Am besten gar nicht erst einschalten
Die erste Folge ist wohl ausgestrahlt, wenn Sie diese Sonntagsblatt-Ausgabe in Händen halten. Und die Zuschauerquote dürfte die Erwartung des Senders erfüllt, wenn nicht übertroffen haben – allen Protesten im Vorfeld zum Trotz, vielleicht aber auch gerade wegen der Proteste. Die Rede ist von der RTL-Serie „Erwachsen auf Probe“, in der Kleinkinder für einen begrenzten Zeitraum der Obhut von Jugendlichen anvertraut werden – natürlich vor der Kamera und damit vor der Öffentlichkeit. Kaum jemals war die Phalanx der Kritiker im Vorfeld einer Sendung so breit gestreut. In Blogs, Foren und Artikeln wurde gewarnt und protestiert; Fachleute und Fachverbände meldeten sich zu Wort wie etwa der Kinderschutzbund oder der Medienbischof der Deutschen Bischofskonferenz, Gebhard Fürst; prominenteste Kritikerin dürfte Bundesfamilienministerin von der Layen gewesen sein. Doch – wie bereits bei „Big brother“, Super Nanny“, „Dschungelcamp“ oder wie die Vorläuferformate alle heißen – haben sie zunächst einmal nur eines bewirkt: das Projekt erst richig bekannt zu machen und RTL damit wohl einiges an Werbeausgaben zu sparen. Hätte man also darauf verzichten sollen, um nicht unfreiwillig auch noch die Werbetrommel für das zu rühren, was man eigentlich verhindern möchte? In diesem Fall wohl eher nicht. Auch wenn die heftigen Proteste RTL – zumindest bis zur Abfassung dieses Textes – nicht zu einem Rückzieher veranlasst haben, so dürften sie doch nicht wirkungslos verpuffen. Vielleicht modifiziert der Sender ja nicht nur das Pressematerial, sondern auch das Konzept der Sendung. Und vielleicht haben ja die lauten, öffentlichen Proteste diesmal nicht nur zusätzliches Publikum vor den Schirm gelockt, sondern auch manche zum Nachdenken angeregt. Zum Nachdenken darüber, ob man nicht auch der zunehmenden geistigen Umweltverschmutzung endlich Einhalt gebieten sollte. Auch hier werden sich die wirklichen Schäden erst langfristig zeigen. Auch hier gilt es zu bewahren und zu schützen. Dank der Quoten-Fixiertheit unserer TV-Macher ist es gerade in diesem Fall ganz einfach. Schlechte Quoten haben schon so manches Top-Projekt ganz schnell verschwinden lassen. Also: Gar nicht erst einschalten.