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Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt erfahren Sie im Sonntagblatt.

    Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt...

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    Vor 125 Jahren entdeckte Wilhelm Conrad Röntgen in Würzburg die Röntgenstrahlen Gespräch mit Unipräsident Dr. Alfred Forchel, Professor für Technische Physik

    Auf der Suche nach neuen Erkenntnissen

    2020 hätte das „Röntgenjahr” werden sollen – dann kam Corona. Viele der Veranstaltungen, die die Universität Würzburg zum Doppeljubiläum „125 Jahre Entdeckung der Röntgenstrahlen und 175. Geburtstag von Wilhelm Conrad Röntgen” geplant hatte, mussten abgesagt werden. Dennoch erinnert vom 23. bis 26. September eine „Röntgenjubiläumswoche” in einem Ausstellungszelt auf dem Unteren Markt an den berühmtesten Forscher der Universität. Im Gespräch mit dem Sonntagsblatt erläutert Universitätspräsident Prof. Dr. Alfred Forchel, ein Nachfolger des ehemaligen Rektors der „Alma Julia”, was Röntgens Entdeckung so einzigartig macht – und was sich Naturwissenschaft und Theologie heute zu sagen haben.

    Was macht Röntgens Entdeckung so einzigartig?

    Jede Entdeckung ist einzigartig und ungeplant. Gegenüber anderen Entdeckungen unterscheidet sich die der Röntgenstrahlen vor allem im Hinblick auf die Vielfalt an Einsatzbereichen sowie die wirtschaftliche und wissenschaftliche Tragweite dieser Anwendungsbereiche. Die wissenschaftliche Bedeutung zeigt sich unter anderem an über 30 weiteren Nobelpreisen, die auf Grund von Untersuchungen mit Röntgenstrahlen in den Naturwissenschaften und der Medizin verliehen wurden. Die wirtschaftliche Bedeutung wird beispielsweise durch Umsätze mit Röntgensystemen weltweit im Bereich vieler Milliarden Euro pro Jahr belegt.

    Warum hat Röntgen ausgerechnet in Würzburg die „X-Rays” entdeckt? Waren hier die Forschungsbedingungen besonders günstig?

    Röntgen hat diese Strahlen entdeckt, indem er sich mit verschiedensten Kathodenstrahlröhren beschäftigte. Kathodenstrahlröhren waren zu dieser Zeit weltweit intensiv untersuchte Forschungsgegenstände. Insofern wäre es generell möglich gewesen, dass die bahnbrechende Entdeckung an einem anderen Ort erfolgt wäre. Schlüssel zum Erfolg Röntgens war, dass er weitaus höhere Spannungen anlegte und die ansonsten überall beobachtete Strahlung dieser Röhren – die sogenannten Kathodenstrahlen – in seinem Experiment durch eine Umhüllung der Röntgenröhre mit lichtundurchlässiger Pappe verhinderte. Dadurch wurde sein experimenteller Aufbau für die erheblich schwächer auf einem Leuchtschirm zu Lichterscheinungen führenden Röntgenstrahlen sehr empfindlich, was zum Nachweis der „X-Strahlen“ führte.

    Was motivierte Röntgen, sich der Forschung zu verschreiben? Und wie hat man sich seinen Arbeitsalltag im Würzburger „Physikalischen Institut” vorzustellen?

    Röntgen war ein sehr akribisch und gewissenhaft arbeitender Wissenschaftler. Antrieb seiner Arbeit war die Gewinnung neuer Erkenntnisse. Für ihn – wie für viele Grundlagenforscherinnen und -forscher – stand dieser Erkenntnisgewinn im Vordergrund. Wie die Wissenschaftsgeschichte zeigt, ist Grundlagenforschung von Zeit zu Zeit die Ursache bahnbrechender Entdeckungen und völlig neuer Anwendungen. Die Entdeckung der Röntgenstrahlen illustriert das auf faszinierende Weise.

    Röntgen wohnte, forschte und lehrte in dem Gebäude, in welchem er am 18. November 1895 die Röntgenstrahlen entdeckte, dem heutigen Röntgenring 8. An einem normalen Arbeitstag hielt Röntgen üblicherweise am Vormittag eine Stunde Vorlesung und am Nachmittag von 14-18 Uhr praktische Übungen. Die übrige Zeit widmete er seinen Forschungen und der Betreuung von Doktoranden.

