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    „Alles wird auf links gekehrt“

    Die Unterbringung in Quito, die Hauptstadt von Ecuador, ist bereits geregelt. Alle Fünf werden im Haus einer Bekannten wohnen. Arbeiten werden die Eheleute im Bibelzentrum der Stadt, wo sie Materialien erstellen, Bibelkurse geben, aber auch an der normalen Gemeindearbeit teilhaben werden.
    Im Sommer dieses Jahres fällt die Haustür hinter der Familie Sitter aus Oberleichtersbach (Dekanat Hammelburg) ins Schloss. Alexander Sitter, Ehefrau Sabine Mehling-Sitter und die drei Kinder Magdalena, Jonatan und Katharina kehren ihrem Leben in der Rhön den Rücken und brechen auf nach Ecuador. In ein fremdes Land mit einer ihnen noch unbekannten Kultur und Sprache.

    Noch stehen keine Kartons und Kisten in den Zimmerecken der Sitters, noch läuft vordergründig der gewöhnliche  Alltag. Lediglich ein paar Wörterbücher und Reiseführer auf dem Tisch im Wohnzimmer lassen erahnen, wohin die Reise in wenigen Monaten gehen wird. Südamerika ist das Ziel, genauer gesagt Quito, die Hauptstadt von Ecuador. Sie wird für drei Jahre  Heimat auf Zeit für die Fünf sein. „Das war schon immer mein Traum“, erklärt Sabine Mehling-Sitter. „Wir hatten aber nie die Zeit und die Möglichkeit dafür.“ Die 37-Jährige arbeitet als Gemeindereferentin in der Familienseelsorge des Dekanats Hammelburg. Ihr gleichaltriger Ehemann ist im selben Dekanat als Dekanatsjugendseelsorger tätig und arbeitet darüber hinaus als Gemeindereferent in Oberleichtersbach. Jetzt möchte sich das Ehepaar im Ausland engagieren.

    Überzeugungsarbeit
    Aller Anfang wollte auch hier behutsam geplant werden, und so wurde das Vorhaben nach Ecuador zu gehen, vor einem Jahr zunächst in der Familie durchgesprochen. „Während die beiden jüngeren Kinder offen dafür waren, viel nachfragten und das Ganze als großes Abenteuer sahen, hat sich unsere Älteste, Magdalena, stur gestellt und wollte nicht mit“, erinnert sich Alexander Sitter. Die Eltern machten eins zur Bedingung: Ein „Nein“ würde erst dann akzeptiert werden, wenn die Familie gemeinsam eine Infoveranstaltung besucht hätte – danach würde die Entscheidung getroffen. Nach einigen Tagen voll mit Informationen und netten Begegnungen hatte sich Magdalenas Meinung grundlegend geändert,  wie sie selbst schildert: „Alle von der „Bethlehem Mission Immensee“ (BMI) waren sehr nett und es war spannend, sich mit so unterschiedlichen Leuten zu unterhalten.“ Es täte ihr schon leid, ihre Freunde zu verlassen, aber jetzt sei sie auch sehr gespannt, wie es wohl in Ecuador sein wird. „Vor allem, mit weniger auszukommen – die Menschen dort haben da ja nicht so viel wie wir hier in Deutschland“, erklärt die Zwölfährige.

