Diese Aufgabe erfüllt als fränkische Apfelkönigin aktuell nicht einfach nur eine hübsche Tochter eines Obstbauern. Mit ihren 25 Jahren ist Marion Gold aus Karlburg bei Karlstadt schon Gärtnermeisterin und seit 2019 gar Betriebsleiterin eines Obst- und Spargelhofs mit fünf Festangestellten und zuweilen zehnmal so vielen Saisonkräften. Auf dem Apfelmarkt im vergangenen Herbst in Elsenfeld wurde Marion I. gekrönt. Sie repräsentiert die Obstbaubetriebe der drei fränkischen Regierungsbezirke. Sie betont die Vorzüge der Regionalität; kurze Transportwege garantieren frische, ausgereifte Früchte.
„Das Besondere bei uns in Franken ist, dass vor der Ernte große Unterschiede zwischen Tag- und Nachttemperatur herrschen. Das sorgt für eine Süße-Säure-Balance und dafür, dass die Schale intensiv ausfärbt“, erklärt die kundige Botschafterin. Beim Ministerpräsidenten hat die Hoheit einen Antrittsbesuch gemacht. Und auf der Grünen Woche in Berlin, der großen Verbrauchermesse rund um leckere Lebensmittel, hatte sie einen werbewirksamen Auftritt. Dann kam Corona, und um die Verbreitung des ansteckenden Virus einzudämmen, folgten Kontaktbeschränkungen. Ab der Baumblüte hätte die Königin den gesamten Entwicklungs- und Reifungsprozess des Obstes öffentlich begleiten und darüber bei festlichen Anlässen sowie in Kindergärten und Schulen informieren sollen, doch ...
Obstkulturpark
Jung und Alt können in Franken auf eigens angelegten, jederzeit zugänglichen Rundwanderwegen das Wachsen und Gedeihen der Äpfel verfolgen, beispielsweise auf Lehrpfaden in Markt Herrnsheim bei Kitzingen und in Hausen in der Rhön. Auf einer Fläche von rund sechs Hektar hat ein Verein, der sich auf die Fahne geschrieben hat, am Untermain typische Kern- und Steinobstsorten zu erhalten, vor 15 Jahren einen Obstkulturpark im Klingenberger Stadtteil Trennfurt eröffnet. Im Endausbau sollen hier einmal bis zu 500 Bäume mit vorwiegend historischen und lokal verbreiteten Sorten kultiviert werden. Man will an das 18. und 19. Jahrhundert anknüpfen, als der hiesige Raum zu den bedeutendsten Obstanbaugebieten Süddeutschlands zählte. Der Apfel ist prägnant für das Bild Frankens. Vielerorts bieten Naturschutzverbände geleitete Spaziergänge über Streuobstwiesen an. Auch die Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim bildet entsprechende Führer aus. Marion Gold empfiehlt, alles Wissenswerte am besten direkt bei den Obstbauern in deren Hofläden zu erfragen.
In Franken betreiben nach Angaben des 2006 gegründeten „Fränkische Obstbauern e. V.“ vorwiegend Familienbetriebe den erwerbsmäßigen Anbau. Die Fläche für Äpfel beziffern die Mitglieder auf rund 550 Hektar – nur übertroffen von 655 Hektar für Süßkirschen und 625 Hektar für Pflaumen. Das Sortiment setzt sich aus über 40 verschiedenen Apfelsorten zusammen. Ähnlich viele hatte schon von 1770 bis zu seinem Tod 1804 der Würzburger Hofgärtner Johann Prokop Mayer gehegt und gepflegt sowie in einem dreibändigen Fachbuch, der „Pomana Franconica“, unter anderem mithilfe handkolorierter Kupferstiche erläutert.
Vorlieben
Welche Sorte schmeckt am besten? Königin Marion nennt den rotbackigen, knackigen Wellant ihren Favoriten wegen der angenehmen Süße und milden Säure. Thomas Riehl, Obstbaufachberater am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen, zugleich auch Geschäftsführer der fränkischen Obstbauernvereinigung, hat einen Trend ausgemacht: „Die Jungen wollen’s zuckersüß; der Gala ist einer der wichtigsten Vertreter.“ Mit zunehmenden Alter verlangten die Verbraucher eher nach einem ausgewogenen Apfel wie dem Elstar.
„Nur eine Minderheit mag’s ganz säuerlich, etwa einen Boskoop.“ Die Goldparmäne, die im Kahlgrund rund um Schöllkrippen als „über viele Jahrhunderte eine der besten Tafelobstsorten“ in Ehren gehalten wird, wertet der Experte als Liebhaberapfel; die ab Ende September erntereife Sorte mit nussiger Note ist leicht anfällig für Krankheiten.
