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      Zu Besuch bei den Karmelitinnen in Himmelspforten

      Alt und Jung unter einem Klosterdach

      Familien, in denen mehrere Generationen zusammenleben, sind selten geworden. Bei den Karmelitinnen im Kloster Himmelspforten hingegen teilen sich elf Schwestern zwischen 25 und 93 Jahren den klöster­lichen Alltag und das Leben in Gemeinschaft.

      Vier freundliche Gesichter lächeln hinter der fensterartigen Öffnung im Besuchsraum des Klosters Himmelspforten, die den Klausurbereich von dem öffentlich zugänglichen Zimmer trennt. „Früher war hier noch ein Eisengitter“, erinnert sich Schwester Lucia Kohler (86). Im Zuge des zweiten Vatikanums wurde die Sichtbarriere, durch dessen enge Öffnungen man sich vorher nicht einmal die Hand reichen konnte, abgeschafft. „Die Schwestern und ihre Angehörigen sollen sich doch auch mal umarmen können“, sagt Priorin, Schwester Johanna Walz (52). Schwester Agnes Straub (42) und Postulantin Hannah Müller (25) sind die Jüngsten beim Gespräch. „Unsere älteren Mitschwestern sind voller Lebenserfahrung und Weisheit, davon profitieren wir Jüngeren sehr“, erzählt Müller. Alle empfänden das Zusammenleben der Generationen als große Bereicherung.

      Aufgabenverteilung

      Freilich will eine solche Gemeinschaft auch gepflegt werden. Der klösterliche Tagesablauf hilft dabei. Sein regelmäßiger Rhythmus aus Gottesdienst und Gebet, Arbeit und Erholung ermöglicht Zeiten des Zusam-
      menseins ebenso wie Gelegenheiten für den Rückzug in die Stille. „Wir haben einen großen Garten, da können wir uns auch in der Natur bewegen“, erklärt Schwester Agnes. Das sei allen wichtig, da der Lebensraum in der ordenstypischen Klausur auf das Klostergelände beschränkt sei.

      Wie sieht das Zusammenleben in der Praxis aus? „Wir helfen einander, und das geht immer in beide Richtungen“, berichtet Postulantin Hannah. Sie selbst sei dafür zuständig, betagtere Schwestern bei der Bewältigung der Einschränkungen zu unterstützen, die beispielsweise körperliche Gebrechen mit sich bringen. Die jüngere Generation übernimmt auch die meisten Verwaltungsdienste, die körperlich anstren-
      genden Aufgaben – und das gemeinsame Geschirrspülen nach den Mahlzeiten. Die Älteren arbeiten soweit ihre Kräfte reichen mit. Außerdem geben sie den Jüngeren wertvollen Rat in Glaubensfragen. Und sie freuen sich über deren Anwesenheit. „Die Jugend bringt uns so viel Lachen und Fröhlichkeit, das ist schön“, bestätigt Schwester Lucia.

      Zementmischmaschine

      Als Schwester Lucia im Jahr 1962 in den Orden eintrat, war die Gemeinschaft fast doppelt so groß. Die Wiederaufbau- und Neubaumaßnahmen der Nachkriegszeit waren damals noch nicht ganz abgeschlossen. „Da habe ich auf der Baustelle die Zementmischmaschine bedient“, erinnert sie sich. Wie sehr die Aufbauleistung der Nachkriegsgeneration sie beeindrucke, erzählt Schwester Agnes: „Die Schwestern haben zugepackt wie Bau­arbeiter und mit eigenem Einsatz Kirche und Kloster wiederhergestellt.“ Damals sei es allen ein Anliegen gewesen, den älteren Mitschwestern die unangenehmsten und schwersten Arbeiten möglichst zu ersparen. „Dieser Geist hat sich bei uns bis heute erhalten“, sagt Schwester Johanna. Man strebe immer noch danach, den anderen das Leben möglichst zu erleichtern. So manche Ordensfrau bleibt agil bis ins hohe Alter. Auch Schwester Lucia freut sich, dass „der Kopf noch völlig fit“ sei, auch wenn die Beine nicht mehr richtig wollen. „Unsere 93-jährige Schwester Regina spielt noch mehrmals in der Woche für uns die Orgel“, berichtet Schwester Johanna. Sogar bei Reinigungsarbeiten wolle sie immer noch mithelfen und ziehe einfach den Besen hinter sich her durch den Flur.

