einige Minuten später sind alle Stühle besetzt. Niemand fehlt. Aus mitgebrachten Liederheften singt die Gruppe sämtliche Strophen eines geistlichen Liedes. Pater Alois spielt Gitarre dazu. Nach ein paar Takten ist auch die richtige Tonart gefunden. Ein Gebet, ein Text aus dem Markusevangelium, Stille, eine kleine Predigt als Impuls, der Segen und ein Schlusslied – mittlerweile ist es 6.30 Uhr. Schnell werden Tische und Stühle aufgeräumt, einer kehrt mit dem Besen durch. Fünf Minuten später deutet nichts mehr darauf hin, dass Pater Hofmanns Gruppe hier übernachtet hat. Vor der Abfahrt besprechen die Radler die heutige Route. Sie geht durch die Stadt hinaus nach Versbach und auf der B 19 weiter bis Maria Sondheim.
     
    Es geht los
    6.45 Uhr: Wir fahren vom Heuchelhof hinunter in die Stadt: Die Wallfahrer auf ihren Trekking-Rädern, ein jeder ausgestattet mit Helm, Trikot, Radlerhose und Trinkflasche – ich im Sonntagsblatt-Golf hinterher. Unten verlass ich die im Pulk fahrende Gruppe und mache mich auf den Weg in die Redaktion. Einer der Radfahrer, Stefan Rothschmitt, hat mir seine Handynummer gegeben. Gegen 10 Uhr wähle ich die notierten Ziffern. „Wir brechen gerade von Maria Sondheim auf“, erzählt mir der 32-jährige Maschinenbauingenieur, der in Frankfurt am Main arbeitet. Zuvor hatten die Radler Rast gemacht und etwas gegessen. Ihr Weg geht weiter über Kloster Fährbrück nach Volkach. Dort will ich die Gruppe wieder aufsuchen. Wir vereinbaren einen Treffpunkt. Er ist aufgrund seiner imposanten Lage inmitten von Weinbergen nicht zu verfehlen: die Wallfahrtskirche „Maria im Weingarten“.
    13.10 Uhr: Ich fahre mit dem Auto auf der Landstraße. Rechter Hand taucht etwas versteckt die Vogelsburg auf. Auf der gegenüberliegenden Seite entdecke ich in der Ferne meinen Zielpunkt. Gnadenlos brennt die Sonne herunter. Im nicht klimatisierten Sonntagsblatt-Golf ist es nur mit offenem Fenster und Fahrtwind einigermaßen erträglich. Erneut bin ich froh, nicht auf dem Rad zu sitzen. Kurze Zeit später treffe ich vor der Wallfahrtskirche die verstreuten Mitglieder der Tour. Zwei stehen am Versorgungsbus, drei sitzen im Gras, fünf weitere haben sich in den angrenzenden Weinberg gelegt. Ein jeder ist bemüht, für kurze Zeit die hoch stehende Sonne zu meiden. Alle warten darauf, dass die Wallfahrtskirche geöffnet wird. Ich entdecke meinen Handypartner. Alleine sitzt er, wirkt müde und abgekämpft. Jetzt beim Ausruhen, beim Stillstand, sei die extreme Hitze erst so richtig zu spüren, sagt er. 37 Grad im Schatten – doch die Werte waren auch an den bisherigen Tagen der Rundfahrt ähnlich.
     
    Die Madonna im Rosenkranz
    Um 13.30 Uhr öffnet ein Mann das Tor und der Weg in die Kirche wird freigegeben. Der Besucher muss zuvor einen Euro Eintritt zahlen. Ich gehe mit den Radlern hinein. Außer Pater Alois hat noch niemand von den anderen die berühmte Riemenschneider-Madonna im Rosenkranz gesehen. Die Gruppe setzt sich, verweilt rund 20 Minuten, singt unter anderem ein Lied aus dem Gotteslob. Wie schon auf ihrem bisherigen Weg durch Franken und einiger Täler Baden-Württembergs nehmen sich die Radler stets Zeit zur Besinnung, angefangen vom Morgenlob bis zum Samstagabendgottesdienst, den Pater Alois am Westzipfel des Marienweges in Kälberau gehalten hatte. „Es kommt nie zu Streitereien oder größeren Diskussionen“, erzählt mir Stefan Rothschmitt später. Pater Alois verstehe es, „die Spannung rauszunehmen“ und durch den Morgenimpuls habe man täglich etwas zum Nachdenken auf dem Rad. Das ist auch seine Intention, erzählt mir der Pater: „die Gemeinschaft fördern, im Miteinander Kirche erfahren, ein Stück vom Leben und dessen Sorgen teilen“.
     
    Ab in den Main
    Über Dimbach, das Kloster Münsterschwarzach und die Dettelbacher Wallfahrtskirche erreichen die Radler gegen 17.30 Uhr Kitzingen, wo sie in der Fischergasse bei Bekannten von Pater Alois Unterschlupf für die Nacht finden. Einige springen gleich in den nahe liegenden Main, andere stellen sich unter die Gartenbrause. „Man ist total befreit. Ich konnte vollkommen abschalten vom Job“, berichtet mir Rothschmitt. Bevor am nächsten Tag die letzte Etappe über mehr als 100 Kilometer zurück nach Untermerzbach ansteht, gibt es am Abend noch eine Weinprobe im benachbarten Sulzfeld. Doch davon bekomme ich nichts mit. Ich sitze bereits wieder daheim in Würzburg. Hätte ich doch mitradeln sollen? Vielleicht nächstes Jahr. Da will Pater Alois wieder eine derartige Radtour unternehmen. Bis dahin kann ich mir neue Ausreden überlegen.