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      „Berufung war für mich ein langer Weg“

      Jeanette Wieland entschied sich nach vielen Gesprächen für das Leben im Kloster. Die Idee fiel bei ihr also nicht plötzlich vom Himmel. „Berufung war für mich kein punktuelles Erlebnis, sondern ein langer Weg“, sagt sie. Wenn sie über ihren Eintritt spricht, ist keine überschwängliche Euphorie zu spüren. Bei aller Freude auf die Zeit in Herstelle weiß sie: „Auch wenn ich mich grundsätzlich für das Leben dort entschieden habe, ist mir klar, dass es immer wieder Frauen gab, die den gleichen Vorsatz hatten und nach einer Weile gemerkt haben, dass sie es nicht durchtragen können.“
      Dieser Weg wird kein leichter sein“ – der Song des Sängers Xavier Naidoo wurde während der Fußballweltmeisterschaft sehr populär, weil er vor den Spielen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in der Kabine erklang. Doch Jeanette Wieland hörte ihn in den letzten Wochen aus einem anderen Grund gerne und bewusst: Nach drei Jahren Tätigkeit als Gemeindereferentin in der Pfarrseelsorge wagte es die 26-Jährige Ende September, einen ganzen anderen Weg zu beschreiten: Als Postulantin trat sie in die Benediktinerinnen-Abtei Herstelle im Wesertal ein.

      1979 geboren und in Wenighösbach bei Aschaffenburg aufgewachsen, kam sie schon als Kind und Jugendliche immer wieder mit der Kirche in Berührung. Die guten Erfahrungen zu Hause und die Begegnung mit Gemeindereferenten, die sie beeindruckten, führten zur Entscheidung, nach dem Abitur Religionspädagogik in Eichstätt zu studieren.
      Parallel dazu hatte sie, seit sie 13 Jahre alt war, immer wieder Kontakt zur Benediktiner-Abtei in Herstelle. Ihre ehemalige Flötenlehrerin war dort eingetreten, und die beiden blieben im Kontakt miteinander.
      Jeanette Wieland besuchte sie regelmäßig und verbrachte dort sozusagen als Gast „Kloster auf Zeit“. Sie fühlte sich angezogen von der dort spürbaren Menschenfreundlichkeit  und spirituellen Tiefe. „Diese Menschen leben für ihre Überzeugung, das spürt man einfach“, so erklärt sie das, was sie an diesem Ort bis heute fasziniert.

      Nicht euphorisch
      Nach dem Studium arbeitete sie drei Jahre als Gemeindeassistentin und -referentin in der Pfarreiengemeinschaft  Langendorf-Elfershausen bei Hammelburg. Dann entschied sie sich nach vielen Gesprächen mit Freunden, Kollegen und den Schwestern in Herstelle, es mit dem Leben im Kloster zu probieren. Die Idee fiel bei ihr also nicht plötzlich vom Himmel. „Berufung war für mich kein punktuelles Erlebnis, sondern ein langer Weg“, sagt sie. Wenn sie über ihren Eintritt spricht, ist keine überschwängliche Euphorie zu spüren. Bei aller Freude auf die Zeit in Herstelle weiß sie: „Auch wenn ich mich grundsätzlich für das Leben dort entschieden habe, ist mir klar, dass es immer wieder Frauen gab, die den gleichen Vorsatz hatten und nach einer Weile gemerkt haben, dass sie es nicht durchtragen können.“