      Kerzen und Skapuliere

      Neben der Pflege von Haus und Gartengelände betreibt die Gemeinschaft eine Werkstatt, in der verzierte Kerzen hergestellt werden, und fertigt neben Rosenkränzen auch Skapuliere, symbolische Miniaturversionen des Schulterkleids der Schwestern. Diese werden von Menschen getragen, die in ihrem eigenen Leben der Spiritualität des Karmel folgen. Auch die Ordensgewänder kommen nicht aus einer Schneiderei, sondern werden im eigenen Haus genäht. Die ordenseigene Paramentenwerkstatt ist zwar derzeit nicht mehr aktiv, wird aber in der Hoffnung auf handarbeitsfreudigen Ordensnachwuchs weiterhin erhalten. Im Garten leben die Klosterhühner, die für die Frühstückseier der Schwestern sorgen und mit ihren niedlichen Küken allen große Freude machen.

      Die zentrale Aufgabe im Kloster ist jedoch das Gebet. Schwester Johanna zitiert den Schweizer Theologen Hans Urs von Balthasar: „Eine Karmelitin flieht nicht aus der Welt, sondern ist Welt, die sich auf Gott hin öffnet.“ Dazu gehört, dem Weltgeschehen in innerer Teilnahme und Mitgefühl verbunden zu bleiben. Die täglichen Nachrichten sind daher fester Teil des Klosteralltags. Jeden Tag erhält die Gemeinschaft neue Gebetsanliegen, oft über ihre Webseite im Internet. All dies bringe man dann gemeinsam vor Gott. Es gebe den Menschen viel Trost, zu wissen, dass für sie gebetet wird.

      Gebetskraft im hohen Alter

      „Und genau hier sind unsere älteren Schwestern sehr gefragt“, sagt die Priorin. Während die körperliche Stärke im Alter abnehme, bleibe die Gebetskraft bis zum letzten Atemzug erhalten. Der findet übrigens meist unter dem Klosterdach statt. Werde eine Schwester pflegebedürftig, so lasse man sich die nötigen medizinischen Maßnahmen zeigen, um sie selbst durchführen zu können. Bei schwierigeren Dingen helfe der Hausarzt oder der ambulante palliativmedizinische Dienst. Selbstverständlich werden auch notwendige Behandlungen im Krankenhaus durchgeführt. „Bei uns ist Sterben richtig schön“, bestätigt Schwester Lucia, und beschreibt, wie sich alle Schwestern um das Sterbebett versammeln und im Kerzenschein mit Gebeten die sterbende Mitschwester über die Schwelle des ewigen Lebens geleiten.

      All dies klingt nach einem erfolgreichen Konzept für gemeinschaftliches Zusammenleben – aber gibt es auch Reibungspunkte? „Tatsächlich erstaunlich wenige“, sagt Priorin Johanna und ihre Mitschwestern nicken zustimmend. Das Geheimnis einer funktionierenden Gemeinschaft sei eine gute Kommunikation; dabei könne man aber immer dazulernen. Weil die praktischen Arbeiten vor allem Aufgabe der jüngeren Generation seien und oft schnelle Absprachen erforderten, hätten die Älteren manchmal zu spät erfahren, dass beispielsweise ein Handwerkerbesuch im Haus oder eine sonstige Veränderung des Tagesrhythmus anstand. Daher achte man nun ganz bewusst darauf, dass sämtliche wichtigen Ansagen auch immer wirklich alle Schwestern erreichen.

      Welche Tipps haben die Karmelitinnen für weltliche Mehrgenerationenfamilien und Wohnprojekte? Das Allerwichtigste, da sind sich die Schwestern einig, sei regelmäßig zusammen verbrachte Zeit, zum Beispiel bei den Mahlzeiten. Und natürlich die gemeinsamen Gespräche, bei denen Alt und Jung erzählen, was sie bewegt. Daraus wachse Respekt und gegenseitiges Verständnis – und auch die Bereitschaft, Veränderungen zu akzeptieren.

      Karen Anke Braun