    Röntgen als Mensch? Das Verhältnis zur Stieftochter Josephine Bertha Ludwig beispielsweise war ja problematisch. Andererseits wird seine Ehe als durchaus glücklich beschrieben, und an Freunden mangelte es ihm wohl auch nicht ...

    Die zahlreichen Liebeserklärungen in den Briefen Röntgens an seine Frau zeugen von einer äußerst glücklichen Ehe, die jedoch kinderlos blieb. Daher nahm das Ehepaar 1887 Berthas sechsjährige Nichte Josephine bei sich auf. Bei der Erziehung der kleinen Adoptivtochter hatten sie jedoch unterschiedliche Ansichten: Während sich Bertha äußerst liebevoll und nachsichtig zeigte, erwies sich Wilhelm als eher strenger und fordernder Vater. In der Ehe war er hingebungsvoll und stets um die Gesundheit und das Wohlergehen seiner Gemahlin besorgt. In Würzburg entstand eine tiefe Freundschaft zwischen Röntgen und der Familie seines Kollegen Theodor Boveri. Der 17 Jahre jüngere Biologe war Röntgens engster Freund und begleitete ihn bei zahlreichen Urlauben und Jagdausflügen.

    Der Entdecker der „X-Rays” war Calvinist. Inwieweit hat sein Bekenntnis sein Leben geprägt? Anders gefragt: Ist etwas über Röntgens persönliche Einstellung zum Glauben und zum Christentum bekannt?

    Laut Magret Boveri „liebte Röntgen Selbstständigkeit und Produktivität über alles“. Dies kann man als Ausdruck seiner teilweise calvinistisch geprägten Erziehung ansehen. Hier könnte auch sein ausgeprägtes Arbeitsethos seinen Ursprung haben. Röntgens Gradlinigkeit, sein unermüdlicher Wissensdurst und seine vollkommene Hingabe an die Wissenschaft könnten durch die religiöse Grundausrichtung seiner Erziehung begünstigt worden sein.

    Ein Sprung von 1900 zur Gegenwart: Wie gestaltet sich aktuell an der Universität Würzburg das Verhältnis zwischen den Naturwissenschaften und der Theologie?  

    Das Verhältnis zwischen den Naturwissenschaften und der Theologie ist gar kein konkurrierendes oder spezifisches, sondern symptomatisch für die hochspezialisierten Fachkulturen: Der Blick über den eigenen Tellerrand ist im laufenden Betrieb oft schwer, praktisch handelt es sich zumeist um getrennte Welten. Aber das ist eben schon das Problem von oft sehr kleinteilig arbeitenden Teilgebieten größerer Disziplinen. Die Würzburger Theologie arbeitet eng am Verständnis von Naturwissenschaft und Säkularität. Aktuell werden etwa ethische Fragen rund um das Coronavirus behandelt. Die Naturwissenschaften bringen ihre Erkenntnisse ebenfalls durch Vorträge und Diskussionen in einen breitgefächerten Diskurs für die Öffentlichkeit ein, der auch die ethischen Aspekte beleuchtet.

    Was können die Naturwissenschaftler von den Theologen und die Theologen von den Naturwissenschaftlern lernen?

    Austausch- und Lernprozesse zwischen den thematisch fernen Disziplinen sind im universitären Alltag oft eine Herausforderung. Hinzu kommt, dass das Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaften noch immer auf den vermeintlich nicht zur überbrückenden Konflikt zwischen Religion und Rationalität heruntergebrochen wird. Dabei ähneln sich die praktischen Erkenntniswege: Das Prinzip des Zweifelns gehört zum Denken und Forschen ebenso wie zum Glauben. Auch ist der Glaube (an bestimmte Paradigmen) aus der Wissenschaft nicht wegzudenken. Natürlich ist klar, dass die Kirche heute nicht mehr das letzte Wort in naturwissenschaftlichen Fragen beanspruchen kann, aber den Naturwissenschaften stünde es ebenso gut an, öfter über ihr Verhältnis zur Religion nachzudenken – und nicht nur über das Was und Wie der Naturgesetze. Schon Max Planck war der Meinung, dass sich Glaube und Naturwissenschaft nicht widersprechen, sondern ergänzen, ja bedingen. Ein wechselseitiger Blick über starre Fachgrenzen hilft, bisher ungelösten Fragen näher zu kommen, wie zum Beispiel zur Verbindung Urknall und Schöpfung.     

    Interview Stefan W. Römmelt