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Ernesto Cardenal 80 Jahre alt – Mystiker, Marxist, Christ
An ihm scheiden sich die Geister
An ihm scheiden sich bis heute die Geister: Ernesto Cardenal – Priester, Mystiker, Widerstandskämpfer, Revolutionär, Marxist und Ex-Kulturminister seines Heimatlandes Nicaragua. Er ist 80 Jahre alt geworden. Für Linke war er seit dem Sturz der Somoza-Diktatur 1979 der lebende Beweis dafür, dass sich Christentum und Marxismus nicht widersprechen. Damals hatte ein breites Bündnis den seit 1936 an der Macht klebenden brutalen Somoza-Familien-Clan aus dem Lande getrieben. Erstmals in der Geschichte erkämpften Christen und Kommunisten gemeinsam einen Machtwechsel. Konservative, auch in der Kirche, sehen in Cardenal den gefährlichen Vorkämpfer einer falschen Bibelauslegung, die dem Katholizismus weltweit schweren Schaden zufügte.
Für weltweites Aufsehen sorgte der Mann mit den langen weißen Haaren und der Baskenmütze noch einmal, als er 1995 aus der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) austrat. Dabei verglich Cardenal Ex-Präsident und Oppositions-Chef Daniel Ortega mit Adolf Hitler. In der Partei seien Wahlmanipulationen, Diebstahl und Korruption an der Tagesordnung. Mit anderen Unzufriedenen gründete Cardenal die „Bewegung der sandinistischen Erneuerung“ (MRS), blieb aber seinen eigenen Überzeugungen treu. Er hält es nach wie vor für selbstverständlich, dass Christentum und Marxismus miteinander vereinbar sind. Und für die nächsten 100 Jahre prognostiziert er gegen alle Trends das „Jahrhundert eines marxistischen Christentums“. Die wichtigste Entscheidung seines Lebens, so Cardenal über Cardenal, sei, dass er sich Gott verschrieben habe „und damit auch dem Volk und der Revolution“.
Eine Ortskirche, die im kalten Krieg lebt
Solche Bekenntnisse dürften nicht dazu beitragen, sich mit seinen kirchlichen Vorgesetzten auszusöhnen. Zu unüberbrückbar scheinen auch 15 Jahre nach dem Ende des sandinistischen Experiments die Gegensätze zwischen ihm und Managuas Kardinal Miguel Obando Bravo zu sein, der maßgeblich an der nach-sandinistischen Regierungsübernahme durch ein bürgerliches Bündnis beteiligt war. So ist alles beim Alten: Cardenal ist Priester, will auch nicht laisiert werden, darf aber weder Messe lesen noch Beichte hören. Der Konflikt ist kennzeichnend für eine Ortskirche, in der nach Ansicht von Beobachtern „eine Art kalter Krieg“ zwischen den verschiedenen Strömungen und Flügeln im Land herrscht. Gespräche zwischen Cardenal und Rom sind ebenfalls nicht vorgesehen.
Die verschiedenen Kulturen miteinander im Gespräch
Heute kümmert sich der einstige Novize des amerikanischen Trappistenklosters Gethsemany und Freund des Dichtermönches Thomas Merton um die gemeinsam mit dem österreichischen Ex-Show-Master Dietmar Schönherr gegründete „Casa de los tres mundos“. Das überwiegend mit europäischen Spenden errichtete „Haus der drei Welten“ in der schönen ehemaligen spanischen Kolonialstadt Granada am Nicaragua-See will die in dem Land verschmolzenen und teils noch ursprünglich erhaltenen europäischen, indianischen und afrikanischen Kulturelemente miteinander ins Gespräch bringen. Außerdem findet sich im Haus eine Musik- und Kunstschule für arme Kinder. Es wird geleitet von einem ehemaligen Caritas-Mitarbeiter aus Wien. Schönherr bezeichnet Cardenal als einen innigen Freund und Bruder, der aber manchmal auch „recht grob“ mit ihm umgehe. Wie es unter Brüdern eben so üblich sei. Das „Haus der drei Welten“ ist für den Show-Master „das Wichtigste, was ich gemacht habe“.
Das Evangelium der Bauern von Solentiname
1966 hatte der Nonkonformist Cardenal auf der Insel Solentiname eine an radikal-urchristlichen Idealen orientierte Gemeinschaft gegründet. Es entstand das „Evangelium der Bauern von Solentiname“, in dem der Philosoph, Literaturwissenschaftler und Theologe das Bemühen der Menschen erzählte, ihr Leben im Licht der Botschaft Jesu zu deuten. 1977 floh er nach Costa Rica, von dort warb er weltweit um moralische und finanzielle Unterstützung für die Sandinisten. Zwei Jahre später trat Cardenal ebenso wie drei andere Priester als Minister in die Revolutionsregierung Ortegas ein. 1985 schließlich verbot ihm der Vatikan die Ausübung seines priesterlichen Dienstes – zwei Jahre zuvor hatte Cardenal Papst Johannes Paul II. bei dessen Besuch im Dom von Managua noch ein „Viva la revolucion“ entgegengerufen.
Vollkommen unmusikalisch und farbenblind
1980 erhielt Cardenal für sein Gesamtwerk den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Viele Auszeichnungen folgten. 1998 kam der erste Teil seiner Lebenserinnerungen heraus, in dem sich der Charismatiker als vollkommen unmusikalisch und farbenblind beschreibt. Vor kurzem erschien „Im Herzen der Revolution“, der dritte und letzte Band seiner Autobiografie. Auch ihn wird Cardenal sicher wieder in Deutschland vorstellen, wo er seine treuesten Anhänger hat. Neben Berichten über seine Gespräche mit Ayatollah Khomeini, Muammar Gaddafi und Willy Brandt schreibt Cardenal über seine Hoffnung, dass die von Gott erwartete Revolution noch kommen wird. Und es ist so, wie es schon immer war: Während die einen mit dem Buch nichts anfangen können, preisen ihn andere als „Begründer der mystischen lateinamerikanischen Literatur“. Mehr noch: Der streitbare Gottesmann sei „einer der originellsten christlichen Mystiker des 20. Jahrhunderts“.