Resistente Sorten
Zu resistenten Sorten, denen Mehltau und Schorf wenig anhaben kann, raten sowohl die Apfelkönigin als auch ihr Mentor im Hausgarten. Wenn’s eine frühe sein soll, die Retina. Eine späte ist der Topaz. Und dazwischen liegt die in Dresden-Pillnitz im Obstforschungsinstitut gezüchtete Rebella. „Die Größe des Umgriffs entscheidet über die Wahl der ‚Unterlage’, auf die der Edelreis aufgepfropft wird – Strauch oder Halb- oder Hochstamm“, ergänzt Marion Gold. Die geprüfte Meisterin für Obstanbau verweist gleich noch auf den regelmäßig nötigen Winterschnitt, um die Kraft der Obstbäume auf ihre Tragäste zu konzentrieren. Wer Profi werden möchte, muss eine Ausbildung zum Gärtner im Fachbereich Obstbau absolvieren. „Im zweiten Lehrjahr hat’s mich voll erwischt.” Seitdem könne sie sich nichts anderes mehr vorstellen. Übrigens – wozu sich der Laie selten überwindet:
„Nach dem sogenannten Junifall sollten die Äpfel auf maximal zwei Stück pro Fruchtbüschel ausgedünnt werden. So können sich die verbleibenden Früchte optimal entwickeln. Nach den Frösten während der Zeit der Eisheiligen im Mai muss je nach Lage der Apfelplantagen heuer mit rund 30 Prozent weniger Ertrag gerechnet werden. Bei den verstreut stehenden Hochstämmen hat Fachmann Riehl hingegen teilweise einen überdurchschnittlichen Behang beobachtet. Er führt ihn auf die „Alternanz“ zurück, auf eine wechselnd starke Blüte von Jahr zu Jahr.
Direkt vom Hof
Wenn jetzt die Ernte anläuft, werden die Speiseäpfel gleich nach Größe und Ausfärbung sortiert und meist erst einmal in Kühlhäusern gelagert. Die Anbaufläche für Äpfel beträgt auf dem Obsthof Gold nur 1,2 Hektar, weshalb die überschaubare Menge sich für den Großhandel nicht lohnt. „Manche Selbstvermarkter stellen auch Saft, Marmeladen und Chips her“, sagt Marion Gold. Sie persönlich isst die meisten Äpfel direkt vom Baum. Rund 30 Kilogramm konsumiert der Bundesbürger pro Jahr; die Inhaltsstoffe unterstützen die Regulation von pH-Wert, Blutdruck und Verdauung und verhelfen zu kräftigen Zähnen und Knochen.
„Als Kind konnte ich von Apfelmus und Apfelsaftschorle gar nicht genug kriegen“, erzählt die Apfelmajestät. Und augenzwinkernd: „Inzwischen mundet mir immer mehr der Apfelwein.“ Das Dialektwort für selbigen verrät, ob man im main- oder rheinfränkischen Sprachraum zu Hause ist. Steuert man von Würzburg kommend auf dem „Äppeläquator“ zu, so heißt es: „Hier löscht der Öepfelmoust dein Durscht, den Hunger Grumbirnbrei un Wurscht. Degeche: Worscht un Äppelwoi muss, uff de annern Seide soi.“
Äppeläquator
Der dazugehörige Markstein sitzt neben der Straße von Rohrbrunn nach Schollbrunn. Die ehemalige Kartause Grünau dient als Ausgangs- und Endpunkt eines vom Unterfränkischen Institut für Kulturlandschaftsforschung an der Universität Würzburg, dem Archäologischen Spessartprojekt, ausgewiesenen Wanderwegs mit der Bezeichnung „Südlich des Äppeläquators“. Drüben beim „Woi“ versteht man sich auf ein tolles Marketing: Die Regionalmanagementinitiative „Bayerischer Untermain“ veranstaltet seit 2005 abwechselnd in den Landkreisen Aschaffenburg und Miltenberg im Oktober einen Apfelmarkt. Das ist diesmal nicht möglich. Nächste Chance: 10. Oktober 2021 in Goldbach.
Am letzten Sonntag im Oktober wird für gewöhnlich in Lohr das Rambourfest gefeiert. Unter dem wohlklingenden Namen Rambour fand Anfang des 20. Jahrhunderts eine fast 70 Jahre zuvor erfolgte Züchtung Aufnahme ins Landessortenregister; der Lohrer Stadttürmer hatte mit einem französischen Reis einen Baum des Sternwirts veredelt. Das vermeintlich im Lohrer Schloss geborene Schneewittchen verteilt an Groß und Klein bei allen Gelegenheiten die verführerische Frucht und zieht damit mit Königin Marion an einem Strang, zumal der „Schönsten im ganzen Land“ der Durchbruch erst so richtig mit einem Apfelmalheur gelang.
Bernhard Schneider