Wachsender Wohlstand, wissenschaftlicher und technischer Fortschritt, die Möglichkeit, sich gegen nahezu alles versichern zu können, nicht zuletzt der Fall des Eisernen Vorhangs und das Ende des Kalten Kriegs haben dazu beigetragen. Auch weiter bestehende oder neu aufflammende Krisenherde oder Katastrophen haben daran wenig geändert. Selbst Klimawandel und Corona-Pandemie haben dieses Sicherheitsgefühl nur angekratzt; mit entsprechenden Verhaltensänderungen und dank der technischen Fertigkeiten der Menschheit werde man auch damit fertig, lautete das Credo.
Seit dem Einmarsch von Putins Truppen in der Ukraine ist das anders. Jetzt herrschen Unsicherheit und Zukunftsangst vor, mit einem Mal ist klar geworden, wie unsicher die vermeintliche Sicherheit war. Eher negative Reaktionen darauf sind Symbolpolitik wie etwa die sofortige, massive Erhöhung der Verteidigungsausgaben oder auch Hamsterkäufe. Auf der Positiv-Seite sind das Zusammenstehen in Europa und die große Hilfsbereitschaft zu nennen. Helfen vermittelt zumindest das Gefühl, etwas tun, etwas ändern zu können, der Situation nicht völlig hilflos ausgeliefert zu sein.
Auch als Christ ist man dieser Tage vor dem Gefühl der Hilflosigkeit nicht gefeit; das lässt sich nicht einfach „wegbeten“. Dennoch scheint mir das gemeinsame Gebet wichtig – für die Kriegsopfer und auch für die Betenden selbst. Sich in einer Gemeinschaft mitgetragen zu wissen, ist in schweren Zeiten hilfreich. Zudem hilft es dem Beter, sich auf die wirklich wichtigen Dinge zu besinnen und darauf, was oder wer dem Christgläubigen Lebensmut, Kraft und Hoffnung gibt.
Wolfgang Bullin