Für weltweites Aufsehen sorgte der Mann mit den langen weißen Haaren und der Baskenmütze noch einmal, als er 1995 aus der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) austrat. Dabei verglich Cardenal Ex-Präsident und Oppositions-Chef Daniel Ortega mit Adolf Hitler. In der Partei seien Wahlmanipulationen, Diebstahl und Korruption an der Tagesordnung. Mit anderen Unzufriedenen gründete Cardenal die „Bewegung der sandinistischen Erneuerung“ (MRS), blieb aber seinen eigenen Überzeugungen treu. Er hält es nach wie vor für selbstverständlich, dass Christentum und Marxismus miteinander vereinbar sind. Und für die nächsten 100 Jahre prognostiziert er gegen alle Trends das „Jahrhundert eines marxistischen Christentums“. Die wichtigste Entscheidung seines Lebens, so Cardenal über Cardenal, sei, dass er sich Gott verschrieben habe „und damit auch dem Volk und der Revolution“.
Eine Ortskirche, die im kalten Krieg lebt
Solche Bekenntnisse dürften nicht dazu beitragen, sich mit seinen kirchlichen Vorgesetzten auszusöhnen. Zu unüberbrückbar scheinen auch 15 Jahre nach dem Ende des sandinistischen Experiments die Gegensätze zwischen ihm und Managuas Kardinal Miguel Obando Bravo zu sein, der maßgeblich an der nach-sandinistischen Regierungsübernahme durch ein bürgerliches Bündnis beteiligt war. So ist alles beim Alten: Cardenal ist Priester, will auch nicht laisiert werden, darf aber weder Messe lesen noch Beichte hören. Der Konflikt ist kennzeichnend für eine Ortskirche, in der nach Ansicht von Beobachtern „eine Art kalter Krieg“ zwischen den verschiedenen Strömungen und Flügeln im Land herrscht. Gespräche zwischen Cardenal und Rom sind ebenfalls nicht vorgesehen.
Die verschiedenen Kulturen miteinander im Gespräch
Heute kümmert sich der einstige Novize des amerikanischen Trappistenklosters Gethsemany und Freund des Dichtermönches Thomas Merton um die gemeinsam mit dem österreichischen Ex-Show-Master Dietmar Schönherr gegründete „Casa de los tres mundos“. Das überwiegend mit europäischen Spenden errichtete „Haus der drei Welten“ in der schönen ehemaligen spanischen Kolonialstadt Granada am Nicaragua-See will die in dem Land verschmolzenen und teils noch ursprünglich erhaltenen europäischen, indianischen und afrikanischen Kulturelemente miteinander ins Gespräch bringen. Außerdem findet sich im Haus eine Musik- und Kunstschule für arme Kinder. Es wird geleitet von einem ehemaligen Caritas-Mitarbeiter aus Wien. Schönherr bezeichnet Cardenal als einen innigen Freund und Bruder, der aber manchmal auch „recht grob“ mit ihm umgehe. Wie es unter Brüdern eben so üblich sei. Das „Haus der drei Welten“ ist für den Show-Master „das Wichtigste, was ich gemacht habe“.
Das Evangelium der Bauern von Solentiname
1966 hatte der Nonkonformist Cardenal auf der Insel Solentiname eine an radikal-urchristlichen Idealen orientierte Gemeinschaft gegründet. Es entstand das „Evangelium der Bauern von Solentiname“, in dem der Philosoph, Literaturwissenschaftler und Theologe das Bemühen der Menschen erzählte, ihr Leben im Licht der Botschaft Jesu zu deuten. 1977 floh er nach Costa Rica, von dort warb er weltweit um moralische und finanzielle Unterstützung für die Sandinisten. Zwei Jahre später trat Cardenal ebenso wie drei andere Priester als Minister in die Revolutionsregierung Ortegas ein. 1985 schließlich verbot ihm der Vatikan die Ausübung seines priesterlichen Dienstes – zwei Jahre zuvor hatte Cardenal Papst Johannes Paul II. bei dessen Besuch im Dom von Managua noch ein „Viva la revolucion“ entgegengerufen.
Vollkommen unmusikalisch und farbenblind
1980 erhielt Cardenal für sein Gesamtwerk den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Viele Auszeichnungen folgten. 1998 kam der erste Teil seiner Lebenserinnerungen heraus, in dem sich der Charismatiker als vollkommen unmusikalisch und farbenblind beschreibt. Vor kurzem erschien „Im Herzen der Revolution“, der dritte und letzte Band seiner Autobiografie. Auch ihn wird Cardenal sicher wieder in Deutschland vorstellen, wo er seine treuesten Anhänger hat. Neben Berichten über seine Gespräche mit Ayatollah Khomeini, Muammar Gaddafi und Willy Brandt schreibt Cardenal über seine Hoffnung, dass die von Gott erwartete Revolution noch kommen wird. Und es ist so, wie es schon immer war: Während die einen mit dem Buch nichts anfangen können, preisen ihn andere als „Begründer der mystischen lateinamerikanischen Literatur“. Mehr noch: Der streitbare Gottesmann sei „einer der originellsten christlichen Mystiker des 20. Jahrhunderts“.