    Zusicherung vom Bistum
    Von einer Kollegin, die mehrere Jahre in Ecuador gelebt und im Bibelzentrum in Quito gearbeitet hat, erfuhr Sabine Mehling-Sitter, dass diese Stelle noch nicht wieder besetzt wurde. Das Ehepaar fragte beim Bischöflichen Ordinariat nach, ob überhaupt noch Laientheologen in die Mission geschickt werden und wie die Finanzierung eines solchen Vorhabens aussehen könnte.
    Das Bistum Würzburg – so erklärt Sabine Mehling-Sitter – unterstütze finanziell nur noch Missionare in der Partnerdiözese Mbinga in Tansania. Man habe dem Ehepaar aber seitens der Diözese zugesichert, dass ihre Stellen als Gemeindereferenten erhalten bleiben. „Auch das ist eine große Wertschätzung, die wir von unserem Arbeitsgeber erfahren – das ist nicht selbstverständlich“, betont Alexander Sitter. Aber: Letztendlich profitiere auch der Arbeitgeber von dieser „Horizonterweiterung“, da ist sich der 37-Jährige sicher. „Wenn wir zurückkommen, haben wir bestimmt einige Ideen und Anregungen im Gepäck, die auch für unsere Arbeit daheim nützlich sein werden.“
    Christiane Hetterich von der Diözesanstelle Mission, Entwicklung, Frieden des Bischöflichen Ordinariates unterstützt das Vorhaben der Sitters. Sie war selbst für drei Jahre im Nordosten Brasiliens, einer der ärmsten Regionen des Landes, im Einsatz. „Es ist wichtig, auch vermehrt Laientheologen in die Missionsarbeit einzubinden, denn auch das ist ein Zeichen für Weltkirche“, erläutert Hetterich. Angesichts der rückläufigen Zahlen von Priestern und Ordensleuten sei es von großer Bedeutung, auf diesem Weg weiterhin Brücken in andere Länder zu bauen. Sie ermutigte das Ehepaar anfangs, sich mit dem Vorhaben an die BMI zu wenden.
    Die Missionsgesellschaft mit Sitz in der Schweiz entsendet Missionare ins Ausland, vermittelt Fachpersonal in Entwicklungsländer nach Afrika oder Lateinamerika und finanziert diese Projekte. Weitere Unterstützung erhalten die Sitters von der Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH) mit Sitz in Köln. Sie bereitet die Familie auf den Aufenthalt in Ecuador vor. „Diese Organisation steht sozusagen zwischen uns und der BMI, sie kümmert sich um unsere Visa und berät uns beispielsweise bei Fragen rund ums Impfen“, erklärt Sabine Mehling-Sitter. Die BMI wird der Familie in Ecuador in bestimmten zeitlichen Abständen ein Finanzbudget stellen, mit dem sie haushalten. Die Unterbringung in Quito ist bereits geregelt, alle Fünf werden im Haus einer Bekannten wohnen. Arbeiten werden  die Eheleute im Bibelzentrum der Stadt, wo sie Materialien erstellen, Bibelkurse geben, aber auch an der normalen Gemeindearbeit teilhaben werden.
    Damit sich die Familie angemessen auf den Aufenthalt vorbereiten kann, wird sie der erste Schritt der Reise Anfang Juni für vier Monate nach Köln führen. Dort bekommen die Eltern erste Einblicke in das Projekt, bei dem sie mithelfen werden, und es wird fleißig Spanisch gebüffelt werden müssen. „Ich freue mich so darauf und empfinde es als absoluten Luxus, einige Monate erstmal nur lernen zu dürfen“, sagt der Familienvater lächelnd. So könne man sich auf den kompletten Kulturwechsel angemessen vorbereiten. Vom Juli bis Oktober werden die Kinder in Köln zur Schule gehen.

    Planen und organisieren
    Doch bis dahin sind es noch einige Wochen. Zurzeit organisiert und plant die Familie eifrig. „Wir brauchen alle neue Reisepässe, ein polizeiliches Führungszeugnis, internationale Geburtsurkunden der Kinder, eine internationale Heiratsurkunde – ein großes Gerenne, bis man alles zusammen hat“, sagt die dreifache Mutter. Aber es sei auch eine gute Gelegenheit, das Haus einmal zu entrümpeln. Kleidung und Spielsachen werden nun aussortiert, verschenkt oder bei der Internet-Börse ebay verkauft. Das schaffe Platz und Überblick, erklärt die 37-Jährige. „Das Haus haben wir für drei Jahre vermietet. Das war unsere größte Sorge, dass das nicht klappt.“ Alles was an Inventar dann noch übrig ist, wird in ein, zwei Zimmer gestapelt, die Tür wird zugeschlossen. Und die Haustiere? „Die Rennmäuse und Magdalenas Kaninchen werden an Freunde verschenkt“, erklärt die Mutter. Damit seien die Kinder auch einverstanden.

    Ein „Ja“ von allen Seiten
    Die Entscheidung war gefallen, die Familie wird gehen. Nun fehlten noch ein Eignungstest bei der AGEH in Köln, und das endgültige „Ja“ seitens der Diözese. Beides fiel Anfang des Jahres positiv aus. Christiane Hetterich möchte dem Ehepaar einige Tipps mit auf den Weg geben: „Ganz wichtig ist es, erst einmal nur hinzuschauen und hinzuhören – nicht gleich die Ärmel hochzukrempeln, sich vielmehr auf den Weg und das Tempo einzulassen, das die Menschen dort vorgeben.“ Ihrer Meinung nach entstehe so am besten ein solidarisches Miteinander. Alexander Sitter und seine Frau möchten den Rat umsetzen. „Wir gehen als Lernende dorthin, alles wird auf links gekehrt, unser Leben ändert sich komplett“, erläutert  der Familienvater. „Und wir werden dort den Umgang mit der Bibel in unserer täglichen Arbeit neu entdecken können.“

    Mit Tränen in den Augen
    Ehefrau Sabine ergänzt: „In der Bibelarbeit haben uns die Ecuadorianer – wie ich von Kollegen erfahren habe – viel voraus. Sie fühlen sich noch viel stärker mit ihren Traditionen verbunden.“ Auf die Intensität und den „gelebten Glauben“ seien beide gespannt. Was erhoffen sich Alexander Sitter und seine Frau von ihrem Aufenthalt in Ecuador? Die Theologin bringt es auf den Punkt: „Ich wünsche mir im Rahmen unserer Arbeit die Verbindung zur Befreiungstheologie spüren zu können. Wie lebt Kirche dort, wenn es um die Existenz der Menschen geht?“ Sie lächelt: „Und – dass wir in drei Jahren dort mit Tränen in den Augen wieder gehen werden.“