In jener Zeit nahm Jesus Petrus, Jakobus und Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg, aber nur sie allein. Und er wurde vor ihren Augen verwandelt; seine Kleider wurden strahlend weiß, so weiß, wie sie auf Erden kein Bleicher machen kann. Da erschien vor ihren Augen Elija und mit ihm Mose, und sie redeten mit Jesus. Petrus sagte zu Jesus: Rabbi, es ist gut, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. Er wusste nämlich nicht, was er sagen sollte; denn sie waren vor Furcht ganz benommen. Da kam eine Wolke und warf ihren Schatten auf sie, und aus der Wolke rief eine Stimme: Das ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören. Als sie dann um sich blickten, sahen sie auf einmal niemand mehr bei sich außer Jesus. Während sie den Berg hinabstiegen, verbot er ihnen, irgendjemand zu erzählen, was sie gesehen hatten, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden sei. Dieses Wort beschäftigte sie, und sie fragten einander, was das sei: von den Toten auferstehen.
Markus 9,2- 10
Glaubst du, dass das wirklich wahr ist? – So fragen mich Kinder bisweilen, wenn ich ihnen so wunderbare Geschichten erzähle wie die von der Verklärung Jesu. – Ja, ich glaube, dass die Verklärungsgeschichte wirklich wahr ist. Allerdings ist ihre Wahrheit nicht – und darum tun wir Heutigen uns so schwer mit einer solchen Erzählung – von der Art, dass man sie mit einer Filmkamera oder einem Tonbandgerät einfangen könnte. Wir können sie mit unseren Sinnen nicht erfassen und mit unserem Verstand nicht begreifen und darum auch durch unsere Sprache nicht wirklich aus-sagen, sondern lediglich an-sagen. Wir können auf sie hindeuten, gleichnishaft, bildhaft. Und genau das tut Markus. Er malt in seiner Verklärungsgeschichte ein Bild, ein Bild mit Worten, um uns von einer außergewöhnlichen Glaubenserfahrung der Jünger zu erzählen.
Lange schon haben sie mit Jesus zusammengelebt, einiges haben sie von ihm kennen gelernt, doch sein Wesen, in dem all das Faszinierende, was er sagt und tut, seinen Grund hat, ist ihnen verborgen geblieben bis zu dem Augenblick, von dem unser Evangelium heute erzählt. Da erscheint ihnen Jesus plötzlich in einem ganz neuen Licht, da leuchtet auf einmal blitzartig auf, wer er ist. In der Bildersprache des Markus liest sich das so: „Und er wurde vor ihren Augen verwandelt; seine Kleider wurden strahlend weiß.“
Auch dort, wo Markus das Geheimnis Jesu inhaltlich zu fassen sucht, spricht er in Bildern: Mose und Elia stehen für die Erkenntnis der Jünger, dass Jesus der ersehnte endzeitliche Bote ist, in dem Gesetz und Propheten ihre Erfüllung finden. Und zugleich geht ihnen auf, – dafür steht die göttliche Stimme aus der Wolke, – dass Jesu Gottesbeziehung die der großen Heilsgestalten Israels weit übersteigt: „Dies ist mein geliebter Sohn.“
Für einen Augenblick schauen die Jünger das Geheimnis der Person Jesu. Für einen Augenblick erfahren sie mitten im Leben die Gegenwart Gottes. Auch in unserer Glaubensgeschichte gibt es solche lichten Momente, solche überwältigenden Erfahrungen, die uns ahnen lassen, wie es einmal sein wird, wenn Gott alles in allem ist. In solchen Augenblicken mag es uns so gehen wie Petrus. Er will Hütten bauen, er will seine intensive, neuartige Glaubenserfahrung festhalten. Doch er muss erleben, dass das nicht möglich ist. Gott ist nicht verfügbar; die Jünger bleiben allein mit Jesus zurück, und schließlich steigen sie wieder herunter vom Berg der Verklärung, zurück in die Niederungen des Glaubensalltages. Doch Gott selbst gibt ihnen eine Perspektive mit auf den Weg, die auch uns ein Wegweiser sein kann: „Dies ist mein geliebter Sohn. Auf ihn sollt ihr hören!“
Ein solches Hören auf Jesu Wort aber gilt es immer wieder neu zu üben. Und so möchte ich Sie heute mit einer „Hausaufgabe“ in die kommende Woche entlassen: Unsere Leseordnung sieht für die nächsten Sonntage jeweils einen Abschnitt aus der großen Brotrede Jesu vor, die Johannes im sechsten Kapitel seines Evangeliums überliefert. Vielleicht finden Sie die Zeit, sich vorab schon einmal hineinzuhören in das, was Jesus hier sagt. Ich verspreche Ihnen: Es sind Worte des Lebens, die er für uns bereithält, Worte, die auch den Alltag unseres Glaubens zum Leuchten bringen können.
Die Autorin arbeitet als Pastoralreferentin in der Pfarrei St. Laurentius in Würzburg-Heidingsfeld.