      Sechs Monate Bewerbungszeit
      In ihrem ersten halben Jahr wird sie als „Postulantin“ im Kloster leben und lernen. Dies ist vergleichbar mit einer Bewerbungszeit. Erst danach erfolgt die Einkleidung und die Aufnahme ins Noviziat. Die folgenden zwei Jahre prüfen sowohl das Kloster als auch die Novizin, ob die Entscheidung für den Eintritt richtig war. Erst dann erfolgt eine zeitliche Profess. Und nach weiteren drei Jahren die ewige Profess – also das Versprechen, das ganze Leben im Kloster zu verbringen und nach den Ordensregeln zu leben. Die Benediktinerinnen in Herstelle versprechen unter anderem die „Stabilitas“, das bedeutet: Einmal eingetreten verlassen sie das Kloster nur noch selten. Ihr Leben ist geprägt vom Stundengebet, der Feier der Eucharistie, dem Gemeinschaftsleben und der Arbeit im Kloster.
      Als Gemeindereferentin hatte Jeanette Wieland mit der Kinder- und Jugendarbeit, der Firmkatechese, dem Religionsunterricht, der Arbeit im Pfarrgemeinderat, dem Vorbereiten und Feiern von Wortgottesdiensten und vielem mehr immer einen vollen Terminkalender. An jedem Tag standen neue Aufgaben an, Begegnungen mit Menschen, Aktionen und Gespräche. Das ist seit Ende September ganz anders geworden. Der Tagesablauf im Kloster ist klar gegliedert und läuft in der Regel immer gleich ab. Konnte sie früher über Arbeitsschwerpunkte und Arbeitsweise im Pastoralteam mitentscheiden, gilt jetzt das Wort der Äbtissin. War sie früher viel unterwegs – etwa 2000 Kilometer legte sie mit ihrem Auto in einem Jahr in ihrer Pfarreiengemeinschaft zurück –, wird sie in Zukunft die Klostermauern nur noch selten verlassen. Hat sie früher das Ausschlafen genossen, so wird sie in Zukunft jeden Tag um 20 Minuten vor fünf geweckt.
      Viele ihrer Bekannten und Freunde können diese Entscheidung zu einem totalen Wechsel des Lebenswandels nicht nachvollziehen. Sie reagierten erstaunt bis erschüttert auf die Nachricht, dass die junge Frau, die eben noch ganz „in der Welt stand“, jetzt in ein Kloster wechselt.
      Es ist nicht so, dass sie die Arbeit als Gemeindereferentin nicht auch erfüllt hat: „Für Menschen da sein, sie auf ihrem Lebens- und Glaubensweg begleiten hat mir durchaus viel Freude bereitet.“ Und trotzdem hat sie keinen apostolischen Orden gewählt.
      Verstandesmäßig könne sie die Entscheidung nicht wirklich begründen, sagt sie, es sei vor allem eine Herzenssache. „Ich spüre, dass bei mir jetzt dran ist, dass ich mich mehr nach innen wende.“  Für Jeanette Wieland ist das Leben in einer kontemplativen Ordensgemeinschaft die andere Seite der gleichen Medaille. Als „Konfrontation mit sich selbst“ empfindet sie das Leben in der Abtei und „als Gegenpol zu einer Welt, in der oft nur Leistung und Betriebsamkeit zählten“.

      Geringe Beziehungspflege
      „Dieser Weg wird kein leichter sein“, das hat sie sich immer wieder gedacht, als in den letzten Wochen vor ihrem Eintritt immer konkreter wurde, was sie alles aufgibt: Das Auto verkaufen, die Wohnung auflösen, Kisten packen und entscheiden, was nehme ich mit und was lasse ich zurück. Am meisten, so sagt sie, werde sie die Menschen vermissen, die ihr lieb geworden sind. Beziehungspflege ist in der Abtei Herstelle nur durch gelegentliche Besuche dort und durch Briefeschreiben möglich. Doch ein Wort aus der Benediktregel gibt ihr Kraft für den mutigen Schritt: „Fliehe nicht vom Weg des Heils. Er kann am Anfang nicht anders sein als eng. Wer aber im klösterlichen Leben fortschreitet, dem wird das Herz weit und er läuft in unsagbarem Glück der Liebe den Weg der Gebote Gottes“ (aus: Benediktus-Regel, Prolog).